Während Vizepremier Matteo Salvini (links) in der vorherigen Koalition der starke Mann war, ...

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... gibt nun Giuseppe Conte den Ton an.

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Staatspräsident Sergio Mattarella hat am Donnerstag den bisherigen Premier Giuseppe Conte mit der Bildung einer neuen Regierung betraut; Conte hat den Regierungsauftrag "mit Vorbehalt" angenommen, wie dies üblich ist. Der alte und voraussichtlich auch neue Premier hat nun bis Anfang nächster Woche Zeit, sein Kabinett zusammenzustellen und die beiden Regierungspartner auf ein gemeinsames Programm festzulegen. Anschließend wird Mattarella die Minister und den Premier offiziell ernennen und ins Parlament schicken, wo sie sich den Vertrauensabstimmungen im Senat und in der Abgeordnetenkammer zu stellen haben. Absurderweise sollen danach wahrscheinlich auch noch die Anhänger der Fünf-Sterne-Bewegung über die Koalition mit dem PD abstimmen können. Der Ausgang gilt als ungewiss, da viele Mitglieder der Fünf Sterne den PD als Inbegriff eines korrupten politischen Establishments sehen, das die Bewegung eigentlich bekämpfen sollte.

Die neue Regierung werde "im Zeichen des Neuen" stehen, erklärte Conte nach seinem Treffen mit dem Staatspräsidenten. Italien bewege sich in einem unsicheren internationalen Umfeld und befinde sich in wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten. Die erste und wichtigste Aufgabe der Regierung sei deshalb die Ausarbeitung eines Haushaltsgesetzes, mit dem die drohende Mehrwertsteuererhöhung vermieden und zugleich Arbeitsplätze geschaffen werden könnten. Als weitere Prioritäten der neuen Exekutive nannte Conte unter anderem den Schutz der Umwelt, den sozialen Ausgleich sowie den Respekt vor den demokratischen Institutionen.

Einheitssteuer vom Tisch

Bei diesen Themen scheint eine Einigung zwischen den schon bisher regierenden Fünf Sternen und ihrem neuen Koalitionspartner, dem Partito Democratico, leicht möglich. Die vom bisherigen Innenminister Matteo Salvini von der rechtsradikalen Lega geforderte Einheitssteuer von 15 Prozent ist mit der neuen Regierung vom Tisch – was für die europäischen Partner schon einmal eine gute Nachricht ist, weil die Flat Tax die ohnehin schon viel zu hohe Staatsverschuldung noch einmal massiv hätte anschwellen lassen. Auch bei der Bekämpfung von Korruption und Steuerhinterziehung, bei der sozialen Sicherung und bei den Bürgerrechten gibt es Schnittstellen zwischen den beiden neuen Bündnispartnern.

Conte bekräftigte außerdem die Verankerung Italiens in der EU und im westlichen Verteidigungsbündnis Nato. Auch dies kommt einer Wende gegenüber der alten Regierung gleich: Salvini hatte keine Gelegenheit ausgelassen, um gegen "Brüssel und die EU-Bürokraten" zu wettern; mit seiner Verehrung für Wladimir Putin und mit der Nähe einiger seiner engsten Vertrauten zu Kreml-nahen Ölmagnaten irritierte er Italiens atlantische Partner. Salvini hatte bei der Bildung des alten Kabinetts noch den prominenten Ökonomen und Euro-Austritts-Theoretiker Paolo Savona durchgesetzt – der überzeugte Europäer Conte wird dafür sorgen, dass eine solche Besetzung nunmehr ausgeschlossen ist.

Gesprächsstoff Migration

Neben den zahlreichen Gemeinsamkeiten gibt es aber auch etliche Politikfelder, die für Zündstoff sorgen könnten. Der wichtigste ist zugleich jener, der zuvor den öffentlichen Diskurs beherrscht hatte: die Migration.

Der PD lehnte die von Salvini verordnete Politik der geschlossenen Häfen und die systematische Kriminalisierung der privaten Retter immer ab; Parteichef Nicola Zingaretti forderte während der Koalitionsverhandlungen die Abschaffung der entsprechenden Salvini-Dekrete. Der Politikchef der Protestbewegung, Luigi Di Maio, erklärte dagegen, dass er zu allem stehe, was die bisherige Regierung an Positivem geleistet habe.

Anti-Salvini-Allianz

Ein möglicher Ausweg aus dem drohenden Konflikt könnte bei der Neubesetzung des Innenministeriums gefunden werden: Im Gespräch für dieses Schlüsselministerium ist Marco Minniti. Dem ehemaligen Innenminister der Mitte-links-Regierung von Paolo Gentiloni war es mit einem Abkommen mit Libyen und der Ausrüstung der libyschen Küstenwache schon vor Salvini gelungen, die Zahl der Bootsflüchtlinge von 180.000 auf 35.000 zu senken.

"Das wird kein Spaziergang", erklärte PD-Chef Zingaretti illusionslos, nachdem die Einigung mit den Fünf Sternen feststand. Er meinte dabei nicht nur die unterschiedlichen Positionen bei der Migration (und in anderen Politikfeldern), sondern auch die großen ideologischen und kulturellen Unterschiede der beiden Regierungspartner. Die Fünf Sterne sind nach wie vor eine ökologisch angehauchte, tendenziell fortschrittsfeindliche und für Verschwörungstheorien anfällige Antisystembewegung; die Sozialdemokraten blicken auf eine lange Tradition als "Systempartei" zurück und leiden an einem chronischen Hang zur Überheblichkeit. Genau diese kulturellen Unterschiede hatten dazu geführt, dass sich die "Grillini" und der PD bis vor wenigen Tagen leidenschaftlich bekämpft hatten.

Der Moderator wird nun Giuseppe Conte sein, der in den letzten Monaten deutlich an Profil gewonnen hat und mit über 60 Prozent Zustimmung der beliebteste Premier Italiens seit langem ist. Zu Beginn seiner ersten Amtszeit vor 14 Monaten war Conte nicht viel mehr als der Vize seiner beiden Vizepremiers Salvini und Di Maio gewesen. In der neuen Regierung ist er der starke Mann – vielleicht sogar ganz ohne Vizes. (Dominik Straub aus Rom, red, 29.8.2019)