Unter den blankpolierten Schuhen Kulenkampffs verbarg sich ein kriegsversehrter Fuß.

Foto: ORF/Zero One Film

Wer das Quiz Einer wird gewinnen als Kind im Fernsehen gesehen hat, dürfte die vielen beiläufigen Witze von Showmaster Hans-Joachim Kulenkampff über den Krieg überhört haben. Auch Filmemacherin Regina Schilling war noch ein Kind, als Kulenkampff und Kollegen wie Hans Rosenthal und Peter Alexander in den 60er- und 70er-Jahren am Samstagabend Einschaltquoten von bis zu unglaublichen 90 Prozent erreichten.

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In ihrem erhellenden Filmessay Kulenkampffs Schuhe spürt sie dem familiären Erleben nach, das diese Sendungen für viele bedeuteten. Schilling verwebt die Biografien der drei Fernsehlieblinge mit jener ihres ungefähr gleichaltrigen Vaters, der ebenfalls wesentlich von einer Jugend während des Zweiten Weltkriegs geprägt wurde. Als Drogist versuchte er, am Wirtschaftswunder der Nachkriegszeit teilzuhaben. Ein Kraftakt, der in Schulden und dem Verlust der Gesundheit mündete.

Schilling erzählt eine persönliche, aber zugleich exemplarische Geschichte. Mittels einer klugen Collage von Archivmaterial fördert sie Traumata zutage, deren Linderung die Showmaster versprachen. "Mit Musik geht das Schlachten ja viel besser" war nur eine jener Randbemerkungen, in denen das verdrängte Grauen des Krieges beim stets souverän-ironisch wirkenden Kulenkampff immer wieder durchbrach.

Statt zu urteilen, wirft Schilling Fragen auf, liefert eine spannende Medien-, Mentalitäts- und Sozialgeschichte, in der es Getröstete, aber keine echten Gewinner gibt. (Karl Gedlicka, 1.9.2019)