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Richter Richard Berman würdigte den Mut der Frauen, von denen sich viele nie zuvor öffentlich geäußert hatten.

Foto: REUTERS/JANE ROSENBERG

Washington/New York – Obwohl sich Jeffrey Epstein das Leben genommen hat, haben Opfer des mutmaßlichen Sexualstraftäters ihrem Ärger und ihrer Trauer vor Gericht Ausdruck verliehen. Die Anhörung am Dienstag in New York war eigentlich nur zur formalen Einstellung der Anklage gedacht, doch Richter Richard Berman lud auch mutmaßliche Opfer ein, ihre Geschichten und Gefühle zu teilen. 16 Frauen sagten aus, sieben weitere Frauen ließen sich von AnwältInnen vertreten.

Eine der Frauen sagte dem Nachrichtensender NBC zufolge vor Gericht, Epsteins Suizid habe ihr die Chance "geraubt", ihn "von Angesicht zu Angesicht" im Gerichtssaal zu stellen. Dass er sich getötet habe, mache ihn zu einem "Feigling".

"Er konnte nicht verstehen, was er uns genommen hat", sagte eine andere Betroffene. "So wie ich jedes Mädchen bin, dem er das angetan hat, sind diese ich. Heute stehen wir zusammen." Eine dritte Frau las einen Brief vor, den sie an Epstein geschrieben hatte: "Ich werde nie in der Lage sein, die überwältigenden Gefühle und die Verlegenheit dieses Dramas zu überwinden." Insgesamt wurden vor dem New Yorker Gericht Beiträge von etwa 30 mutmaßlichen Opfern erwartet.

Zwei Wochen übergeben

"Heute stehen wir zusammen", sagte die Schauspielerin Anouska De Georgiou, die nach eigenen Angaben von Epstein sexuell missbraucht wurde. "Ich werde nicht weiter ein Opfer sein und nicht einen Tag länger schweigen." Chauntae Davies schilderte vor Gericht, sie habe sich in einem Krankenhaus zwei Wochen lang übergeben müssen, nachdem sie von Epstein vergewaltigt worden sei. Der Investment-Millionär habe "krankhaft" junge Frauen missbraucht. Eine andere Frau sagte, sie sei Epsteins "Sklavin" gewesen. "Ich habe mich machtlos und beschämt gefühlt." Epstein habe gedroht, sie zu töten, sollte sie nicht mehr Jungfrau sein.

Epstein soll jahrelang minderjährige Mädchen sexuell missbraucht und zur Prostitution angestiftet haben. Der Investmentbanker war bereits 2008 wegen der Prostitution junger Frauen zu 13 Monaten Gefängnis verurteilt worden und wurde seitdem als Sexualverbrecher geführt.

Nach einer erneuten Festnahme wurde der 66-Jährige am 10. August tot in seiner New Yorker Gefängniszelle gefunden. Nach Angaben des US-Justizministeriums nahm er sich das Leben. Bei einer Verurteilung hätten dem US-Multimillionär, der gute Kontakte zu zahlreichen Politikern und Prominenten hatte, bis zu 45 Jahre Haft gedroht.

Mittäter verfolgen

Mit der Gerichtsanhörung von Dienstag wollte Richter Richard Berman den mutmaßlichen Missbrauchsopfern Gelegenheit geben, über ihr Leid zu sprechen, weil es nun nie zu einem Prozess gegen Epstein kommen wird. Er würdigte den Mut der Frauen, von denen sich viele nie zuvor öffentlich geäußert hatten. Die meisten der Frauen zeigten sich wütend darüber, dass Epstein nicht mehr vor Gericht gestellt werden kann. "Ich bin sehr wütend und traurig, weil der Gerechtigkeit in diesem Fall nie Genüge getan wurde", sagte Courtney Wild. Epstein sei ein "Feigling". Jennifer Araoz sagte, Epstein wolle ihr selbst nach seinem Tod Leid zufügen. Dass sie dem Sexualverbrecher nicht vor Gericht entgegentreten könne, "zerfrisst meine Seele".

Die Frauen riefen zudem die Justiz auf, mögliche Mittäter zu verfolgen. "Bitte, bitte, bitte, bringen Sie zu Ende, was Sie begonnen haben", sagte Sarah Ransome. "Er hat nicht allein gehandelt." Epstein habe vielmehr einen internationalen Ring von Frauenhändlern geführt.

In dem Fall sind unter anderem Vorwürfe gegen den britische Prinzen Andrew und gegen Epsteins frühere Freundin Ghislaine Maxwell laut geworden. Beide haben die Vorwürfe bestritten. (APA, AFP, dpa, 28.8.2019)