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Ende Juli begrüßte Queen Elizabeth II den kürzlich angelobten Premierminister Boris Johnson.

Foto: AP / Victoria Jones

Seit längerem war in London darüber spekuliert worden, nun macht die Regierung von Neo-Premierminister Boris Johnson Ernst: Etwas mehr als zwei Monate vor dem anvisierten Brexit will sie den Sommerurlaub der Parlamentarier mittels des sogenannten Prorogation-Mechanismus auf ganze fünf Wochen ausdehnen – und nach Ansicht der Opposition und von Kritikern in den eigenen Reihen dem Unterhaus so das Wort entziehen. Ein No-Deal-Brexit würde damit wohl ein Stückchen wahrscheinlicher.

Johnson kündigte am Mittwoch in einem Brief an die Abgeordneten an, die Ende September beginnende – und üblicherweise drei Wochen dauernde – Sitzungspause bis zum 14. Oktober ausweiten zu wollen. Er habe darüber bereits mit der derzeit im schottischen Balmoral weilenden Königin Elizabeth II gesprochen, schrieb Johnson.

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Eine Entscheidung stehe aber noch aus. Erst dann würde die Königin mit ihrer Queen's Speech, in der das Regierungsprogramm samt Brexit-Politik vorgestellt wird, das neue Parlamentsjahr eröffnen. Am 21. oder 22. Oktober sollen die Abgeordneten dann über Johnsons Programm und das Brexit-Szenario abstimmen dürfen. Der Premier besteht darauf, an dem vorgesehenen Austrittsdatum 31. Oktober festzuhalten – mit oder ohne Abkommen.

Boris Johnson macht Ernst.
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Johnsons Manöver könnte deshalb mögliche Pläne der Opposition durchkreuzen, das von ihm stets genannte Austrittsdatum nach hinten zu verschieben – oder den EU-Ausstieg mittels Neuwahlen potenziell gänzlich zu verhindern. Für ein Verhindern eines No-Deal-Brexits, so befürchten Kritiker, könnte es dann endgültig zu spät sein.

Sturm der Kritik

Labour-Chef Jeremy Corbyn kündigte am Mittwochnachmittag einen Misstrauensantrag gegen Johnson an. Allerdings nannte er kein konkretes Datum. Außerdem will Corbyn mit der Queen über Johnsons Vorhaben sprechen und die Regierungspläne für eine Verkürzung der Brexit-Beratungszeit des Parlaments blockieren. Corbyn habe der Königin geschrieben und eine entsprechende Bitte vorgebracht, twitterte "Guardian"-Redakteurin Heather Stewart.

Labour-Chef Corbyn will mit der Queen über Johnsons Pläne beim Brexit und der befristeten Ausschaltung des Parlaments sprechen.

"Ziemlich skandalös", kommentierte der Konservative Dominic Grieve, der vehement gegen einen Austritt aus der EU ohne Abkommen ist. Das mache ein Misstrauensvotum gegen Johnson wahrscheinlicher, sagte er der BBC. Ihm selber falle es schwerer, Vertrauen in die Regierung zu haben, wenn sie das Parlament wirklich in eine Zwangspause schicken wolle. Sein Parteifreund James Clevery, wie Johnson ein Brexiteer, nannte die geplante Suspendierung hingegen "business as usual" – nichts Außergewöhnliches also.

Die Opposition läuft schon jetzt Sturm gegen die Pläne. Der Brexit-Sprecher der EU-freundlichen Liberaldemokraten, Tom Brake, nannte die – bisher unbestätigten – Berichte eine "Kriegserklärung", der er "mit eiserner Faust" begegnen werde. Yvette Cooper, eine proeuropäische Labour-Abgeordnete, kritisierte Johnson scharf. Der Premier wolle sich der Queen bedienen, um die ganze Macht an sich zu reißen. Labour-Chef Corbyn fürchtet um die britische Demokratie, er sei "entsetzt über die Rücksichtslosigkeit von Johnsons Regierung", schrieb er auf Twitter.

Parlamentssprecher John Bercow nannte die Pläne Johnsons eine "verfassungsmäßige Gräueltat", der frühere konservative Finanz- und Außenminister Philip Hammond bezeichnete das Vorhaben als "zutiefst undemokratisch".

Eine Onlinepetition von Bürgern gegen die Zwangspause des Parlaments sammelte am Mittwoch innerhalb weniger Stunden mehr als 240.000 virtuelle Unterschriften ein. Die Initiatoren verlangen, dass das Parlamentsgeschehen nicht unterbrochen wird, solange Großbritannien den Austritt aus der EU nicht verschiebt oder seinen Austrittsantrag zurückzieht. Das Parlament muss zu Petitionen mit mehr als 100.000 Unterzeichnern eine Debatte zulassen.

Naomi Smith von der NGO Best for Britain, die gegen den Brexit ankämpft, erinnerte Elizabeth II an ihre historische Verantwortung. Royals, die der Aussetzung der Demokratie dienlich sind, würden in den Geschichtsbüchern keinen allzu schmeichelhaften Platz einnehmen. (Florian Niederndorfer, red, 28.8.2019)