Im Oktober 2016, zwei Wochen vor der Präsidentenwahl, twitterte Joe Walsh: Sollte Donald Trump verlieren, greife er zur Muskete. Da klang er wie die rechten Verschwörungstheoretiker, die präventiv zum Aufstand bliesen, weil das US-Establishment die Wahl angeblich manipulieren werde, da es nur Hillary Clinton im Oval Office akzeptiere.

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Der zweite innerparteiliche Rivale Donald Trumps: Joe Walsh.
Foto: AP / Carolyn Kaster

Knapp drei Jahre später stimmt Walsh in den Chor der Trump-Kritiker ein, wobei er einen auffallend scharfen Ton wählt. "Er ist verrückt. Er ist erratisch. Er kennt kein Mitgefühl. Er ist inkompetent. Er ist ein Narzisst."

Etliche Konservative, so der Ex-Kongressabgeordnete im TV-Studio von Moderator George Stephanopoulos, sähen es ähnlich wie er, nur hätten sie bisher geschwiegen. Wenn er in die Schlacht ziehe, wagten sie sich vielleicht ebenfalls aus der Deckung.

Nach der Logik, dass einer den Mut finden muss, den Anfang zu machen, hat der 57 Jahre alte Republikaner aus Illinois seine Bewerbung fürs Weiße Haus angekündigt. Damit sind es bereits zwei Rivalen in den eigenen Reihen, mit denen sich der Platzhirsch auseinanderzusetzen hat, bevor ihn seine Partei ins Finale gegen die demokratische Konkurrenz schicken kann.

Auch wenn es derzeit nicht so aussieht, als hätten sie an der noch immer Trump-treuen Basis auch nur den Hauch einer Chance: Umfragen zufolge sehen 84 Prozent der eingeschriebenen Republikaner den Präsidenten auf dem richtigen Kurs. Nun, orakelt Walsh, die Stimmung könne irgendwann kippen.

Ehemaliger Helfer

Der eine Herausforderer, Bill Weld, ehemals Gouverneur von Massachusetts, war schon 2016 auf Distanz gegangen. Bei Walsh liegen die Dinge anders, was er selber auf einen prägnanten Satz bringt. "Ich habe geholfen, Trump zu erschaffen." Gemeint ist die Polemik der Tea Party gegen Barack Obama. Während Anhänger der reinen kapitalistischen Lehre dem Präsidenten vorwarfen, er treibe das Land mit immer mehr Staatsprogrammen, immer höheren Staatsschulden in den Ruin, rieben sich rechte Republikaner vor allem deshalb an ihm, weil er der Erste mit dunkler Haut war, der im Oval Office regierte. In ihren Augen ein Symbol jenes demografischen Wandels, den sie aufzuhalten versuchten.

Die Tea-Party-Welle des Jahres 2010 trug auch Joe Walsh ins Repräsentantenhaus. In seinem Fall war es nur ein kurzes Intermezzo, denn schon 2012 wurde er abgewählt, bezwungen von Tammy Duckworth, einer Armeeveteranin, die bei einer Explosion im Irak beide Beine verlor.

Wilde Gerüchte verbreitet

Nach der Niederlage begann er das Zeitgeschehen zu kommentieren, schon bald hatte er seine eigene Radiosendung; und auch die trug dazu bei, Trump den Weg zu ebnen. Statt sich an Fakten zu halten, verbreitete Walsh bisweilen wilde Gerüchte: Obama sei ein Muslim, behauptete er. Da er schwarz sei, faselte er, lasse man ihm vieles durchgehen, werde die Latte für ihn extra niedrig gelegt. Stereotypen, die eine geistige Nähe zu Trump erkennen ließen, zu dem Polarisierer, der sich tief verwurzelter Vorurteile bediente, um von Abstiegsängsten geplagte Weiße auf seine Seite zu ziehen.

Er habe hässliche Dinge über Obama gesagt, Dinge, die er heute bereue, gibt Walsh den Geläuterten. Aus politischen Differenzen seien persönliche Attacken geworden – Wasser auf Trumps Mühlen. Wie der sein Amt ausübe, das habe ihn mit der Zeit immer nachdenklicher gemacht, bis er zu dem Schluss gekommen sei, dass er nach vorn treten müsse, um ihm die Stirn zu bieten. Allein wie der Mann, der im Wahlkampf versprach, den Schuldenberg komplett abzubauen, die Verschuldung ausufern lasse: "Er weiß nicht, was er tut." (Frank Herrmann aus Washington, 26.8.2019)