Biarritz – Donald Trump hat beim G7-Gipfel nicht an der Sitzung zum Thema Klima und Artenvielfalt teilgenommen. Der US-Präsident habe zur selben Zeit andere bilaterale Treffen gehabt, sagt Gastgeber Emmanuel Macron.
Trump und der britische Premierminister Boris Johnson betonten am Sonntag ihre Absicht, einen britisch-amerikanischen Handelsvertrag abzuschließen. Es werde bald einen "sehr großen" Pakt geben, sagte Trump. Johnson und er seien sehr "Gung-ho" – ein in den USA gebräuchlicher Ausdruck für "enthusiastisch". Der britische Premierminister räumte allerdings ein, dass die Verhandlungen mit Washington schwierig würden. Johnson betonte, dass er für Freihandel sei und dass Großbritannien auf friedliche Handelsbeziehungen setze.
Nicht nur bei Johnson sorgt der Handelsstreit zwischen den USA und China für Verstimmung. Die europäischen Staats- und Regierungschefs warnten Trump wiederholt vor Schäden durch den Konflikt. Am Sonntag sagte Trump am Rande des Gipfels dennoch, dass er sich nicht dem Druck von Verbündeten ausgesetzt sehe: "Ich denke, dass sie den Handelskrieg respektieren", sagte Trump.
Indes kommt laut Berichten in den Handelsstreit zwischen den USA und China neue Bewegung: Trump sagte am Montag, Peking wolle eine "Rückkehr an den Verhandlungstisch". Das hätten ihm chinesische Regierungsvertreter mitgeteilt.
US-Handelsstreit mit China
Im Zentrum des zweiten Gipfeltages stand die Debatte über die Weltwirtschaft. Deutschlands Kanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident und Gastgeber Emmanuel Macron und Johnson warnten nach Angaben aus Teilnehmerkreisen, dass die US-Sanktionen gegen China wegen der Verflechtung der Weltwirtschaft auch Schleifspuren in Europas Wirtschaft hinterließen. Trump zeigte sich davon jedoch unbeeindruckt und verteidigte abermals die neuen Strafzölle gegen China.
Trump hatte als Reaktion auf chinesische Zollerhöhungen die Anhebung der Abgaben auf Einfuhren aus China im Wert von 250 Milliarden Dollar von 25 auf 30 Prozent angeordnet. In China wiederum wurde in der Zeitung "People's Dialy" der regierenden Kommunistischen Partei indirekt eine Gegenreaktion auf Trumps Drohung angekündigt. Das Land werde niemals in seiner Position wanken, allen Provokationen der US-Seite zu kontern, hieß es am Sonntag in einem Kommentar.
Abkommen zwischen den USA und Japan
Er erwarte keine negativen Marktreaktionen, sagte Trump in Biarritz. Der Handelsstreit mit China helfe vielmehr beim Abschluss eines Abkommens mit Japan.
Trump teilte am Sonntag nach einem Gespräch mit Japans Regierungschef Shinzo Abe mit, dass sich die USA und Japan grundsätzlich auf ein Freihandelsabkommen geeinigt haben. Beide Seiten verhandeln seit Monaten über ein solches Abkommen, bei dem es unter anderem um japanische Zölle auf US-Agrarprodukte gehen soll.
Das Abkommen soll voraussichtlich zu einem Zeitpunkt um die Generalversammlung der Vereinten Nationen Ende September unterzeichnet werden. Mit der Vereinbarung wollen die größte Wirtschaftsnation USA und Japan als drittgrößte Volkswirtschaft ihre Märkte jeweils für die Waren des anderen weiter öffnen.
Russland bleibt ausgeschlossen
Trump sagte zudem, man habe am G7-Gipfel eine "lebendige" Diskussion über die Wiederaufnahme Russlands in den Kreis der wichtigsten Industriestaaten geführt, die aber andauere. Trump halte das für vorteilhaft und positiv. Er räumt aber auch ein, es gebe womöglich in dieser Frage keinen Konsens bei den G7: "Vielleicht lassen wir es so, wie es ist." Die USA halten im nächsten Jahr die G7-Präsidentschaft. Trump kündigte an, Gipfelort werde Miami sein. Ob er Putin dann einladen wolle, dazu äußerte er sich nicht.
Merkel und Macron wollen jedoch "sehr schnell" nach Vorbereitungstreffen einen Ukraine-Gipfel mit Putin und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj abhalten, sagte Merkel am Sonntag. Dieses solle in Paris stattfinden.
Russland war nach der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim und wegen seiner Politik im Ukraine-Konflikt aus der Gruppe ausgeschlossen worden. Putin selbst hat bisher nicht um eine Wiederaufnahme angesucht. Trump hatte sich mit einem entsprechenden Vorstoß bereits beim G7-Gipfel in Kanada im vergangenen Jahr nicht durchsetzen können.
G7 stellen sich hinter Hilfe für Sahel-Zone
Deutschland und Frankreich haben, so verkündeten sie auf einer Pressekonferenz am Gipfel, die Unterstützung der G7-Partner erhalten, um den Staaten in der umkämpften Sahel-Zone in Nordafrika im Antiterrorkampf zu helfen. Die fünf Sahel-Länder müssten in der Lage sein, sich selbst zu verteidigen, sagte Merkel. Grund sei die besorgniserregende Sicherheitslage in den Sahel-Staaten, sagte Macron. Die neue "Partnerschaft für Stabilität und Sicherheit im Sahel-Gebiet" solle die nationalen Armeen und die Polizei im Kampf etwa gegen islamistische Gruppen besser ausrüsten.
Die Sahel-Staaten sollen nun ihren Bedarf für ihre Armeen melden, kündigte Merkel an. Ende des Jahres wollten Deutschland und Frankreich dann eine Konferenz abhalten, um abzusprechen, wer welche Hilfe liefern könne. Bereits am Freitag hatte es in der deutschen Regierung geheißen, die Sicherheitslage in Staaten wie Mali oder Niger sei "sehr alarmierend".
Überraschender Iran-Besuch
Unerwartet kam am Sonntag Irans Außenminister Mohammed Jawad Zarif zum G7-Gipfel. Macron wollte damit, so die Vermutungen, wieder Bewegung in den Iran-Konflikt bringen und versuchen, das Atomabkommen zu retten. Nach dreieinhalb Stunden und offenbar ohne Fortschritte in den Gesprächen mit den USA verließ Zarif den Gipfel wieder. Trump behauptete allerdings am Montag, Macron habe ihn vorab gefragt und seine Zustimmung zu der Einladung des Gastes gehabt.
Die französische Regierung allerdings sprach nach dem Treffen von "positiven Gesprächen". Laut der Nachrichtenagentur Reuters traf Zarif sich mit Macron, ein Treffen mit Vertretern der USA sei aber nicht geplant gewesen. Der Iran hatte sich wiederholt beschwert, dass die Europäer nicht genug unternähmen, um gegen die US-Sanktionen anzugehen, die auch europäischen Firmen Handel mit dem Iran in weiten Bereichen der Wirtschaft untersagen.
Anfrage aus Venezuela
Auch der Vertreter eines weiteren Landes buhlte am Sonntag um die Aufmerksamkeit der G7-Staaten. Venezuelas Oppositionsführer Juan Guaidó hat die Teilnehmer gebeten, sich auf ihrem Gipfel im südfranzösischen Biarritz mit der Krise in seinem Land zu befassen. In einem Brief rief er die Staats- und Regierungschefs dazu auf, das Thema auf ihre Agenda zu setzen.
Guaidó und Staatschef Nicolás Maduro ringen seit Monaten in Venezuela um die Macht. Parlamentspräsident Guaidó hatte sich im Jänner zum Übergangspräsidenten erklärt und wird von rund 50 Staaten anerkannt. Darunter sind fünf G7-Staaten: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada und die USA. Italien und Japan haben Guaidó nicht explizit anerkannt, sind aber für Neuwahlen.
Auch Tag zwei von Protesten begleitet
Hunderte Demonstranten haben auch am Sonntag unweit von Biarritz gegen die Umweltpolitik der G7-Staaten und Frankreichs Präsidenten Macron demonstriert. Sie versammelten sich mit aus Rathäusern gestohlenen Porträts von Macron in Bayonne. Mann wolle auf die "desaströse Klimapolitik" von Macron aufmerksam machen, hieß es bei einer Kundgebung.
Es müsse endlich konkrete Maßnahmen geben, forderte Cécile Marchand von der Klimaschutzbewegung ANV-COP21, die den Protest mitorganisiert hat. Es handle sich um zivilen Ungehorsam.
Insgesamt wurden am Sonntag 19 Menschen festgenommen, berichtete der französische Radio-Nachrichtensender France Info. Die französische Regierung hat über 13.000 Sicherheitskräfte mobilisiert, um den noch bis Montag dauernden Gipfel der führenden Industrienationen zu schützen.
Trump traf Merkel
Vor dem Ende des Gipfels traf Trump Montagfrüh noch Deutschlands Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einem bilateralen Gespräch. Er erklärte dabei, bald nach Deutschland reisen zu wollen.
Auf die Frage, ob das schon nächste Woche passieren könne, wenn er nach Polen fliege, sagte Trump zunächst "vielleicht", um dann hinzuzufügen, dass dies vielleicht doch etwas zu kurzfristig sei. "Ich habe den Präsidenten schon vielfach eingeladen", sagte Merkel. Trump bezeichnete dies als Ehre. Er habe deutsches Blut in sich. Trump war seit Beginn seiner Amtszeit 2017 noch zu keinem bilateralen Besuch nach Deutschland gekommen.
Zwischen Berlin und Washington gibt es aktuell viele Konflikte, die bei den beiden für ausreichend Gesprächsstoff sorgen dürften. Dazu zählen etwa Handelsstreitigkeiten und Autozölle. Trump meinte unlängst, die USA hätten alle Trümpfe in der Hand: "Wir müssten nur ihre Autos besteuern, und sie würden uns alles geben", sagte er in einer Anspielung auf die deutschen Exporte von Mercedes und BMW in die USA.
Weitere Themen zwischen Trump und Merkel dürften der Brexit, der Konflikt mit dem Iran, die Ostsee-Pipeline Nord Stream, Deutschlands Ausgaben für Verteidigung, Krisen in Libyen und Syrien, die US-Truppen in Deutschland und ein offizieller Besuch Trumps in Berlin sein.
Gäste aus Afrika
Erstmals nahmen an dem G-7-Gipfel Staats- und Regierungschefs aus Afrika teil, etwa der ägyptische Präsident Abdel Fattah al-Sisi. Damit wurde der Wille zu einer engen Zusammenarbeit bei der Sicherheits- und Entwicklungspolitik betont.
Merkel und Macron trieben zudem ihre Initiative für die Sahelzone voran, die von Terroristen bedroht ist. Berlin und Paris planen dazu zum Jahresende eine Konferenz.
Gemeinsames Gipfel-Ende
Zum Abschluss des G7-Gipfels wollen Macron und Trump nach Angaben des Weißen Hauses gemeinsam vor die Medien treten. Aus dem vom Weißen Haus verbreiteten Programm des US-Präsidenten geht hervor, dass Trump und sein französischer Amtskollege am Montag um 15.30 Uhr eine gemeinsame Pressekonferenz anberaumt haben.
Normalerweise gibt bei G7-Gipfeln der Gastgeber eine Pressekonferenz zum Abschluss – in diesem Fall Macron. Danach treten andere Staats- und Regierungschefs der wichtigen Industriestaaten vor die Medien. Trump ist Gastgeber des G7-Gipfels in den USA im kommenden Jahr. (red, APA, 26.8.2019)