Biarritz – Mit einem brisanten Überraschungscoup auf dem G7-Gipfel wollte Frankreichs Präsident Emmanuel Macron wieder Bewegung in den Iran-Konflikt bringen: Unerwartet traf Irans Außenminister Mohammed Jawad Zarif am Sonntag zu dem Treffen der reichen Industrieländer im französischen Biarritz ein. Sein Besuch war offenbar kurzfristig organisiert und auf keinen Fall, so die französische Regierung, eine Einladung zur Teilnahme – immerhin seien dort nur Staats- und Regierungschefs geladen. Die Einladung wird als der Versuch – vor allem der Europäer und Macrons – gedeutet, auf jeden Fall das Atomabkommen retten zu wollen.

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So schnell wie er kam, reiste Zarif auch wieder ab: Nach dreieinhalb Stunden verließ er den Gipfel Sonntagabend wieder – offenbar ohne Fortschritte in den Gesprächen mit den USA. Die französische Regierung allerdings sprach nach dem Treffen von "positiven Gesprächen". In Kreisen des französischen Präsidialamtes hieß es, Zarif habe seinen französischen Kollegen Jean-Yves Le Drian zu Gesprächen getroffen. Laut der Nachrichtenagentur Reuters sprach er auch mit Macron. Ein Treffen mit Vertretern der USA wäre nicht geplant gewesen.

Iran will Erlaubnis für Öl-Exporte

Ein ranghoher iranischer Regierungsvertreter sagte am Sonntag der Nachrichtenagentur Reuters, der Iran fordere vom Westen die Erlaubnis zum Export einer Mindestmenge an Öl im Gegenzug für seine Bereitschaft, über eine Rettung des 2015 geschlossenen Atomabkommens zu reden. "Wir wollen 700.000 Fass Öl pro Tag ausführen und dafür in bar bezahlt werden", wird der Regierungsvertreter zitiert.

Die Menge solle später auf 1,5 Millionen Fass pro Tag steigen. Dies sei eine Geste des guten Willens und zur Schaffung von Raum für Verhandlungen als Antwort auf einen Vorschlag Frankreichs, sagte der Insider. Der Iran sei im Gegenzug auch bereit, zur Sicherheit am Golf und zur Verringerung der Spannungen in Nahost beizutragen.

Ein iranischer Diplomat sagte, sein Land schließe jedoch sämtliche Verhandlungen über das Recht zur Uran-Anreicherung aus. Gleiches gelte für das Programm des Landes für ballistische Raketen, sagte ein anderer Regierungsvertreter.

Spekulation um Grund für die Einladung

Warum Zarif eingeladen wurde und wer wann davon erfuhr, war bis zum Abend Diskussionsthema. "Der Grund für das Gespräch ist, dass es am Vortag eine sehr substanzielle Diskussion der G7-Chefs gegeben hat", sagte ein Regierungsvertreter, man wolle eine Deeskalation erreichen. Die G7-Chefs hätten das Thema beim Abendessen am Samstag lang diskutiert: Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Italien und Kanada wollen an dem Atomabkommen mit Iran festhalten, das US-Präsident Donald Trump ablehnt.

Trump wollte die Anwesenheit von Zarif nicht kommentieren, sagte nach dessen Eintreffen aber, es soll keine Gespräche mit Trump oder der US-Delegation in Biarritz geben. Einem Sprecher des Weißen Hauses zufolge habe der Präsident von der Einladung Zarifs nichts gewusst, Macron dementierte das später.

Der außenpolitische Berater von Merkel, Jan Hecker, ist nach Angaben der Bundesregierung wie sein britischer Kollegen von Franzosen und Iranern über die Gespräche der Außenminister beider Länder gebrieft worden. Deutschland und Großbritannien gehören wie Frankreich zu den EU3, die den Atomvertrag mit Iran erhalten wollen. Merkel betonte, im Gleichklang mit Macron, dass der Besuchs Zarifs ein "Parallelereignis am gleichen Ort, aber keine G7-Bewegung" sei.

Gegensätze bei Iranpolitik

Bereits zuvor wurden am Gipfel Gegensätze in der Iran-Politik offensichtlich. Trump widersprach am Sonntag der Darstellung von Frankreichs Staatschef Emmanuel Macron, wonach sich die Gipfelteilnehmer auf eine gemeinsame Botschaft der G7 an den Iran unter französischer Vermittlung geeinigt hätten.

Nach dem Dementi des US-Präsidenten ruderte Macron etwas zurück: Eine Vermittlungsinitiative im Namen der G7 werde es nicht geben. Die G7 sei nur ein informeller Zusammenschluss, "jeder handelt seiner Rolle entsprechend".

Hintergründe der Öl-Forderung

Branchenkreisen zufolge waren die iranischen Öl-Exporte im Juli auf unter 100.000 Fass pro Tag gefallen. Grund dafür sind US-Sanktionen gegen die islamische Republik und gegen Käufer von iranischem Öl. Trump hat den von mehreren westlichen Ländern 2015 ausgehandelten Atom-Pakt mit dem Iran einseitig aufgekündigt, weil er einen deutlich schärferen Pakt aushandeln will. Die anderen westlichen Länder wollen an der Vereinbarung aber festhalten.

Der Iran leidet sehr unter den von den USA verhängten Sanktionen. Das Öl-Geschäft ist für den Iran die wichtigste Einnahme-Quelle. Vor Inkrafttreten der US-Sanktionen hatte das Land deutlich mehr Öl auf dem Weltmarkt verkauft, im Mai 2018 beispielsweise waren es rund 2,7 Millionen Fass pro Tag. (APA, red, 25.8.2019)