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Das Oberlandesgericht entlastet den Bauern teilweise.

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Das erstinstanzliche Urteil nach einer tödlichen Kuhattacke im Tiroler Pinnistal im Jahr 2014 ist im Berufungsverfahren vom Oberlandesgericht (OLG) Innsbruck nur teilweise bestätigt worden. Das erklärte OLG-Vizepräsident Wigbert Zimmermann am Dienstag bei einer Pressekonferenz. Das OLG sieht demnach nicht die volle Schuld beim Bauern, sondern geht von einer 50-prozentigen Mitschuld des Opfers aus. Die grundsätzliche Haftung des Bauern bleibe aber aufrecht.

Der Anwalt des Landwirts, Ewald Jenewein, will sich auch mit dem nun abgeänderten Urteil nicht zufriedengeben und kündigt eine außerordentliche Revision beim Obersten Gerichtshof (OGH) in Wien an. Auch der Witwer wird gegen das Urteil Revision beim Obersten Gerichtshof einbringen, wie am Dienstag bekannt wurde.

Die 45-jährige Frau aus Deutschland war im Juli 2014 im Pinnistal, einem Seitental des Stubaitals, mit ihrem Hund unterwegs. Dabei wurde sie plötzlich von Kühen attackiert und zu Tode getrampelt. Nach einem jahrelangen Rechtsstreit zwischen den Hinterbliebenen und dem Landwirt erging im Februar das Urteil im Zivilprozess.

Hohe Strafe für Bauern

Demnach musste der Bauer dem Witwer und dem Sohn rund 180.000 Euro sowie eine monatliche Rente von insgesamt rund 1.500 Euro zahlen. Der gesamte Streitwert des Prozesses lag bei rund 490.000 Euro. Die Staatsanwaltschaft hatte noch im Jahr 2014 die Ermittlungen gegen den Landwirt eingestellt.

Das aktuelle Urteil bedeutet, dass dem Ehemann und dem Sohn der Verstorbenen die berechtigten Ansprüche um 50 Prozent gekürzt werden. Dem Witwer stehen somit rund 54.000 Euro und eine monatliche Rente von 600 Euro zu. Der Sohn bekommt rund 24.000 Euro sowie eine monatliche Rente in der Höhe von 180 Euro. Alle Prozessparteien können die Entscheidung des Oberlandesgerichts binnen vier Wochen mit einer sogenannten außerordentlichen Revision beim Obersten Gerichtshof (OGH) bekämpfen, erklärte Andreas Stutter, Vizepräsident des Landesgerichts.

Das OLG habe eine Mitschuld der deutschen Urlauberin festgestellt, da von Hundehaltern verlangt werden kann, dass sie über die mit dem Halten von Hunden typischerweise ausgehenden Gefahren Bescheid wissen, sagte Zimmermann. "Die Touristin hätte wissen müssen, dass Mutterkühe eine Gefahr für Hunde darstellen", so der Vizepräsident des OLG.

Schilder nicht beachtet

Zudem habe die Verstorbene die vom Landwirt angebrachten Warnschilder nicht beachtet und auch an die Anweisung des Warnschilds auf Distanz zu bleiben hielt sich die Frau nicht. "Sie ging im Abstand von nur einem bis zwei Meter an den Kühen vorbei", erklärte Zimmermann. Diese Vorgehensweise der Deutschen sei als Sorglosigkeit zu werten und begründe damit ein maßgebliches Mitverschulden.

Trotzdem blieb die grundsätzliche Haftung des Landwirts aufrecht, da dem Bauer bewusst gewesen sei, dass seine Mutterkühe sensibel und aggressiv auf Hunde reagieren. Zudem habe der Landwirt auch gewusst, dass seine Kühe in diesem Jahr besonders aggressiv gewesen seien, begründete Zimmermann das OLG Urteil.

Deshalb sei das bloße Aufstellen eines Warnschildes nicht ausreichend gewesen. Der Landwirt hätte den neuralgischen Teil des Weges auf einer Länge von rund 500 Metern entlang seiner Weidefläche abzäunen müssen. Eine derartige Einzäunung wäre dem Bauern zumutbar gewesen, hielt das Gericht fest.

Weitreichende Folgen

Nach dem ursprünglichen Urteil wurden weitreichende Folgen für das Zusammenleben von Mensch und Tier auf den Almen befürchtet. Bei Verantwortlichen in der Landwirtschaft sorgte das Urteil für einen Aufschrei. Almsperren für Wanderer wurden überlegt, von einem Ende der Almbewirtschaftung in der jetzigen Form und einer "massiven Gefährdung für die Almwirtschaft" war gar die Rede. Ein Runder Tisch in Tirol war die Folge, Politik und Landwirtschaft versprachen, den Bauern schadlos zu halten.

Tirols Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) kündigte an, dass es ab April eine Versicherung für alle Almbauern geben werde. "Wir werden die bereits bestehende Wegeversicherung auf Almen und Wiesen erweitern", meinte Platter im März. Die Kosten in der Höhe von rund 50.000 Euro werde das Land übernehmen. Zudem wolle man weiterhin mit Info-Kampagnen auf Prävention und Aufklärung setzen.

Plan "Sichere Almen"

Auch die damalige türkis-blaue Bundesregierung trat auf den Plan. In Kooperation mit Interessensvertretern wurde ein ausgearbeitetes Aktionspaket "Sichere Almen" vorgestellt.

Die auf den Weg gebrachte und in National- wie Bundesrat beschlossene Gesetzesänderung – es geht um eine Präzisierung des § 1320 ABGB (Allgemeines Bürgerliches Gesetzbuch), in dem die Haftung von Viehhaltern geregelt ist – bezieht sich auf schädigende Ereignisse nach dem 1. Juli 2019. Bisher hatte das ABGB den Tierhalter stark in die Verantwortung genommen. Nun werden auch Almbesucher und Wanderer in die Pflicht genommen, Verhaltensregeln auf Almen und Weiden einzuhalten. Auch für Tierhalter soll es deutlich mehr Rechtssicherheit geben, wenn Landwirte bundesweite Standards einhalten.

In den angeführten Verhaltensregeln werden Almbesucher angewiesen, den Kontakt mit Weidevieh zu vermeiden. Vor allem eine Begegnung von Mutterkühen und Hunden sei zu verhindern. Hunde sind zudem an der kurzen Leine zu führen und bei einem absehbaren Angriff durch ein Weidetier sofort von der Leine zu lassen. Ebenfalls darf der Wanderweg nicht verlassen werden. Blockiert Weidevieh diesen, dann soll es mit möglichst großem Abstand umgangen werden. Zäune sind zu beachten und Tore zu schließen. Weisen Kühe Anzeichen von Unruhe – wie das Heben und Senken des Kopfes oder Scharren mit dem Hufen – auf, müsse die Weidefläche zügig verlassen werden. (APA, red, 27.8.2019)