Wissenschafter warnen vor einer erneuten Normalisierung der Debatte über potenziell friedliche Einsätze von Atomwaffen.

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Washington – US-Präsident Donald Trump soll sich einem Bericht der US-Nachrichtenplattform "Axios" zufolge mehrmals bei hochrangigen Beamten des Heimatschutzministeriums über die Möglichkeit erkundigt haben, Hurrikans mit Atombomben zu bekämpfen. Trump habe bei einer Unterrichtung über Wirbelstürme gefragt, ob die Bildung eines Hurrikans gestoppt werden könne, indem eine Atombombe ins Auge des Sturms abgeworfen werde.

"Sie beginnen sich vor der Küste Afrikas zu bilden, und wenn sie über dem Atlantik sind, werfen wir eine Atombombe ins Auge des Hurrikans und unterbrechen den Wirbelsturm", schlug Trump demnach vor und fragte die Anwesenden, warum das nicht möglich sei. Diese hätten das Treffen ratlos verlassen, schreibt "Axios" unter Berufung auf eine anonyme Quelle.

Kein Kommentar aus dem Weißen Haus

Wann Trump die Frage stellte, schreibt die Nachrichtenseite nicht. Das Weiße Haus sagte dazu, es kommentiere keine privaten Gespräche des Präsidenten mit seinen Sicherheitsberatern – wenngleich es fraglich ist, inwiefern Fragen im Rahmen eines Sicherheitsbriefings als privat eingestuft werden können. Er selbst behauptete später am Montag via Twitter, er hätte dies nie gesagt.

"Axios" zitierte aber einen Regierungsvertreter mit den Worten, das Ziel des Präsidenten, eine Landung des Hurrikans auf US-Territorium zu verhindern, sei "nicht schlecht". Derselbe Mitarbeiter äußerte die Befürchtung, dass es das Narrativ befeuern würde, dass Trump verrückt sei. Er jedoch befürworte es, wenn der Präsident "schwierige Fragen" stelle. Es müssten dann nur die richtigen Leute aufstehen und ihre Meinung äußern. Grund zur Sorge sehe er nicht.

Alte Idee

Neu ist die Idee tatsächlich nicht: Sie wurde in den 1950er-Jahren unter US-Präsident Dwight D. Eisenhower von einem Regierungswissenschafter vorgetragen. Experten sind sich aber einig, dass ein Wirbelsturm nicht durch eine Atombombe aufgelöst werden kann. Auch der österreichische Atomwaffenexperte Martin Senn hält die Idee auf STANDARD-Anfrage "schlicht und einfach für groben Unfug". Trotzdem taucht die Frage immer wieder auf – vor allem wenn die USA wieder von einem Hurrikan getroffen werden. Trump soll sich bereits 2017 nach der Möglichkeit erkundigt haben, Hurrikans zu bombardieren, damals soll aber zumindest nicht das Wort "Atombombe" gefallen sein.

In den 1950er- und 1960er-Jahren habe man tatsächlich den Einsatz atomarer Sprengsätze zum Bau von Großprojekten wie Häfen und Kanälen diskutiert, gibt Senn zu bedenken. "Nukleares Dynamit" beziehungsweise "friedliche nukleare Explosionen" lauteten damals die Schlagwörter. Was Senn Sorgen bereitet, "ist der Umstand, dass die Frage nach der Möglichkeit auch zeigt, dass wir es hier mit einem kategorischen Miss- beziehungsweise Unverständnis über die Natur und Folgen dieser Waffen zu tun haben könnten".

Praktisch unmöglich

Die US-Meteorologiebehörde Noaa hat sich schon ausführlich zu dem Thema geäußert. Sie betont, dass die Maßnahme nicht nur wirkungslos wäre; vielmehr würden die Winde auch radioaktives Material verbreiten. "Es ist überflüssig zu sagen, dass das keine gute Idee ist", lautet das Fazit der Noaa. Ein voll entwickelter Hurrikan könne eine Wärmeenergie in der Größendimension eines Fünftels des globalen Energieverbrauchs des Jahres 1993 freisetzen. Das entspräche dem Zünden einer Atombombe mit einer Sprengkraft von zehn Megatonnen TNT alle 20 Minuten. Zum Vergleich: Die Hiroshima-Bombe war in etwa 1.000-mal schwächer.

Zudem fließen nur weniger als zehn Prozent eines Hurrikans in kinetische Energie, die die starken Winde befeuert. Man müsste laut Noaa also rund die Hälfte des globalen Energiebedarfs auf das Auge des Hurrikans richten in der Hoffnung, den Luftdruck zu senken und so den Sturm etwa um einige Kategorien abzuschwächen. Die Wissenschafter sehen das als praktisch unmöglich an. Bei einem Hurrikan mit einem Durchmesser von 20 Kilometern im Auge müsste man den Luftdruck um schlappe 500 Millionen Tonnen erhöhen, um den Druckunterschied auszugleichen.

Außerdem geben Wissenschafter zu bedenken, dass eine Bombardierung kleiner Wirbelstürme, bevor sie sich vergrößern, auch äußerst unklug wäre. Im Atlantischen Becken würden sich jährlich rund 80 potenzielle Wirbelstürme entwickeln, von denen sich letzten Endes nur fünf zu tatsächlichen Hurrikans entwickeln.

In den sozialen Netzwerken gab es viel Spott und Staunen über Trump. Die demokratische Präsidentschaftsbewerberin Kamala Harris kommentierte den "Axios"-Artikel auf Twitter mit den Worten: "Der Kerl muss gehen." (faso, APA, 26.8.2019)