Bild nicht mehr verfügbar.

Der Holocaust sei "eine Geschichtslüge" "der Israelis", postete ein Bankmanager, leugnet aber, die NS-Verbrechen insgesamt infrage zu stellen.

Foto: Reuters/KACPER PEMPEL

Wien – Herr S. ist definitiv kein Modernisierungsverlierer. Der 46-Jährige arbeitet in einer kleinen Bankfiliale in Niederösterreich, wo er auch ein 350.000-Euro-Haus sein Eigentum nennt. Vor dem Geschworenengericht unter Vorsitz von Sonja Weis erscheint der Unbescholtene im dunklen Anzug mit passender Krawatte. Der Grund des unfreiwilligen Erscheinens des Anständigen und Fleißigen: ein Facebook-Posting aus dem Jahr 2017, in dem S. von der "Geschichtslüge des Holocaust" durch "die Israelis" schwadronierte. Außerdem fand die Polizei bei ihm daheim einen verbotenen Teleskopschlagstock.

Den hatte er im Herbst 2015 beim deutschen Kopp-Verlag bestellt. "Welche Bücher legen die denn gerne auf?", fragt die Vorsitzende ihn. "Tatsachenberichte, Gesundheitsbücher, politische Bücher", antwortet der Angeklagte. "Ist der Verlag nicht eher rechts angehaucht, wenn ich das so salopp ausdrücken darf?", will Weis wissen.

Nicht im Buchhandel gesucht

Herrn S. ist das nicht aufgefallen, gleichzeitig betont er an anderer Stelle: "Der Kopp-Verlag ist ja nicht irgendwer!" Denn: Dort bekomme man Bücher, "die man im regulären Buchhandel nicht bekommt". Nach welchen er denn im "regulären Buchhandel" geschaut habe, will die Staatsanwältin wissen. "Ich habe im Buchhandel auch nicht gesucht", gibt der Ankläger zu.

Das Unternehmen liefert aber nach Bestellung im Internet nicht nur Lektüre, sondern auch Waffen. Wie den Teleskopschlagstock. "Wofür haben Sie den gebraucht?", interessiert Weis. "Zur Verteidigung. Ich nenne ihn daher auch Teleskopabwehrstock." – "Zur Verteidigung gegen wen?" – "Gegen kriminelle Invasoren oder vielleicht Einbrecher. Ich hatte ihn immer im Nachtkastl", klärt der Angeklagte sie auf.

"Vor ein paar Jahren gab es eine Einbruchsserie bei uns. Und auch in 'Aktenzeichen XY' sieht man ja immer wieder, wie brutal die Täter manchmal vorgehen", belehrt er die Vorsitzende, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit keine nachgestellten Szenen aus dem Fernsehen braucht, um darüber Bescheid zu wissen.

"Ich war bei zwei Waffenhändlern, die haben mir gesagt, dass nicht alle diese Schlagstöcke verboten sind", erklärt er. Sein Verteidiger Tassilo Wallentin sekundiert: "Das wissen nicht einmal alle Polizisten!" Verboten seien nur jene mit einer runden Spitze. Was Wallentin nicht erwähnt: Die runde Spitze bedeutet, dass sich dort eine Stahlkugel befindet, die die Waffe noch gefährlicher macht.

"Hitzige Diskussion" auf FPÖ-Fanpage

Beim schwerwiegenderen Anklagepunkt, der Holocaustleugnung, bekennt sich S. nicht schuldig. Er habe bei "einer hitzigen Internetdiskussion" auf "ein blödes Posting mit einem noch blöderen geantwortet". Abgespielt hat sich das Ganze auf der Seite "Sag ja zu HC Strache und Norbert Hofer". Die Selbstdefinition der virtuellen Runde, der man zumindest mittlerweile nur nach Anmeldung beitreten kann: "Diese Gruppe ist für alle Patrioten, die hinter HC Strache und Norbert Hofer stehen (und damit natürlich auch hinter der FPÖ). Linke Hetzer und Provokateure per se haben hier nichts verloren und werden ausnahmslos aus der Gruppe entfernt."

Nach der Wahl 2017 kommentierte Herr S. jedenfalls einen dort geposteten Artikel der "Kronen Zeitung", der berichtete, dass die Israelitische Kultusgemeinde vor dem "nationalistischen Wolf im blauen Schafspelz" warnte. Zu dem Kommentar "Die Juden fangen wieder an zu zündeln" verfasste der Angeklagte dann den inkriminierten Beitrag zur "Geschichtslüge" und beschwerte sich über die "Nazi-Keule".

Was er damit ausdrücken wollte, will die Vorsitzende von ihm wissen. S. verweist darauf, dass er "eine wissenschaftliche Arbeit" zum Holocaust gelesen habe. "Es wurden darin Fakten hochgehalten ..." – "Welche?" – "Das Ergebnis war, dass manches nicht stimmen kann." – "Was kann nicht stimmen?" – "Das kann ich jetzt nicht wirklich sagen", gesteht S. ein.

Offensichtlicher Widerspruch

Das interessiert auch einen Geschworenen, der den Widerspruch ausspricht: Der Angeklagte wisse weder, was für eine "Arbeit" es war, noch wer sie geschrieben hat, sei sich aber sicher, dass sie wissenschaftlich und international anerkannt sei. Der sogenannte "Lüftl-Report", ein holocaustleugnendes Pamphlet, sei es aber nicht gewesen, ist S. sich sicher. Der wurde nur deshalb auf seinem Laptop gefunden, weil er vor der Einvernahme durch die Polizei schauen wollte, ob das die mysteriöse "wissenschaftliche Arbeit" gewesen sei, behauptet er.

Auch auf seinem Mobiltelefon fanden sich Dateien – beispielsweise ein bearbeitetes Bild von Adolf Hitler mit Kochschürze und dem Text "Kochen mit Adolf: 1. Schritt – Gas aufdrehen" oder eine breite Männerbrust, auf der "Nazi" und darunter "Nicht an Zuwanderung interessiert" zu lesen ist.

Beisitzerin bekommt nur Kettenbriefe und Katzenbilder

"Das habe ich via Whatsapp bekommen und immer gelöscht. Ich wusste nicht, dass die Bilder im Hintergrund gespeichert bleiben", verteidigt der Bankmanager sich. Eine Geschworene sowie auch Beisitzerin Christina Salzborn wundern sich: Was für Freunde und Bekannte S. denn habe, da sie selbst noch nie Hitler-Bilder übermittelt bekommen hätten. "Ich bekomme vielleicht Kettenbriefe und Katzenbilder", verrät Salzborn.

In einer Verhandlungspause macht Verteidiger Wallentin den Berufsrichtersenat darauf aufmerksam, dass sein Mandant glaube, eine der Geschworenen habe vor einigen Jahren bei ihm um einen Kredit angesucht, der aber abgelehnt worden sei. Pflichtgemäß fragt die Vorsitzende daher nach der Fortsetzung des Prozesses die Laienrichterinnen, ob das zutreffe, erntet aber nur Kopfschütteln.

Im Schlussplädoyer macht die Staatsanwältin noch einmal klar, dass es beim angeklagten Delikt 3h Verbotsgesetz nicht um Wiederbetätigung gehe, es also nicht darauf ankomme, ob jemand (Neo-)Nationalsozialist sei, sondern darum, dass die Verharmlosung oder Leugnung der nationalsozialistischen Verbrechen in der Öffentlichkeit unterbunden wird.

Sieben der acht Geschworenen sehen diese Bedingung erfüllt und sprechen S. wegen Verbrechen nach dem Verbotsgesetz und Verstoßes gegen das Waffengesetz nicht rechtskräftig schuldig, die Strafe lautet auf 20 Monate bedingt. (Michael Möseneder, 26.8.2019)