Helmuth Wechselberger hat in seiner schillernden Rad-Karriere viel erreicht, wenngleich er nebenbei auch seinem Beruf als Bankkaufmann nachging: "Ich betrieb den Sport mit irrsinniger Liebe, Härte und aller Konsequenz und war von meinen Genen her entsprechend ausgestattet."

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Wechselberger gewann 1982 die Rheinland-Pfalz-Rundfahrt und die Österreich-Rundfahrt, 1984 wurde er österreichischer Straßenmeister, 1986 wiederholte er den Sieg bei der Ö-Tour, holte 1987 WM-Bronze beim Teamzeitfahren in Villach. Als Profi zeigte er mit dem Sieg im Zeitfahren von Florenz nach Pistoia und ein Jahr später mit dem Triumph bei der Tour de Suisse auf.

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Wechselberger glaubt, dass er mit seinen Qualitäten und entsprechenden Mitteln auch bei einer großen Rundfahrt mit Sicherheit vorn mitfahren und viel Geld hätte verdienen können.

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Es war eines der legendärsten und an Dramatik kaum zu überbietenden Duelle in der Radsportgeschichte, als der Franzose Laurent Fignon 1989 die Tour de France unter Tränen gegen den enthusiasmierten US-Amerikaner Greg LeMond um lediglich acht Sekunden verlor. Mit dabei war damals auch Helmuth Wechselberger, der für das spanische Team Caja Rural-Paternina als Edeldomestik für den Spanier Marino Lejarreta – am Ende Gesamtfünfter – in die Pedale trat.

Tour-Teilnehmer

Wechselberger kam auf vier Etappen unter die besten 15, belegte im Endklassement den 32. Platz. Beim abschließenden Zeitfahren nach Paris glänzte er als Siebenter, obwohl er nicht einmal eine Zeitfahrmaschine zur Verfügung hatte. "Leider hatte ich nie das Glück, bei einem absoluten Topteam zu fahren", erzählt der Tiroler, der 1989 nicht weniger als 123 Starts verzeichnete, rund 45.000 Kilometer auf dem Rad abspulte, hernach praktisch "klinisch tot" gewesen ist.

Bei der Tour habe er festgestellt, dass er weit weg von einem absoluten Top-Profi war, er habe "im Prinzip nur noch grün und blau gesehen. Es war ein Unterschied wie zwischen einem Trabi und einem Formel-1-Auto." Das habe sich auch bei der Regeneration gezeigt. "Ja Helli, wie soll das heute weitergehen, wie sollst du das überleben?", fragte er sich einmal in der Früh vor dem Spiegel.

Ausländer

Auf einer der schweren Bergetappen über den Tourmalet ist er "elendig zugrundegegangen", knapp innerhalb der Karenzzeit angekommen. "Ich rief meine Frau an – meine Tochter war kurz davor erst auf die Welt gekommen – und ich sagte, dass ich jetzt am liebsten sterben würde, wenn ich könnte." Am nächsten Morgen sei er im Radtrikot samt Startnummer aufgewacht, sein Koffer stand über Nacht bei der Rezeption. "Niemanden hat interessiert, ob ich zum Abendessen komme." Als ausländischer Fahrer habe er keine Rolle gespielt.

Saubermann

Fignon habe ihm Jahre später erzählt, dass in der Vorbereitung Anabolika genommen wurden, bei den schweren Bergetappen Kortison gespritzt wurde. Und EPO habe es ja ohnehin schon seit 1988 gegeben. "Der Wahnsinn war, dass Eufemiano Fuentes unser Teamarzt war." Er habe den Doping-Guru aber nur einmal gesehen, als er sich dem Team vorstellte. "Es war für mich im Nachhinein schon skurril, dass er die Burschen alle unter seinen Fittichen hatte." Doping sei aber nie ein Thema für ihn gewesen. "Ich betrieb den Sport mit irrsinniger Liebe, Härte und aller Konsequenz und war von meinen Genen her entsprechend ausgestattet." Zudem wollte er seine Gesundheit nicht aufs Spiel setzen. Mit seinen Qualitäten und entsprechenden Mitteln hätte er seiner Ansicht nach bei einer großen Rundfahrt mit Sicherheit vorn mitfahren und viel Geld verdienen können.

In Stams aussortiert

Aufgewachsen in Jerzens im Pitztal, war es quasi seine Pflicht, das Skifahren zu erlernen. Also wurde der Tiroler Schüler im Skigymnasium Stams. Schon bald aber zog er sich eine Meniskusverletzung zu. "Damals war das eine schwere Verletzung, man hatte monatelang einen Gips." Der Arzt habe ihm klargemacht, dass es das nun gewesen sei. Tenor der Verantwortlichen in Stams: Die Privatschule wolle Spitzensportler ausbilden, keine Invaliden. "Eine niederschmetternde Aussage."

Wechselberger wollte vom Sport dann jahrelang nichts mehr wissen, bis der Vater seiner ehemaligen Frau im inzwischen 25-Jährigen das Interesse am Radsport weckte. Eine einwöchige Altherrenausfahrt auf Sardinien hat dem Bankkaufmann so viel Spaß bereitet, dass der Wunsch aufkeimte, einmal Rennen zu fahren. Unterstützt von den Schwiegereltern, ging es Wechselberger trotz des Jobs mit vollem Ernst an. "Das Private ist teilweise auf der Strecke geblieben, und ich konnte nur zwei Stunden am Tag trainieren."

Profi

1982 gewann er mit 29 neben der Rheinland-Pfalz-Rundfahrt erstmals auch die Österreich-Rundfahrt. Nach dem neuerlichen Heimtriumph vier Jahre später folgte eine der geschichtsträchtigsten Überraschungen in Österreichs Radgeschichte. In der Blütezeit des Ostblockdopings gewann er mit Johann Lienhart, Bernhard Rassinger und Mario Traxl bei der WM 1987 in Villach trotz materialmäßiger und körperlicher Unterlegenheit Bronze im Teamzeitfahren.

cicli nator

Nach der WM war ein Disput wegen einer "lächerlichen Prämie" mit dem Radsportverband mit ausschlaggebend, dass er dem Amateurlager den Rücken kehrte. Hatte er davor auf Grund seines fortgeschritten Alters und weil ihm der Job stets wichtiger war, noch Profiangebote abgelehnt, so entschied er sich nun, für Malvor Bottecchia in die Pedale zu treten. In seinem erst zweiten Profirennen, einem Zeitfahren von Florenz nach Pistoia, bezwang er alle. "Francesco Moser, Giuseppe Saronni, Gianni Bugno, Tony Rominger, und wie sie alle geheißen haben."

Sieger der Tour de Suisse

1988 kam er mit extrem guter Form zum Giro d’Italia. Nach einem Defekt auf der ersten Bergetappe verlor Wechselberger aber enorm viel Zeit, weil ihn die Sportliche Leitung auf der Straße stehen ließ. Er musste zur Kenntnis nehmen, dass er nicht Kapitän war. "Mir wurde nicht zugetraut, dass ich vorn mitfahren kann. Ich habe dem sportlichen Leiter im Ziel das Rad vor die Füße hingeschmissen und gedroht, dass ich am nächsten Tag wieder in der Bank arbeiten würde." Wenige Wochen später konnte der gute Bergfahrer, gleichzeitig einer der weltbesten Zeitfahrer, als 35-Jähriger trotz einer "schwachen Mannschaft, die sich sukzessive aufgelöst hat", die Tour de Suisse gegen starke Konkurrenten wie den Kanadier Steve Bauer, den Iren Sean Kelly oder den Niederländer Steven Rooks für sich entscheiden.

Banker

Heute genießt Wechselberger, der im Investmentbereich mit Fondsmanagement und Vermögensverwaltung beschäftigt und auch sieben Jahre Präsident des Tiroler Radsportverbands war, sein Leben als Privatier in vollen Zügen. Die zwei Kinder seiner Tochter seien mitunter "Stress pur, ansonsten habe ich den ganzen Tag frei, Ferien. Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an." Er sitzt weiter viel im Sattel. "Ich fahre schon noch ordentliche Touren, bis zu 250 Kilometer." Bis vor ein paar Jahren spielte er auch noch regelmäßig Golf. "Ich hatte einen richtigen Bazillus." Nun widmet er sich wieder vermehrt seiner eigentlichen Leidenschaft. "Business war die eine Geschichte, Sport die andere." (Thomas Hirner, 9.9.2019)