Eine Budgetsteigerung von 17 Prozent erlaubt der Universität Wien zu expandieren. Bis Ende des nächsten Jahres werden 70 zusätzliche Professuren geschaffen, wie Rektor Heinz Engl berichtet.

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Es kommt selten vor, dass ein Rektor einer Universität sagt, dass die Unis nicht mehr Geld benötigen. Noch seltener kommt es vor, dass ein Rektor einer österreichischen Universität sagt, dass die österreichischen Unis nicht mehr Geld benötigen. Am Rande der Technologiegespräche beim Europäischen Forum Alpbach überraschte der Mathematiker Heinz Engl, seit 2011 Rektor der Universität Wien, im Gespräch mit dem STANDARD mit der Aussage, dass momentan nicht die Universitäten mehr Geld benötigen. Das liegt nicht daran, dass bereits eine finanzielle Ausstattung auf internationalem Spitzenniveau gegeben wäre. Doch Engl sieht ein noch dringlicheres finanzielles Sorgenkind: den Wissenschaftsfonds FWF. Um die Grundlagenforschung ausreichend zu dotieren, fordert Engl von der nächsten Regierung eine Erhöhung des FWF-Budgets um zehn Prozent pro Jahr für die nächsten Jahre plus einen zweistelligen Millionenbetrag für die geplante Exzellenzinitiative.

STANDARD: Eines der großen forschungspolitischen Themen, die bei den diesjährigen Technologiegesprächen in Alpbach diskutiert wurden, ist das Forschungsrahmengesetz, das nun in Begutachtung ging. Wie stehen Sie dazu?

Engl: Rahmengesetz – das sagt ja eigentlich schon alles. Es hieß ursprünglich Forschungsfinanzierungsgesetz. Was wir jetzt brauchen – und ich verstehe, dass das erst die nächste Bundesregierung machen kann -, ist ein nächster Schritt in der Finanzierung mit kräftigem Sprung nach vorne. Die Strukturen kann man punktuell sicherlich auch verändern, aber das Entscheidende ist die Finanzierung, denn Konkurrenzfähigkeit – auch in der Industrie – kommt aus der Grundlagenforschung.

STANDARD: Brauchen die Unis mehr Geld?

Engl: In Alpbach wurde heuer ein Vergleich gezogen zwischen dem Spitzenforschungsland Schweiz und Österreich. Sowohl bei der Hochschulfinanzierung wie auch bei der Forschungsfinanzierung liegt Österreich deutlich hinter der Schweiz. Ich erlaube mir jetzt einen plakativen Vergleich: Die Schweiz hat 150.000 Studierende. Die Uni Wien hat 90.000, also 60 Prozent der Schweizer Studierenden. Das Budget der Uni Wien beträgt aber nur zehn Prozent des Schweizer Hochschulbudgets. Wir hinken also deutlich nach, aber was man positiv sehen muss, ist, dass es in der laufenden Periode der Leistungsvereinbarungen einen deutlichen Sprung nach vorne gibt. Die Uni Wien hat jetzt einen Zuwachs von 17 Prozent des Unibudgets. Man kann nicht erwarten, dass so ein großer Abstand auf einmal aufgeholt wird, das würden wir auch gar nicht verkraften. Wir investieren diesen Zuwachs sehr strategisch.

STANDARD: Wie steht es um die Forschungsfinanzierung?

Engl: Auch dazu ist in Alpbach eine Zahl präsentiert worden: Die Förderung von neuen Projekten in der Grundlagenforschung beträgt in Österreich durch den Wissenschaftsfonds FWF unter 300 Millionen Euro. Der Schweizer Nationalfonds ist hingegen mit umgerechnet fast einer Milliarde Euro dotiert. Beim FWF ist jetzt wirklich ein großer finanzieller Schub notwendig. Wir berufen jetzt an der Uni Wien 70 neue Professorinnen und Professoren. Sie alle sind Forscher auf Spitzenniveau, die nun hoffnungsfroh Anträge beim FWF stellen werden. Auch andere Unis expandieren, und die Central European University übersiedelt nach Wien. Allein durch den Zuwachs von hochkarätigen Wissenschafterinnen und Wissenschaftern steigen die Anträge an den FWF. Schon jetzt sind die Genehmigungsraten von Projekten viel zu gering. Deswegen brauchen wir als nächsten Schritt nicht wieder 17 Prozent mehr für die Unis – später gerne wieder. Jetzt brauchen wir dringend eine Aufstockung des FWF.

STANDARD: Was ist Ihre Forderung an die nächste Bundesregierung für das FWF-Budget?

Engl: Es braucht einerseits einen zweistelligen Millionenbetrag pro Jahr, damit man die vielzitierte Exzellenzinitiative sinnvoll umsetzen kann. Dazu werden viele sehr gute Anträge von den österreichischen Unis und außeruniversitären Institutionen kommen, und man braucht genug Geld, um für die wirklich hervorragenden Anträge genügend Spielraum zu haben. Doch auch die Grundfinanzierung der Einzelprojekte ist wichtig. Für diese Basisfinanzierung des FWF braucht es in den nächsten paar Jahren eine Steigerung des Budgets von zehn Prozent pro Jahr. Dann gibt es auch noch andere Programme: Die Forschungsförderungsgesellschaft ist an sich ganz gut ausgestattet, aber auch hier kann man zusätzlich investieren. Wichtig ist auch die Christian-Doppler-Gesellschaft, die auch international ein gutes Modell dafür ist, wie man die Grundlagenforschung und industrielle Forschung verbindet. Das Zentrale ist jetzt aber wirklich, den FWF so zu finanzieren, dass wir mit Ländern wie Deutschland mithalten können. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft hat doppelt so viel Geld pro Einwohner wie der FWF. Die Schweiz ist natürlich ein Traumziel, das wir nicht so schnell erreichen werden.

STANDARD: Welche Vorhaben kann die Uni Wien durch die jüngste Budgetsteigerung umsetzen?

Engl: Viele! Durch die Steigerung des Budgets der Uni Wien um 17 Prozent haben wir rund 200 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Diese Mittel dienen einerseits dazu – das ist im Gesetz auch festgeschrieben -, die Betreuungsverhältnisse zu verbessern. Wir haben Studienrichtungen, die zum Teil aus allen Nähten platzen. Durch mehr wissenschaftliches Personal werden wir hier die Betreuung verbessern. Weiters verfolgen wir einen sehr strategischen Plan, in Felder zu investieren, in denen es eine intensive Nachfrage nach den besten Wissenschafterinnen und Wissenschaftern in diesem Feld gibt. Konkret sind wir dabei, 70 neue Professorinnen und Professoren zu berufen. Mit circa 20 Personen sind wir bereits in Berufungsverhandlungen, die weiteren 50 werden bis Ende des nächsten Jahres ihre Stelle angetreten haben.

STANDARD: In welchen Fächern wird es weitere Lehrstühle geben?

Engl: Ein Gebiet wurde auch in Alpbach intensiv diskutiert: künstliche Intelligenz und Machine-Learning. Für diesen Bereich sind knapp zehn neue Professuren ausgeschrieben. Weiters ist es uns wichtig, die Digitalisierung disziplinenübergreifend zu verstehen. Sie ist für uns nicht nur ein Thema der Mathematik und Informatik, sondern auch der Geistes- und Sozialwissenschaften, Stichwort Digital Humanities. An der Publizistik wird es beispielsweise eine neue Professur für Computational Communication Science geben. Mit der Medizinischen Universität Wien schreiben wir gemeinsame Professuren im Bereich Gesundheit und Mikrobiom aus. Weiters haben wir eine Professur für Klimaforschung ausgeschrieben und viele andere gesellschaftliche Zukunftsthemen. Diesen großen Schritt haben wir von langer Hand strategisch vorbereitet und er wurde uns nun durch die Budgetsteigerung ermöglicht.

STANDARD: Haben 70 neue Professorinnen und Professoren samt Laboren überhaupt Platz an der Universität Wien?

Engl: Wir sind in gutem Gespräch, ein neues Gebäude zu bekommen. Die Besiedlung dieses neuen Gebäudes muss natürlich strategisch organisiert werden. Es wird in der Innenstadt sein, nahe an unseren anderen Standorten. Das gibt uns die Möglichkeit, zum Teil kleinere Standorte zusammenzuführen.

STANDARD: Die Central European University (CEU) nimmt im Herbst ihren Betrieb in Wien auf, da der Fortbestand in Budapest nicht länger möglich war. Sind Kooperationen mit der Uni Wien geplant?

Engl: Wir sind seit Beginn dieser Diskussion in sehr gutem Gespräch mit der CEU. Wir werden am 16. September eine gemeinsame Tagung an der Universität Wien machen über die Freiheit der Wissenschaft – ein Thema, das besonders für die CEU sehr wichtig ist. Wir haben auch Forschungskooperationen geplant, etwa in der Kognitionsforschung. Wir heißen die CEU jedenfalls herzlich willkommen in Wien. (Tanja Traxler, 28.8.2019)