Zwei Möglichkeiten, um zum gleichen Ergebnis zu kommen: unten ein Flamingoschnabel, oben die mit superdünnen Zähnen besetzten Kiefer eines Flugsauriers aus der Gruppe der Ctenochasmatidae.
Foto: Qvarnström et al

Vor 150 Millionen Jahren, im Jura, schickten sich gerade die ersten Urvögel an, den Luftraum zu erkunden. "Erobern" wäre zuviel gesagt, denn noch war er die Domäne der Flug- oder Pterosaurier, die sich schon 80 Millionen früher in die Lüfte geschwungen hatten.

Und so, wie die Vögel später eine ganze Reihe unterschiedlicher ökologischer Nischen abdeckten, gingen auch die Flugsaurier während der Zeit ihrer Monopolstellung unterschiedlichen Lebensstilen nach. Dazu gehörte offenbar auch das Planktonfiltrieren, wie es heutige Flamingos tun. Entsprechende Belege präsentierten Forscher der schwedischen Universität Uppsala zusammen mit polnischen Kollegen im Fachjournal "PeerJ".

Jurazeitlicher Kot mit aufschlussreichem Inhalt.
Foto: Qvarnström et al

Basis ihrer Studie waren Koprolithen, also versteinerter Kot, die im Steinbruch von Wierzbica in Polen entdeckt worden waren. Zwar lassen sich Koprolithen selten mit hundertprozentiger Sicherheit einer bestimmten Spezies zuordnen. Allerdings wurden die polnischen Fossilien inmitten zahlreicher Fußabdrücke von Flugsauriern gefunden, was einen gemeinsamen Ursprung sehr wahrscheinlich macht.

Und dieser Urzeit-Kot enthielt einige interessante Bestandteile: Mikrotomographische Durchleuchtung der Koprolithen zeigte mikroskopische Bruchstücke der Schalen wirbelloser Meerestiere ebenso wie Foraminiferen, eine Gruppe schalenbildender Einzeller. Vergleichbare Funde kann man heute im Kot des Chileflamingos finden, der auf der Suche nach Nahrung durchs flache Wasser stakst.

Flamingos haben sich auf das Planktonfiltrieren spezialisiert. Dafür haben sie einen Seihschnabel entwickelt, der an den Rändern mit Lamellen besetzt ist. Zusammen mit der Zunge bildet dieser einen effektiven Filterapparat, wenn sie den Schnabel durchs Wasser ziehen. Dadurch können ausreichend große Wasser- und Nahrungsmengen verarbeitet werden – immerhin sind es recht großgewachsene Vögel, die sich hier von mikroskopischen Beutetieren ernähren müssen.

Eine Auswahl dessen, was im Kot der Flugsaurier entdeckt wurde.
Foto: Qvarnström et al

Auch die Pterosaurier aus dem Jura waren keine Winzlinge. Wenn ihr Kot so wie der der Flamingos Hinweise auf mikroskopische Beute enthält, müssen also auch sie einen Filterapparat gehabt haben. Auch wenn der etwas anders ausgesehen haben dürfte als der charakteristische nach unten gebogene Flamingoschnabel.

Die Forscher um Martin Qvarnström ordnen die Fossilien aus Polen Flugsauriern aus der Gruppe der Ctenochasmatidae zu. Diese hatten langgestreckte Kiefer, die mit einer großen Zahl sehr feiner Zähne besetzt waren: vermutlich fein genug, um zum Filtern geeignet zu sein.

Höhepunkt der Entwicklung

Ein Ctenochasmatid, bei dem dieses System schon deutlich ausgefeilter entwickelt war, lebte etwas später, in der Kreidezeit. Der 1969 erstbeschriebene Pterodaustro trug am gebogenen Unterkiefer an die 1.000 Zähne, die der Beschreibung "Zahn" zu spotten scheinen. Obwohl sie tatsächlich aus Zahnschmelz, Zahnbein und Zahnpulpa bestanden, waren sie extrem dünn und möglicherweise sogar biegsam. Zusammen bildeten sie einen Filterapparat, der eher einer Bürste ähnelte als einem Gebiss.

Pterodaustro war damit der Flamingo der Kreidezeit – aber der Grundstein zu seiner Entwicklung wurde offenbar schon ein Zeitalter früher gelegt, wie die Funde aus Polen zeigen. (red, 31. 8. 2019)