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Schiitische irakische Milizen zertrampeln am jährlichen Al-Quds-Tag israelische Fahnen. Nun werden ihre Basen von Israel angegriffen.

Foto: Ap/Ali Abdul Hassan

Israel und der Iran befinden sich in einer gefährlichen Eskalationsspirale: Mit einem Luftschlag auf das syrische Dorf Aqraba südöstlich von Damaskus hat die israelische Armee laut eigenen Angaben Samstagnacht einen Drohnenangriff auf Israel verhindert, den iranische Revolutionsgarden beziehungsweise mit dem Iran verbündete schiitische Milizen geplant hatten. Er sollte laut Einschätzung von Haaretz ein iranischer Racheakt dafür sein, dass Israel in der jüngsten Zeit im Irak systematisch mit dem Iran verbundene Ziele bombardiert. US-Offizielle hatten dies zuvor der New York Times bestätigt.

Israel hat in den letzten Jahren hunderte Male in Syrien angegriffen – und zuletzt immer öfter den sonst üblichen Mantel des Schweigens solche Operationen betreffend gelüftet. Im Jänner dieses Jahres wurden sogar Informationen während eines laufenden Militäreinsatzes herausgegeben.

Indirekte Bestätigung

Dennoch sind diesmal veröffentlichte Details – etwa dass Premier Benjamin Netanjahu die Nacht über mit Generalstabschef Aviv Kochavi ausharrte – ein Hinweis, dass die Transparenz auch mit dem laufenden Wahlkampf zu tun hat. Netanjahu hat mehrfach betont, dass der Iran "nirgends Immunität" genieße. Das wurde als indirekte Bestätigung auch der Operationen im Irak gewertet.

Insofern lag der Gedanke nahe, dass Israel auch etwas mit zwei Drohnen, die in der Nacht auf Sonntag in Beirut zu Boden gingen, zu tun haben könnte. Nicht nur die mit dem Iran verbündete schiitische Hisbollah, sondern auch die libanesische Armee hatte von israelischen Drohnen gesprochen. Der Chef der Iran-treuen Schiitenmiliz Hisbollah, Hassan Nasrallah, drohte mit Gegenwehr: "Wir im islamischen Widerstand werden nicht erlauben, dass etwas Derartiges passiert, was immer der Preis ist", sagte er Sonntagabend in einer TV-Ansprache. Qassem Soleimani, Kommandeur der iranischen al-Quds-Einheit, verkündete, diese "verrückte Operation" seien Israels letzte Kämpfe.

Eine der beiden Drohnen war nahe dem Hisbollah-Medienbüro explodiert. Angesichts der Bilder der einen unversehrten Drohne wuchsen jedoch die Zweifel von Experten, ob es sich tatsächlich um israelische Fluggeräte handle.

Inoffizielles Outing Israels

Unerklärte Explosionen in Anlagen von Iran-freundlichen Milizen im Irak hatte es schon zuvor gegeben. Sie wurden von der irakischen Regierung heruntergespielt. Seit Mitte Juli wurden die Angriffe intensiviert – und die USA haben nun, wenngleich inoffiziell, Israel geoutet. Die Aktionen richteten sich vor allem gegen Waffendepots der PMUs (Popular Mobilization Units oder al-Hashd al-Shaabi), zuletzt am 20. August auf der Balad-Luftwaffenbasis – auf der sich allerdings auch US-Militärberater befinden.

In US-Militärkreisen sieht man deshalb die israelischen Aktionen im Irak kritisch – sind sie doch Wasser auf den Mühlen jener politischen Kräfte im Irak, die einen US-Abzug fordern. Die iranische Propaganda behauptet, dass mit US-Wissen und -Unterstützung israelisches Militärgerät in den Irak gebracht wurde, auch die US-Botschaft in Bagdad sei eigentlich eine israelische Zentrale.

Luftraum gesperrt

Die Situation im Irak ist für die US-Armee rechtlich eine völlig andere als jene in Syrien: Im Irak ist sie mit Zustimmung der irakischen Regierung und auf Basis eines strategischen Abkommens. Die USA pochen immer wieder auf Iraks Souveränität: Das richtet sich gegen den Iran – schließt jedoch aus, dass die USA israelische Angriffe gutheißen können.

Der Angriff im Irak von vergangener Woche wiegt umso schwerer, als Premier Adel Abdul Mahdi bereits fünf Tage zuvor den irakischen Luftraum für "unautorisierte Flüge", auch für amerikanische, gesperrt hatte. Abdul Mahdi, seit Oktober 2018 im Amt, bemüht sich redlich, die im Kampf gegen den "Islamischen Staat" großgewordenen Milizen, die auch einen starken politischen Arm im Parlament haben, in die regulären Streitkräfte zu integrieren und sie und ihre Waffen unter staatliche Gewalt zu bekommen. Dazu attackiert er auch die Milizen unterstützende Netzwerke: So wurde Anfang August der Drogenboss und Prostitutionskönig Hamza al-Shammari verhaftet, ein großer Förderer dieser Milizen.

Richtungsstreitigkeiten

Aber auch innerhalb der Milizen gibt es Richtungsstreitigkeiten. Als der Iran-treue PMU-Vizechef Abu Mahdi al-Mohandis nach den israelischen Angriffen erklärte, dass die PMUs bereit seien, auch ohne Absprache mit der irakischen Regierung zurückzuschlagen, widersprach PMU-Chef Faleh Fayyad: Die Milizen unterstünden Bagdad – und nicht Teheran, ist damit gemeint.

Über die israelischen Motive für die Wahl des Zeitpunkts gibt es unterschiedliche Theorien. Außer dem Wahlkampf könnte die israelische Sorge dahinterstecken, dass der wankelmütige US-Präsident Donald Trump seiner "Maximaldruck"-Politik Teheran gegenüber überdrüssig werden könnte und sich zu den vom französischen Präsidenten Emmanuel Macron vorgeschlagenen Deeskalationsschritten überreden lässt. Macron hat sein Modell ja auch beim G-7-Gipfel propagiert und sogar den iranischen Außenminister Mohammed Javad Zarif nach Biarritz geladen. Andere meinen, dass Israel die Zeit gekommen sieht, den vielfach beschworenen "Korridor" zu zerstören, den sich der Iran in den vergangenen Jahren über den Irak und Syrien bis in den Libanon geschaffen hat und über den iranische Waffen verteilt werden. (red, Gudrun Harrer, 26.8.2019)