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Auf solche Bilder – dieses stammt von der Pride in New York Ende Juni – freuen sich die Veranstalter in Sarajevo.

Foto: AP / Craig Ruttle

Es ist ein Experiment für die tiefkonservative bosnische Gesellschaft, die von sozialer Kontrolle und strikten Konventionen geprägt ist. Am 8. September findet in der bosnischen Hauptstadt Sarajevo erstmals eine Regenbogenparade statt, bei der Rechte für sexuelle Minderheiten eingefordert werden.

Einer der wichtigsten bosnischen Künstler, der Sänger Božo Vrećo, freut sich schon auf die Veranstaltung. "Es geht um die Freiheit, man selbst zu sein und von Herzen geliebt zu werden, anstatt von der sozialen Norm bestimmt zu werden. Es ist wunderbar, dass Sarajevo eine jener Städte ist, die langsam beginnt, Vielfalt zu tolerieren. Liebe kennt kein Geschlecht, also ist die Pride ein Sieg für die Freiheit der Liebe für mich", sagt er zum STANDARD.

"Ich werde auf jeden Fall dabei sein und die Parade unterstützen, denn das ist meine Stadt und ich als Person, die frei lebt, liebt und durch meine öffentlichen Kunstwerke handelt, sollte ein Beispiel für alle sein, die das erwarten und sich bereits darauf freuen", fügt er hinzu. Auch andere Künstler und Prominente unterstützen das historische Ereignis.

Jenseits der Nationalitäten

Etwa 500 Besucher werden aus allen Teilen Bosnien-Herzegowinas und anderen Balkanstaaten erwartet. Die schwulen und lesbischen Bosnier und Bosnierinnen stehen über den Zugehörigkeiten zu sogenannten ethnischen Gruppen. Deshalb können sie auch gut für das Verbindende in dem Land eintreten. Der Slogan der Veranstaltung lautet: "Es gibt Leute, die sich outen." Inhaltlich geht es darum, gegen Gewalt an sexuellen Minderheiten zu protestieren und öffentlichen Raum einzufordern.

Denn in Bosnien-Herzegowina sind sexuelle Minderheiten nicht annähernd den Heterosexuellen gleichgestellt. Es gibt nicht einmal eine eingetragene Partnerschaft. Viele Lesben und Schwule trauen sich nicht, sich zu outen. Sie haben Angst, von ihrer Familie verstoßen zu werden, ihren Job zu verlieren oder in der Gesellschaft verhöhnt zu werden.

Unsichtbare Gruppe

Sie stehen unter dem ständigen Druck, ihre Identität zu verheimlichen und zu verstecken. In der Öffentlichkeit sind keine schwulen oder lesbischen Paare sichtbar. Die Organisatoren stellen deshalb auch klar, dass es am 8. September "keinen Grund zum Feiern" gibt. "Es wird ein Protestmarsch, der etwa 45 Minuten dauern wird", sagt eine der Organisatorinnen, Nera Mešinović.

Mešinović betont aber, dass die Zusammenarbeit mit der Polizei und den anderen Behörden exzellent sei. Das Sicherheitskonzept wird als sehr strikt beschrieben. Diesmal sei die Stadt aber gut auf die Veranstaltung vorbereitet. Auch die islamische Glaubensgemeinschaft hat sich diesmal klar gegen Angriffe ausgesprochen. Die Stimmung ist deutlich besser als noch vor ein paar Jahren.

Gewalt im Jahr 2008

Viele Mitglieder der LGTB-Community erinnern sich aber noch an die Gewalt gegen sie beim Queer-Festival im Jahr 2008. Damals fanden sich dutzende Islamisten dort ein. Manche riefen: "Tötet die Schwulen! Wir kriegen euch!" Die Polizei reagierte kaum. Die Islamisten begannen, Steine zu werfen und Besucher des Festivals zu verfolgen. Acht Personen wurden verletzt. Die Organisatoren erhielten Todesdrohungen. Am dritten Tag musste das Festival wegen des Sicherheitsrisikos beendet werden.

Die Gewalttäter erhielten damals noch ideelle Unterstützung von höchster politischer Seite. So sagte etwa Bakir Izetbegović, der noch heute Chef der größten bosniakischen Partei, SDA, ist: "Ich bin in keinster Weise mit der Durchführung des Queer-Festivals zufrieden. Diese Erinnerung an Sodom und Gomorra am Tag der 27. Nacht des Ramadan, einer Nacht, auf die sich die Muslime freuen – freut mich überhaupt nicht." Die SDA ist eine völkisch orientierte islamische Klientelpartei. Izetbegović meinte damals auch, dass sich die Homosexualität ausbreiten würde, wenn man es zulässt. "So etwas sollte zwischen vier Wänden geschehen."

"Westlicher Müll"

Und der Mufti Seid Smajkić sagte 2008: "Freiheit sollte nicht für Werbung für diesen westlichen Müll genutzt werden." Viele Bosnier glauben auch heute noch, dass man sich dafür entscheiden könne, homosexuell oder heterosexuell zu sein. Sie glauben auch, dass Homosexualität eine "europäische" Idee sei, und meinen damit, dass es sich um eine ideologische Frage handeln würde. Es fehlt an Aufklärung. Auch heuer kamen die homophoben Ansagen vor allem aus der SDA.

Die Abgeordnete Samra Ćosović-Hajdarević meinte im April, als die Veranstaltung angekündigt wurde: "Ich will, dass solche Leute isoliert werden und weit von unseren Kindern und unserer Gemeinschaft entfernt werden. Lasst sie woanders hingehen und eine Stadt, einen Staat, Gesetze und Rechte für sich selbst schaffen, die niemand bestreiten würde. Aber nicht hier!" Die SDA machte eine Aussendung, in der sie dazu aufrief, die Parade abzusagen, weil diese nur "zu Verwirrung unter den Bürgern Sarajevos führen" würde. Die bosnische Gesellschaft würde nämlich Familienwerte wertschätzen.

Hass im Netz

In den sozialen Netzwerken kam es daraufhin wieder zu viel Hass gegen Lesben und Schwule. Mittlerweile hat sich das alles aber gelegt. Der Chef der größten kroatisch-katholischen Partei, HDZ, Dragan Čović, reagierte sogar positiv auf die Regenbogenparade. Er sagte: "Ich unterstütze absolut jede Vielfalt, das ist eine persönliche Angelegenheit. Jeder denkt anders, und das ist zu schätzen; das ist Vielfalt." Unterstützung gibt es auch aus dem Ausland. Erwartet wird der grüne Abgeordnete Manuel Sarrazin aus Deutschland. Die österreichische Botschafterin Ulrike Hartmann hat auch bereits ihr Kommen zugesagt. Und der berühmte Sänger Damir Imamović wird am Ende ein Lied singen. (Adelheid Wölfl, 30.8.2019)