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Nabil Karoui (56) sieht sich als Opfer einer "Entführung".

Foto: Reuters / Zoubeir Souissi

Der Wahlkampf für die bevorstehende Präsidentschaftswahl in Tunesien hat offiziell noch nicht begonnen, doch der Urnengang mausert sich bereits jetzt zu einem veritablen Politkrimi. Vorläufiger Höhepunkt des Spektakels ist die überraschende Verhaftung des Präsidentschaftskandidaten Nabil Karoui, einem der Favoriten auf den Einzug in die Stichwahl. Der 56-jährige Mehrheitseigner des seit Juli 2018 ohne Lizenz operierenden, äußerst populären TV-Senders Nessma hatte am Freitag im westtunesischen Béjà ein Büro seiner Partei Herz Tunesiens eröffnet und war kurz darauf festgenommen worden.

Seine Partei bezeichnete Karouis Verhaftung als "Entführung" und wittert ein politisch motiviertes Komplott, hinter dem sie Premierminister Youssef Chahed vermutet.

Schwere Vorwürfe

Hintergrund der Ermittlungen ist eine 2016 von der NGO I-Watch eingereichte Klage gegen Karoui und dessen Bruder Ghazi wegen angeblicher Geldwäsche und Steuerhinterziehung, die das Brüderpaar durch ein Netz an Firmen im Ausland zu verschleiern versucht haben soll. Passiert war nach Einreichen der Klageschrift lange nichts – bis im Juli ein Gericht in Tunis die Konten der beiden einfror und die Männer mit einem Ausreiseverbot belegte. Seither inszeniert sich seine Partei als Opfer einer Kampagne Chaheds, der in der Tat alles daran zu setzen scheint, Karoui Steine in den Weg zu legen.

Im Juni hatte das Parlament einer von Chaheds Partei eingebrachten Revision der Wahlgesetzgebung zugestimmt, die Karouis Kandidatur verhindert hätte. Der kurz darauf verstorbene Staatspräsident Beji Caid Essebsi hatte sich jedoch geweigert, das Gesetz zu unterschreiben. Erst vergangene Woche stimmte die Kammer einer neuen Reform des Gesetzes zu. Die Unterschrift von Interimspräsident Mohamed Ennaceur steht noch aus.

Parteien fordern Aufklärung

Der Zeitpunkt von Karouis Verhaftung wirft derweil in der Tat Fragen auf – so fundiert die Anklage auch sein mag. Mehrere Parteien sowie Tunesiens Menschenrechtsliga forderten eine lückenlose Aufklärung. Das Justizministerium habe bereits eine interne Untersuchung über die Umstände der Ausstellung der beiden Haftbefehle eingeleitet, so die Nachrichtenagentur TAP. Die Wahlkommission erklärte derweil, Karouis Verhaftung allein disqualifiziere ihn keineswegs von einer Kandidatur. Der Ausgang der Affäre bleibt daher völlig offen. (Sofian Philip Naceur, 26.8.2019)