Innsbruck/Wien – Einmal mehr haben Innsbrucker Physiker einen neuen Rekord bei der Quantenverschränkung aufgestellt: Erstmals ist es gelungen, ein mit Materie verschränktes Lichtteilchen über ein 50 Kilometer langes Glasfaserkabel zu übertragen – bisher gelang dies nur 100 Meter weit. Das Team um Ben Lanyon vom Institut für Experimentalphysik der Universität Innsbruck und dem ÖAW-Institut für Quantenoptik und Quanteninformation (IQOQI) spricht von einem "Meilenstein auf dem Weg zu einem zukünftigen Quanteninternet".

Beim Quanteninternet will man sich die besonderen Phänomene der Quantenphysik unter anderem für absolut abhörsichere Kommunikation zunutze machen. Das Problem dabei ist, dass Quanteninformation nicht kopiert und daher nicht über größere Distanzen in einem klassischen Netzwerk übertragen werden kann. Übertragen werden müssen vielmehr Quantenteilchen als Träger der Information, und dafür braucht es spezielle Schnittstellen.

Das verschränkte Paar

Die Innsbrucker Physiker nutzten ein in einer Ionenfalle gefangenes Kalziumatom als Ausgangspunkt ihres Experiments. Dann schrieben sie mit Laser einen Quantenzustand in das Ion ein und regten es zur Aussendung eines Lichtteilchens (Photon) an. In dessen Polarisation (Richtung der Lichtschwingung) ist die Quanteninformation gespeichert. Bei diesem Vorgang werden die Quantenzustände des Atoms und des Lichtteilchens verschränkt.

Damit die Methode funktioniert, muss die Wellenlänge des Photons so verändert werden, dass es über herkömmliche Glasfaserleitungen gesendet werden kann
Illustration: IQOQI Innsbruck/Harald Ritsch

Das Problem ist, dass das vom Kalziumion ausgesendete Photon mit einer Wellenlänge von 854 Nanometern in einem Glasfaserkabel nicht weit kommt, weil es rasch absorbiert wird. Lanyon änderte nun die Wellenlänge des Photons auf den optimalen Wert für Langstrecken (1.550 Nanometer), indem sie es durch einen nichtlinearen, mit einem starken Laser angestrahlten Kristall schickten. Derart "aufgeputscht" schaffte das Photon die Reise durch eine 50 Kilometer lange Glasfaser und bleibt dabei trotz Änderung der Wellenlänge und dem langen Marsch mit seinem Ion verschränkt.

Quantensprung

Ein Sprung von 100 Metern auf 50 Kilometer sei aber nicht einfach nur "um zwei Größenordnungen weiter, als es bisher möglich war" – er ermögliche erstmals eine praktikable Distanz für den Bau von regionalen Quantennetzwerken, so Lanyon. Die Arbeit lieferte auch den theoretischen Nachweis, dass man mit dieser Methode Ionen über eine Distanz von 100 und mehr Kilometer verschränken kann. Dafür müssten zwei Knoten jeweils ein verschränktes Photon über eine Distanz von 50 Kilometer zu einer Zwischenstation senden.

Misst man die Lichtteilchen dort derart, dass sie ihre Verschränkung mit den Ionen verlieren, werden dadurch die beiden 100 Kilometer entfernten Ionen miteinander verschränkt und besitzen damit die selbe Quanteninformation. Damit werde es vorstellbar, in den kommenden Jahren das weltweit erste Intercity-Licht-Materie-Quantennetzwerk zu bauen: Nur eine Handvoll Ionenfallen-Systeme würden benötigt, um beispielsweise ein Quanteninternet zwischen Innsbruck und Wien aufzubauen – zwei Hotspots in der quantenpyhsikalischen Forschung. (APA, red, 29. 8. 2019)