Noch wandelt die AfD allein auf politischer Flur. Doch Parteichef Alexander Gauland sieht in der CDU Verbündete.

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STANDARD: "Vollende die Wende", fordert die AfD vor den Wahlen in Sachsen und Brandenburg – in Anspielung auf das Jahr 1989 und die friedliche Revolution. Vergleichen Sie ernsthaft die DDR mit der Bundesrepublik?

Gauland: Nein, aber es gibt Entwicklungen, gerade auf dem Gebiet der Meinungsfreiheit, die in diese Richtung weisen. Die politische Korrektheit ist der Anfang vom Ende der Meinungsfreiheit.

STANDARD: Es stört Sie nicht, wenn sich für diese Wende "Wessis" wie Sie, in Brandenburg Andreas Kalbitz und in Thüringen Björn Höcke, einsetzen?

Gauland: Für mich gilt das nicht, ich stamme aus Chemnitz (Sachsen, Anm.) und habe die DDR erst mit 18 verlassen. Ich habe auch kein Problem damit, wenn Politiker, die im Westen geboren und aufgewachsen sind, dennoch ein Gefühl für die Sorgen im Osten haben. Gerade in den östlichen Bundesländern gibt es Probleme, die die regierenden Parteien immer wieder weggedrückt haben. Die sind aber für die Menschen relevant, also sprechen wir sie an. Wir sind den Menschen näher als die Regierenden.

STANDARD: Schüren Sie Ängste?

Gauland: Wir schüren keine Ängste, sondern wir gehen auf das ein, was Menschen an uns herantragen. Aber natürlich: Wenn Leute, die vor bestimmten Entwicklungen Angst haben, uns wählen, dann profitieren wir von Ängsten. Wer uns wählt, will eine bestimmte Politik nicht.

STANDARD: Eine Ihrer Botschaften lautet, man solle sich nicht vor der AfD fürchten. Spüren Sie die Angst vieler Menschen?

Gauland: Nein, aber ich muss versuchen zu erklären, was sich ändern würde, wenn wir mitregierten.

STANDARD: Wollen Sie das überhaupt? Die AfD ist da ja gespalten.

Gauland: Nein, das trifft es nicht. Wir diskutieren – und streiten – auch darüber, unter welchen Umständen man regieren könnte. Die einen in unserer Partei sagen: Da müsste sich die CDU grundlegend ändern. Die anderen hingegen meinen: Wir sollten unsere Programmatik ein bisschen weicher spülen, damit sich die CDU – wer anderer kommt ja nicht infrage – leichter tut.

STANDARD: Wie halten Sie es?

Gauland: Das kommt immer auf konkrete Angebote und Wahlergebnisse an. Aber Kompromisse sind für die AfD schwierig, weil wir in Grundsatzfragen völlig anderer Meinung sind als alle anderen Parteien. Wir können nicht sagen, es reicht, wenn man nur 40 Prozent der deutschen Grenze schützt und 60 Prozent nicht. Grundsätze geben wir nicht auf.

STANDARD: Aber mit der AfD will ohnehin niemand regieren. Oder hören Sie etwas anderes?

Gauland: Es gibt – vor allem in Sachsen – viele CDU-Mitglieder und auch Abgeordnete, die einer Koalition mit der AfD aufgeschlossen gegenüber sind, weil sie nicht mit Linken und Grünen zusammengehen wollen. Die müssen wir stärken und dürfen sie nicht mit dummen Sprüchen schwächen. Aber solange Frau Merkel und Frau Kramp-Karrenbauer da oben sitzen, wird das noch nichts.

STANDARD: Ein Hindernis für viele in der CDU ist der thüringische AfD-Chef Björn Höcke. Sie gelten als sein Förderer, haben ihn aber zuletzt ermahnt. Geht er zu weit?

Gauland: Es ist richtig, dass es ein Gespräch gab, da haben wir auch den Personenkult um ihn besprochen. Ein Einzug mit Fahnen wie beim Kyffhäuser-Treffen (Veranstaltung des Flügels, dem Höcke vorsteht, Anm.), das geht bei einer demokratischen Partei nicht.

STANDARD: Ist er einsichtig?

Gauland: Das bespreche ich mit ihm persönlich. Höcke ist auch nicht das Problem, sondern einige selbsternannte Gefolgsleute, die sich als Flügel-Leute outen und auf ihn berufen.

STANDARD: Wen meinen Sie?

Gauland: Der Co-Vorsitzende in Mecklenburg-Vorpommern (Dennis Augustin, Anm.) hat seine NPD-Mitgliedschaft verschwiegen. Da muss er die Partei verlassen. Und wenn die "falsche Fürstin" in Schleswig-Holstein, wie wir sie nennen (Doris Sayn-Wittgenstein, Anm.), den Holocaust als Erfindung der Amerikaner und Briten bezeichnet, dann muss sie raus. Da laufen Verfahren, Sayn-Wittgenstein ist am Mittwoch ja auch ausgeschlossen worden.

STANDARD: Wäre es vielleicht hilfreich, wenn sich Höcke mal selbst von solchen Personen distanziert?

Gauland: Ich glaube, das bringt nichts, das muss man intern besprechen. Ich halte auch den Brief, in dem 100 Funktionäre Höcke kritisieren, nicht für sinnvoll.

STANDARD: Schützen Sie den Flügel, der Konservative abschreckt?

Gauland: Viele Vertreter des Flügels sind tief in bürgerlichen Schichten verankert. Und ich halte meine Hände nicht schützend über den Flügel. Richtig ist aber, dass ich das noch von Frauke Petry eingeleitete Parteiausschluss-Verfahren gegen Höcke falsch fand. Es wurde dann ja vom Vorstand zurückgezogen. (Birgit Baumann, 30.8.2019)