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Ein klares "Nein": Besser als ein gezwungenes "Ja" – und außerdem sehr oft nötig.

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Zu Sätzen wie "Mein Gott, was habe ich mir da aufgehalst?!", "Worauf habe ich mich da eingelassen?", "Verflixt, hatte ich denn meinen Verstand verloren?" gesellt sich meist noch ein Nachsatz: "Hätte ich doch bloß Nein gesagt." Diese späte Einsicht zeigt, da hat sich wieder einmal jemand, wie es so treffend heißt, breitschlagen und zu einem Ja hinreißen lassen und bereut nun, die offensichtlich angemessenere Antwort nicht über die Lippen gebracht zu haben.

Kommt nach der Lage der Dinge oder auch aus dem inneren Impuls heraus nur ein Nein infrage und wird dann dazu nicht der Mut aufgebracht, erweist sich das im Folgenden nur zu oft als schwere Last. Immer wieder vor diesen ominösen vier Buchstaben zurückzuscheuen, heißt in der Konsequenz, sich selbst zum Spielball anderer zu machen. Das bedeutet auch, sich damit Folgen und Entwicklungen einzuhandeln, die nicht allein dem eigenen Wohlbefinden oder den eigenen Interessen abträglich sind, sondern die oft genug auch nur schwer, wenn überhaupt, wieder korrigiert werden können.

Angst vor Liebesverlust

Das gilt im Berufs- und Geschäftsleben genauso wie in der Familie, im Verwandtschafts- oder Freundeskreis.Immerhin gibt es überall Menschen, die ihrem Gegenüber schlicht kein Nein zubilligen. Sie betrachten ein automatisches Ja zu ihrer Person, ihren Vorstellungen, Vorschlägen, Wünschen als selbstverständlich. Und es sind beileibe nicht nur manche Kunden und Chefs oder sich als höher gestellt ansehende Personen, die auf ihre Aussagen, Überlegungen oder Fragen nichts anderes als Zustimmung und Beifall erwarten. Doch was hält davon ab, Nein zu sagen?

Da kommt so einiges in den Blick: aberzogener Mut zum Widerspruch und daraus folgende Unfähigkeit zur Selbstabgrenzung; die Furcht, nicht mehr gemocht zu werden beziehungsweise vor Liebesverlust; die irrige Angst, andere damit zum womöglich eigenen Schaden vor den Kopf zu stoßen; falsch verstandene Loyalität. Wer sich aus diesen Motiven den Mut zum klaren Nein abkaufen lässt, sollte bedenken: Das Nein ist ein Grundbaustein der Selbstbehauptung. Für die persönliche Entwicklung und Reifung, für die bewusste Gestaltung des eigenen Lebens, für die Wahrung der eigenen Interessen und das Wohlergehen in der Gemeinschaft mit anderen ist das Nein eine grundlegende, unverzicht bare Notwendigkeit.

Gutmütig und selbstschädigend

Ein ganz alltägliches Musterbeispiel dafür ist das eigentlich nicht gewollte, aber dennoch ausgesprochene Ja aus spontaner Gutmütigkeit. Dabei lehrt die diesbezügliche Erfahrung, aus der nachgiebigen Bereitschaft, anderen einen Gefallen zu tun, entwickelt sich ganz schnell auf der anderen Seite eine völlig selbstverständliche Erwartungshaltung. Und der sich wieder zu entziehen, ist schwer. Wird nun die dank eigenen Zutuns aufgebaute Erwartungshaltung auf einmal nicht wie gewohnt erfüllt, löst das unwilliges Erstaunen, Verstimmung, nicht selten auch Zerwürfnisse aus.

Dabei warnen Alltagsweisheiten wie "Jede gute Tat rächt sich von allein" oder "Wem man den kleinen Finger gibt, der nimmt oft die ganze Hand" vor allzu bereitwilliger Gutmütigkeit.Wenn es auch gern als egoistisch interpretiert und dargestellt wird, ein Nein ist weder eine Brüskierung anderer noch eine unhöfliche oder hartherzige Zurückweisung, sondern Ausdruck bewusster, überlegter Lebensführung.Der 88-jährige Amerikaner Warren Buffett ist eine Investorenlegende. Doch berühmt ist er nicht nur dank seines sagenhaften Händchens für lukrative Geldanlagen, sondern nicht minder für seine Investoren weisheiten. Eine kleine Kostprobe: "Risiken entstehen, wenn man nicht weiß, was man tut"; "Man muss nur sehr wenige Dinge im Leben richtig machen, solange man nicht zu viele falsch macht"; "Was die Weisen am Anfang machen, tun die Dummköpfe am Ende"; "Es ist wichtiger, Nein zu einer Gelegenheit zu sagen als Ja"; "Der Unterschied zwischen erfolgreichen und sehr erfolgreichen Menschen ist, dass sehr erfolgreiche Menschen fast zu allem Nein sagen."

Ein mutigeres Leben

Dieses Verhalten mehrt den Erfolg, weil es vor materiellen Verlusten wie immateriellen Schäden bewahrt. Warum also diese nützliche Handlungsweise nicht auch auf die zwischenmenschlichen Beziehungs- und Entscheidungssituationen im ganz normalen Alltag anwenden? Und dem frei von Gewissensbissen freundlich, aber bestimmt ausgesprochenen Nein im Zweifelsfall oder bei spürbaren inneren Vorbehalten den Vorzug gegenüber dem halbherzigen und eben oft auch selbstschädigenden Ja geben?

Ohne Frage: Das Nein zum selbstverständlichen Bestandteil des alltäglichen Wortschatzes zu machen ist ein Schritt in ein mutigeres Leben. Und ein Prozess, der heranreifen muss. Zunächst werden die Knie dabei noch etwas weich sein, aber das gibt sich mit fortschreitender Übung. Eine neue Selbstsicherheit wächst heran, die den Menschen wie eine zweite Haut umgibt.

Und aus der Viktimologie, der Opferforschung, wissen wir, diese Selbstsicherheit strahlt nach außen ab und hält allein schon dadurch andere von Übergriffen, genauso aber auch von allerlei Ansinnen, Forderungen, Zumutungen und Grenzüberschreitungen ab. Auf diese Weise kommt so etwas wie eine selbsterfüllende Prophezeiung zustande. Die ausgestrahlte Selbstsicherheit wirkt wie das Signal: Von mir kannst du ein allzu bereitwilliges Ja nicht er warten. Also spar dir die Mühe! Wodurch sich im Endeffekt die Notwendigkeit, Nein zu sagen, wieder von ganz allein reduziert. Mit ihr die Überlegung: "Muss ich mein Nein begründen?"

Alles erklären? Nein!

Ein Nein muss nicht immer begründet werden. Ein Nein ist eine kurze und dennoch vollständige Antwort. Das zeigt sich bereits daran, dass ein stellvertretendes Kopfschütteln schon ausreicht, um abschreckend zu signalisieren: Ein weiteres Insistieren ist ein aussichtsloses Unterfangen. Gleichwohl, es bleibt dem Gespür für die Situation wie auch dem Grad der Beziehung zueinander überlassen, eine ablehnende Antwort mit ein paar Worten zu erläutern. Aber wohlgemerkt, wir reden von einer Begründung, nicht von einer Rechtfertigung oder gar Verteidigung. Das gilt es fein zu unterscheiden. Ein Nein ist eine zum Leben gehörende Selbstverständlichkeit, nichts, wofür man sich entschuldigen müsste. (2.9.2019)