SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner stellte im ORF-"Sommergespräch" den Führungsanspruch.

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Trotz alarmierender Umfragewerte, die am 29. September zum schlechtesten roten Wahlergebnis in der Zweiten Republik ausarten und – wenn es noch schlimmer hergeht – für die SPÖ erstmals mit Platz drei hinter der FPÖ enden könnten, erhob Pamela Rendi-Wagner auch im ORF-"Sommergespräch" am Montag unverdrossen den Führungsanspruch im Land. Ein Drittel der Wähler sei ja noch unentschlossen, lautet eine der zweckoptimistischen Parolen der SPÖ-Chefin. Eine andere, dass es bis zum Urnengang noch eine halbe Ewigkeit sei – und auch vor dem Publikwerden der Causa Ibiza habe niemand mit derartigen Umwälzungen in der heimischen Politik gerechnet.

Mit Verlaub, aber angesichts der Lage sind solche dysfunktionalen Aussagen unangebracht. Denn schon der mitgefilmte Politskandal auf der Baleareninsel sorgte bisher nicht für einen solchen Wählerzulauf, dass die SPÖ-Chefin einen Anspruch auf die Kanzlerschaft stellen könnte. Und was soll jetzt noch Skandalöseres passieren, dass es ihre Partei damit auf den ersten Platz vor Ex-Kanzler und Umfragenkaiser Sebastian Kurz (ÖVP) schafft?

Pamela Rendi-Wagner im ORF-"Sommergespräch"
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Trotz intern sehr wohl bekannter desaströser Umfragewerte betrieben im Nationalratswahlkampf 2017 auch die Grünen eine ähnliche Realitätsverweigerung: Anstatt ihre Sympathisanten zu informieren, dass es bei ihnen um Wohl und Wehe im Nationalrat geht, setzten die Ökos stur auf eine Feel-good-Kampagne – der Ausgang dieser offenkundigen Ignoranz ist bekannt: Die Grünen flogen aus dem Nationalrat.

Will die SPÖ noch deutlich zulegen, muss sie ihren Wählern ab sofort drastisch verdeutlichen, dass es ein sehr gutes Ergebnis bräuchte, um eine Neuauflage von Türkis-Blau samt weiterer Demontage der Konsensdemokratie und vieler sozialer Errungenschaften zu verhindern. Das von Rendi-Wagner durchgebrachte Misstrauensvotum gegen Kurz, Blümel & Co gilt es dabei selbstbewusst als Beispiel anzuführen, was eine starke Sozialdemokratie zusammengebracht hat: Sonst hätten der junge Altkanzler und seinesgleichen bis zum heutigen Tag weitergeschaltet und -gewaltet.

Doch statt auf derartige Krisenkommunikation zu setzen, stimmt Rendi-Wagner lieber zu, dass Opposition Mist sei. Auch solche überzogenen Sprüche möge die SPÖ-Chefin so rasch wie möglich aus ihrem Repertoire entsorgen. (Nina Weißensteiner, 27.8.2019)