Für tausende Schüler in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland beginnt am Montag die Schule. Eine Woche später geht es in den restlichen Bundesländern los. Um sicher in ihre Lernstätte zu kommen, üben Taferlklassler bereits fleißig den Schulweg. Im Jahr 2018 ereigneten sich in Österreich 570 Unfälle mit Kindern im Alter zwischen sechs und 15 Jahren auf dem Weg zur Schule. 610 Kinder wurden dabei verletzt, zeigen die Zahlen der Statistik Austria. Im Gegensatz zu 2018, als kein Kind auf dem Schulweg ums Leben kam, starben heuer schon drei ebendort. 13 Kinder kamen heuer im Straßenverkehr ums Leben.

Die größten Gefahren liegen laut Verkehrsclub Österreich (VCÖ) nicht im Ermessen der Kinder: Zu viel und zu schneller Autoverkehr, aber auch Unachtsamkeit der Lenker – etwa wenn sie mit dem Handy hantieren – würden den Weg gefährden. Auch Elterntaxis würden zu Unfällen beitragen. Sie erschaffen eine "unübersichtliche Situation", sagt Christian Gratzer vom VCÖ dem STANDARD. Dabei reiche es bereits, wenn 20 Eltern ihren Nachwuchs per Auto in die Schule bringen und gleichzeitig – oft in zweiter Spur – parken. "Dann gibt es ein Verkehrschaos", sagt Gratzer.

Bussi auf dem eigenen Parkplatz

Sicherer wird der Schulweg durch Verkehrsberuhigung. Kiss-and-go-Parkplätze in Nebengassen, wie es sie etwa Eisenstadt gibt, würden die Situation direkt vor dem Schultor zwar verbessern, doch: "Am besten ist es, wenn das Kind gar nicht erst ins Auto einsteigt", sagt Gratzer. Geht das Kind zu Fuß, würde es dadurch Kompetenzen im Straßenverkehr sammeln. "Der Schulweg ist sicherer als der in der Freizeit", sagt Gratzer: Schülerlotsen helfen beim Queren der Straße, Autofahrer sind aufmerksamer, da viele Kinder gleichzeitig unterwegs sind.

In Wien gibt es zudem für jede Volksschule einen Schulwegplan. Darin sind unsichere Stellen wie Sträucher, hinter welchen die Kinder schlecht sehen, oder Kreuzungen, in die die Autofahrer etwa erst spät einsehen können, vermerkt. Auch starten kommende Woche drei neue Schulstraßen. Nach dem Pilotprojekt in der Leopoldstädter Vereinsgasse, wo vergangenes Jahr ein Fahrverbot für den motorisierten Verkehr zu Unterrichtsbeginn ausgerufen wurde, wird das Angebot ausgedehnt – in der Gilgegasse im neunten, der Fuchsröhrengasse im elften und der Deckergasse im zwölften Bezirk. Vor der Ganztagsvolksschule in Simmering wird auch ein temporäres Fahrverbot zum Schulschluss getestet. In Neubau, wo ebenfalls Fahrverbote vor zwei Schulen diskutiert wurden, habe sich laut Bezirksvorsteher Markus Reiter (Grüne) gezeigt, dass sie nicht nötig seien. Stattdessen sollen im Frühjahr bauliche Maßnahmen vorgenommen werden, etwa die Verbreiterung des Gehsteigs und ein neuer Baum.

Salzburg machte den Anfang

Abgeschaut hat sich Wien die Schulstraßen von Salzburg. Dort sind 2017 temporäre Fahrverbote vor Volksschulen verhängt worden. Eine halbe Stunde vor Schulbeginn werden die Straßen mit Scherengittern gesperrt. 2018 waren sieben Volksschulen dabei. Wie viele heuer dazu kommen, kann Vizebürgermeister Bernhard Auinger (SPÖ) noch nicht sagen. Die Entscheidung treffe der Elternverein mit der Direktion.

Der Schulweg ist sicherer als die Freizeitwege. Die Lenker zeigen höhere Aufmerksamkeit, weil viele Kinder unterwegs sind.
Foto: APA

In den vergangenen zwei Jahren seien die Fahrverbote gut angenommen worden. Einzig in Lehen habe es immer wieder unbelehrbare Eltern gegeben, die zum Teil Absperrgitter weggeräumt hätten, sagt Auinger. "Es gibt Unverbesserliche, die am liebsten eine Drive-in-Schule hätten und die Kinder bis ins Klassenzimmer fahren wollen." Mehr Kinder würden nun zu Fuß, mit Öffis oder dem Rad in die Schule kommen. Würde in der Stadt Salzburg kein Kind in der Früh in die Schule chauffiert, wären das laut VCÖ-Untersuchung rund 1.600 Autofahrten weniger. In der größten Schule der Stadt am neugebauten Bildungscampus Gnigl gibt es kein Fahrverbot.

Im Burgenland gibt es da und dort – etwa in Wulkaprodersdorf – Halteverbote vor den Volksschulen. Nicht überall hat man eine Notwendigkeit für ein Verbot gesehen. Manche Volksschulen haben die Schüler nur darauf hingewiesen, dass der Weg auch zu Fuß zurückgelegt werden kann.

In Wien üben Kinder die U-Bahn

Laut einer Erhebung des Verkehrsministeriums werden 21 Prozent, also jedes fünfte Kind, per Auto in die Schule gebracht. Pro Schultag sind das mehr als 150.000 Elterntaxis. 27 Prozent kommen zu Fuß, sechs Prozent mit dem Fahrrad. Der Großteil, nämlich 46 Prozent, kommt mit den Öffis. In Wien lernt man früh, wie man sich dort richtig verhält. "Unserer Erfahrung nach sind Kinder ab der zweiten Volksschulklasse allein unterwegs", sagt ein Sprecher der Wiener Linien. Ab diesem Alter bietet der Verkehrsbetrieb Kurse an, in denen nicht nur gemeinsam mit U-Bahn und Rolltreppen gefahren wird, sondern auch die unterschiedlichen Notrufe getestet werden. In der dritten Klasse steht ein verpflichtendes Verkehrssicherheitstraining an. Dann geht es in dem Teil der Wiener Linien um die Bim. 25.000 Volksschüler besuchen pro Jahr einen Öffi-Kurs.

In Vorarlberg wurde schon 2017 das Projekt "Selbstständig zur Schule" gestartet. Eltern und Kinder sollen damit motiviert werden, auf das Auto zu verzichten. Noch setzt man auf Motivations- und Infokampagnen. In Tirol sei der Bedarf an Schulstraßen nicht gegeben, heißt es aus dem Landhaus. Temporäre Fahrverbote gibt es nur in Telfs, dort bereits seit 2001, und in Hopfgarten. In Innsbruck ist ein Versuch im Stadtteil Pradl an Anrainerbeschwerden gescheitert. (Jutta Berger, Oona Kroisleitner, Stefanie Ruep, Wolfgang Weisgram, 28.8.2019)