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Regisseur Oleh Senzow wurde 2018 mit dem Sacharow-Preis für geistige Freiheit des EU-Parlaments ausgezeichnet.

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Der ukrainische Generalstaatsanwalt Ruslan Rjaboschapka hat in der Nacht auf Freitag auf Facebook eine Meldung geteilt, wonach ein Gefangenenaustausch zwischen Russland und der Ukraine stattgefunden habe. Unter anderem sollen in Russland inhaftierte ukrainische Seeleute und der Filmemacher Oleh Senzow in ihre Heimat zurückgekehrt sein.

Am Freitagmorgen verneinte das Büro von Präsident Wolodymyr Selenskyj die Meldung. Es habe noch kein Gefangenenaustausch mit Russland stattgefunden. "Der Prozess ist noch im Gange", hieß es aus Selenskyjs Büro.

Eine weitere Mitteilung des ukrainischen Präsidentenamts auf Facebook beklagte "Desinformation" und ein "Spiel mit den Gefühlen der Gesellschaft". Das Amt werde den Austausch offiziell bekanntgeben, sobald er stattgefunden habe. Auch die russische Nachrichtenagentur Interfax zitierte eine Moskauer Quelle, wonach die Gefangenen noch nicht ausgetauscht worden seien.

Indizien für Austausch

In den vergangenen Tagen hatten sich Hinweise verdichtet, dass es bald zu einem Gefangenenaustausch zwischen Moskau und Kiew kommen könnte. Am Mittwoch wurde der in der Ukraine wegen Verratsvorwürfen inhaftierte Journalist Kirill Wyschinski unter Auflagen freigelassen. Am Donnerstag berichteten russische Medien, dass der ukrainische Filmemacher Oleg Senzow aus einem Straflager im hohen Norden Russlands nach Moskau in ein Untersuchungsgefängnis gebracht worden sei. Es sei weiterhin unklar, ob Senzow von einem Austausch betroffen sei, sagte der ukrainische Politiker Viktor Medwedtschuk am Donnerstag. Bislang sei noch keine endgültige Vereinbarung getroffen worden.

Selenskyj hatte Russland im Juli den Austausch von Senzow und Wyschinski vorgeschlagen. Moskau hatte das Angebot damals abgelehnt. Wyschinski, ein russisch-ukrainischer Doppelstaatsbürger, soll in seinen Artikeln die russische Annexion der Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 gerechtfertigt haben. Der 52-Jährige war bis zu seiner Festnahme im Mai 2018 Leiter des Ukraine-Büros einer staatlichen russischen Nachrichtenagentur.

Kirill Wyschinski wurde am Mittwoch unter Auflagen freigelassen. Er selbst hatte laut ukrainischen Medien einen Austausch im Gegenzug für Oleh Senzow abgelehnt, da er seine Unschuld beweisen wolle.
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Straflager am Polarkreis

Senzow war im Mai 2014 festgenommen worden, nachdem er öffentlich gegen die Annexion der ukrainischen Halbinsel Krim durch Russland protestiert hatte. Russland behauptete, er hätte Terroranschläge in den Städten Simferopol, Sewastopol und Jalta geplant. 2016 wurde er in die Strafkolonie in Labytnangi am Polarkreis geschickt.

Im Mai 2018 begann Senzow einen Hungerstreik, um die Freilassung von 64 ukrainischen Staatsbürgern zu erreichen, die in Russland aus politischen Gründen inhaftiert sind. Angesichts einer drohenden Zwangsernährung, beendete er seinen Hungerstreik nach einigen Monaten.

Bei den Seeleuten, die offenbar auch von dem laufenden Gefangenenaustausch betroffen sind, handelt es sich vermutlich um jene Marinesoldaten, die bei einem Vorfall im November 2018 in der Straße von Kertsch zwischen dem Schwarzen und dem Asowschen Meer festgenommen worden waren. Dabei wurden drei ukrainische Marineschiffe beschossen und beschlagnahmt.

Mit diesem Schritt käme Bewegung in die feindseligen Beziehungen, schreibt ZDF-Korrespondent Andreas Kynast auf Twitter.

Sollte der Gefangenenaustausch tatsächlich gelingen, wäre das ein großer Erfolg für den neuen ukrainischen Präsidenten Selenskyj. Er war mit dem Versprechen angetreten, den Konflikt in der Ostukraine zu beenden. Dort liefern sich ukrainische Soldaten seit 2014 trotz eines Waffenstillstandsabkommens Kämpfe mit von Russland unterstützten Separatisten. (fmo, APA, 30.8.2019)