Die Erderwärmung abzuschwächen zählt den Forschern zufolge zu den größten Herausforderungen der Menschheit. Möglich sei das nur durch eine formalisierte Steuerung.

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Wien – Um die UN-Nachhaltigkeitsziele zu erreichen und das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen, sind tiefgreifende Veränderungen notwendig, die zusätzliche Maßnahmen von Regierungen, Zivilgesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft erfordern. Zu diesem Schluss kommt ein internationales Forscherteam im Fachjournal "Nature Sustainability". In ihrer Arbeit beschreiben die Wissenschafter die wichtigsten Umbrüche in sechs Schlüsselbereichen.

2015 beschlossen die UNO-Mitgliedstaaten die Agenda 2030 mit ihren 17 Zielen für Nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals, SDGs). Zu diesen gehört, dass kein Mensch mehr in Armut leben oder Hunger leiden darf, dass der Zugang zu Bildung und der Gesundheitszustand verbessert werden, die Diskriminierung von Frauen beseitigt und der Klimawandel bekämpft werden sollen. Im gleichen Jahr wurde im Pariser Klimaabkommen beschlossen, die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad Celsius im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter zu beschränken.

Tiefgreifende Veränderungen

Aufbauend auf früheren Arbeiten überlegten die Forscher um US-Wirtschaftsforscher Jeffrey Sachs, welche Maßnahmen notwendig wären, um die SDGs zu erreichen, und wie ihre Umsetzung organisiert werden könnte. Als Schlüsselbereiche definierten sie "Bildung, Geschlecht und Ungleichheit", "Gesundheit, Wohlbefinden und Demografie", "Energiedekarbonisierung und nachhaltige Industrie", "Nachhaltige Ernährung, Land, Wasser und Ozeane", "Nachhaltige Städte und Gemeinden" sowie "Digitale Revolution für nachhaltige Entwicklung".

In diesen sechs Bereichen seien tiefgreifende und langfristige strukturelle Veränderungen bei der Ressourcennutzung, Infrastruktur, in Institutionen, bei Technologien und sozialen Beziehungen notwendig, und das in einer relativ kurzen Zeitspanne, konstatieren die Wissenschafter. Während frühere gesellschaftliche Veränderungen, wie die Industrialisierung im Europa des 19. Jahrhunderts, weitgehend unausgerichtet gewesen seien, ist es für die Autoren von entscheidender Bedeutung, dass die Veränderungen nun formalisiert gesteuert werden müssen. Nur so könnten zeitgebundene, quantitative Ziele wie Netto-Null-Kohlenstoffemissionen bis Mitte des Jahrhunderts erreicht werden.

Ressortübergreifender Rahmen

Die Wissenschafter identifizieren in den sechs Schlüsselbereichen konkrete Hebel, die Regierungen betätigen könnten. So sollten etwa Investitionen in die Landwirtschaft sowohl die Ernährungssicherheit als auch die menschliche Gesundheit verbessern und Klimaschutz ermöglichen. Investition in die Bildung von Kleinkindern wiederum würden das menschliche Wohlbefinden verbessern, die wirtschaftliche Entwicklung steigern und das Bevölkerungswachstum stabilisieren.

Ihre Vorschläge würden einen "integrierten und ressortübergreifenden Handlungsrahmen bieten, der die Komplexität reduziert, aber die 17 SDGs, ihre 169 Ziele und das Pariser Abkommen umfasst", sagte Ko-Autor Nebojsa Nakicenovic, Exekutivdirektorin der Forschungsinitiative The World in 2050 am Internationalen Institut für angewandte Systemanalyse (IIASA) in Laxenburg bei Wien. Den Wissenschaftern sei bewusst, dass diese Veränderungen nicht einfach sind: "Tatsächlich ist es das größte menschliche Unterfangen aller Zeiten", so Ko-Autor Johan Rockström vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Wenn die politische Führung jedoch nicht handle, würde dies beispiellosen Risiken für die Stabilität der Gesellschaften und die Erde bedeuten. (APA, red, 26.8.2019)