Im "Grauen Haus" dreht sich ein Schöffenverfahren um Schlägereien in einer Brigittenauer Schule.

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Wien – "Ich wurde wie der leibeigene Boxsack behandelt", fasste Lukas J. im April seine Erlebnisse in einer Schule in Wien-Brigittenau noch zusammen. Vor dem Schöffengericht unter Vorsitz von Martina Frank versucht der 15-Jährige, der mittlerweile in einem anderen Bundesland lebt, seine Belastung des gleich alten Angeklagten Petar S. deutlich abzuschwächen: Es sei nicht so schlimm gewesen, wirklich Angst habe er nicht gehabt.

Der großgewachsene Angeklagte mit Bubigesicht bekennt sich dagegen der versuchten absichtlichen schweren Körperverletzung und der fortgesetzten Gewaltausübung für schuldig. Zwischen September 2018 und dem heurigen Frühjahr habe er regelmäßig mit J. gerauft, gibt er zu. Und zwar, um ihn "abzuhärten".

Mixed-Martial-Arts-Anhänger

"Die Leute haben ihn viel gemobbt, ich habe gesagt, er muss trainieren, und ich passe auf ihn in der Schule auf", führt S. mit leiser Stimme aus. Er selbst trainierte Kampfsport, Mixed Martial Arts, eine Vollkontakt-Sportart, die verschiedene andere Kampfstile miteinander vereint. Zu Schulbeginn wollte J., dass der Angeklagte ihm den Sport demonstriert, im Laufe der Zeit "habe ich es mit dem Raufen übertrieben", gesteht S. ein.

Gemeinsam mit zwei Mitschülern, für die eine diversionelle Erledigung im Raum steht, kam es immer wieder zu Auseinandersetzungen, einige davon wurden von einem weiteren Schüler auch gefilmt. Über eine Whatsapp-Gruppe verbreiteten sich die Aufnahmen.

Es blieb aber nicht bei den Schlägen. In einem Fall fügte der Angeklagte seinem Opfer mit einer Schere eine Schnittwunde am Oberarm zu, bei einer anderen Gelegenheit stach er ihn mit einem Zirkel.

Bagatellisierung, um Opferrolle zu entgehen

Die psychiatrische Sachverständige geht in ihrem Gutachten davon aus, dass J. in der fraglichen Zeit durchaus große Angst hatte und die Vorfälle nun bagatellisiert, um sich selbst nicht in der Opferrolle zu sehen. Insgesamt sei aber davon auszugehen, dass die psychische Belastung die Kriterien einer schweren Körperverletzung erfüllt.

Der Teenager erhebt vor Gericht aber auch schwere Anschuldigungen gegen die Lehrer. Bei einem Vorfall sei er nach einem verlorenen Kartenspiel von einem Mittäter bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt worden. Ein Lehrer habe das von der Tür aus beobachtet und auch gesehen, dass die Szene gefilmt wird. Seine angebliche Reaktion: Er ging. J. erzählt auch, dass er bei anderer Gelegenheit der Gangaufsicht erklärt hatte, er werde von den anderen "gejagt", auch das sei ignoriert worden.

Verfahren gegen Pädagogen eingestellt

Das Verfahren gegen den ersten Lehrer wurde laut Staatsanwältin eingestellt. In der Bildungsdirektion, dem ehemaligen Stadtschulrat, betont Sprecher Matias Meissner, dass man mit der Staatsanwaltschaft kooperiert und die internen Abläufe überprüft habe, Beanstandungen habe es keine gegeben. Meissner verspricht aber, sich in den nächsten Tagen noch näher zu informieren.

Der angeklagte S., der bereits eine Vorstrafe wegen Raubversuchs hat, darf am Mittwoch nach Hause gehen. Er wird wegen fortgesetzter Gewaltausübung zu neun Monaten verurteilt, die drei unbedingten hat er bereits in der Untersuchungshaft verbüßt. (Michael Möseneder, 28.8.2019)