Foto: www.corn.at Heribert CORN
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Wien – Mittwochmittag in Wien-Margareten: Nach einem anonymen Hinweis klopfen Beamte der Finanzpolizei an die Tür einer Privatwohnung in der Nevillegasse. Nach mehrmaligem Klopfen öffnen sie ein Mann und eine Frau mittleren Alters – beide asiatischer Herkunft. Sofort drängen Beamte der Finanzpolizei, der Polizei und des Landeskriminalamts in die kleine Wohnung.

Die Türschlitze der Wohnung waren verklebt – aus Angst vor Gerüchen, die nach außen dringen, glauben die Einsatzkräfte.
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Im Inneren bestätigt sich binnen weniger Sekunden ihr Verdacht: Sie haben die nächste illegale Produktionsstätte für asiatische Teigtaschen entdeckt. Riesige Mengen an Mehlvorräten und alle Zutaten, die man für die Herstellung dieser Speisen benötigt, lagern verteilt auf die gesamte Wohnung: auf provisorischen Arbeitsflächen, im Badezimmer und in mehreren Kühlschränken. Zusätzlich stehen vier große Gefriertruhen in der kleinen Küche und im Schlafzimmer.

Tausende Teigtascherln vorproduziert

"Volltreffer", triumphieren die Beamten der Finanzpolizei, als sie eine davon öffnen. "Das sind garantiert tausende Teigtascherln, geschätzt etwa 10.000." Die vorproduzierten Speisen lagern in hunderten Zehn-Kilogramm-Packungen aus Plastik. In diesen Packungen finden die Beamten kleine Zettel, auf denen handschriftlich chinesische Schriftzeichen notiert wurden. "Vielleicht gibt uns das Hinweise auf die Abnehmer", sagt Einsatzleiter Ewald Engel.

In der kleinen, vollgeräumten Wohnung riecht es muffig, es ist unangenehm stickig und heiß. Für die Lagerung von Lebensmitteln ist es viel zu warm. "Die hygienischen Bedingungen sind katastrophal", sagt Engel kopfschüttelnd. Gelüftet wurde offenbar schon lange nicht mehr, selbst die Türschlitze sind verklebt. Aus Angst vor der Verbreitung des Teigtascherl-Geruchs, vermuten die Beamten.

Tausende, wenn nicht 10.000 Teigtascherl wurden gefunden.
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Vierte erfolgreiche Razzia

Es ist schon das vierte Mal binnen weniger Wochen, dass die Behörden eine illegale Produktionsstätte für asiatische Teigtaschen in Wien entdecken. In den Bezirken Favoriten, Penzing und Döbling hat die Behörde im Juli und August bereits erfolgreiche Kontrollen durchgeführt – DER STANDARD berichtete. "Durch das große Medieninteresse haben sich die anonymen Hinweise, die bei uns eingehen, stark gehäuft", erzählt Franz Kurz, Regionalleiter der Finanzpolizei.

Bei den erfolgreichen Razzien in den letzten Wochen zeigte sich den Beamten immer ein ähnliches Bild. "Auch dieser Fall spiegelt alle bisherigen Kontrollen wider", sagt Kurz. Das Ziel der Beamten sei nun, die Hintergründe zu ermitteln und die Frage zu klären, ob sich hinter diesen illegalen Produktionsstätten ein Netzwerk befindet. "Wir müssen unbedingt die Hintermänner dieser illegalen Produktionen finden – also diejenigen, die das in Auftrag geben und tatsächlich davon profitieren."

Es ist die vierte Fabrik, die heuer gefunden wurde.
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Kommunikation schwierig

Dass der Mann und die Frau, die den Beamten die Tür geöffnet haben, in Eigenregie diese Produktionsstätte aufgebaut haben, können sich die Beamten nicht vorstellen. Sprachliche Barrieren erschweren die Kommunikation mit den beiden Teigtascherl-Produzenten aber massiv. Die Behörden kamen ohne Dolmetscher zur Kontrolle, der Mann und die Frau in der Wohnung verstehen aber weder Deutsch noch Englisch. "Chinesisch-Dolmetscher sind rar gesät", meint einer der Beamten.

Der männliche Teigtascherl-Produzent dürfte bereits zuvor wegen arbeitsrechtlicher Verstöße Probleme mit den österreichischen Behörden gehabt haben. Nach derzeitigem Informationsstand der am Einsatz beteiligten Beamten soll er unter falschem Namen in Österreich leben und aufgrund seiner unklaren Identität nicht nach China abgeschoben werden können. Diese Informationen konnten auf Nachfrage bei offiziellen Stellen vorerst nicht verifiziert werden.

Noch während der Teigtascherl-Razzia wird die Frau von Polizeibeamten zur Identitätsfeststellung mitgenommen. Beide Teigtascherl-Produzenten wurden angezeigt.

Marktamt beschlagnahmt, Gesundheitsgefahr wird geklärt

Und was passiert mit den tausenden asiatischen Teigtascherln? Die Beamten der Finanzpolizei verständigten umgehend das Marktamt, das für deren Beschlagnahmung und Untersuchung zuständig ist. "Uns interessiert nur die gewerberechtliche Seite", erklärt Kurz. Ob von den in der Nevillegasse entdeckten Teigtaschen eine Gesundheitsgefahr ausgehen könnte, ist derzeit noch unklar.

Die Waren werden nun vom Marktamt beschlagnahmt.
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Marktamt kontrolliert

Seit die ersten illegalen Produktionsstätten vor knapp einem Monat entdeckt wurden, kontrolliert das Marktamt alle 535 Asia-Lokale und -Handelsbetriebe Wiens. Dadurch soll überprüft werden, ob Chargen der illegal produzierten Tascherln in Umlauf gebracht wurden. Von der Österreichischen Agentur für Ernährungssicherheit (Ages) lässt das Marktamt untersuchen, ob die Speisen gesundheitlich bedenklich sind. (Alexander Polt, 28.8.2019)