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Von dem angesetzten Austrittsdatum 31. Oktober will Premierminister Johnson in keinem Fall abrücken.

Foto: AP/Alastair Grant

Der britische Premierminister Boris Johnson wirft seinen innenpolitischen Gegnern vor, seine Verhandlungsposition im Brexit-Streit mit der EU zu schwächen. "Ich fürchte, je mehr unsere Freunde und Partner glauben, dass der Brexit gestoppt werden kann und dass das Vereinigte Königreich durch das Parlament in der Gemeinschaft gehalten werden kann, umso unwahrscheinlicher ist es, dass sie uns den Vertrag geben, den wir brauchen", sagte er am Freitag in einem Interview des Senders Sky News.

Johnson hatte mit der von ihm verordneten Zwangspause des Parlaments einen Sturm der Empörung auf der Insel ausgelöst. Dem Parlament bleibt damit nur noch ein Zeitfenster von wenigen Tagen, um einen EU-Austritt ohne Abkommen per Gesetz zu verhindern. Dagegen versuchen Politiker aus den Reihen der Opposition, aber auch Tory-Abgeordnete vorzugehen.

In Belfast und London waren am Donnerstag rechtliche Schritte eingeleitet worden. Die Geschäftsfrau Gina Miller bat die Londoner Höchstgerichte um Überprüfung von Johnsons Zwangsschließung das Parlaments. Sie habe eine "dringende juristische Überprüfung" der Zwangspause beantragt, sagte Miller, die schon im Jahr 2017 einen juristischen Erfolg im Ringen um den Brexit erzielt hatte, der BBC.

Millers Antrag – ein Versuch, Johnson davon abzuhalten, das Parlament für mehr als einen Monat kurz vor dem Brexit zu suspendieren – wird am 5. September vor einem Gericht angehört. Der ehemalige konservative Premierminister John Major teilte am Freitag mit, er wolle sich der Klage anschließen.

Ein schottisches Gericht hatte am Freitag den Antrag einer Gruppe von Oppositionsabgeordneten auf eine einstweilige Verfügung gegen die Zwangspause des Parlaments vorerst abgelehnt. Die Parlamentarier wollten damit erreichen, dass die Zwangsschließung so lange nicht wirksam wird, bis gerichtlich geklärt ist, ob der Schritt rechtmäßig ist. Für den 6. September ist eine weitere Anhörung vorgesehen.

Zwischen Großbritannien und der EU verhärten sich die Fronten

Indessen haben der irische und der deutsche Außenminister Johnson aufgefordert, belastbare Vorschläge für Verhandlungen über den Brexit vorzulegen. Irlands Außenminister Simon Coveney bezeichnete die Position Londons als "völlig unvernünftig". Der deutsche Außenminister Heiko Maas sagte, ein No-Deal-Brexit sei für alle Beteiligten negativ, vor allem aber für Großbritannien.

"Wir wollen alle eine Vereinbarung, aber bisher ist nichts Glaubwürdiges von der britischen Regierung gekommen", sagte Coveney beim EU-Außenministertreffen in Helsinki. Auch Maas urgierte: "Ich habe noch einmal deutlich gemacht, dass es jetzt notwendig ist – auch aus zeitlichen Gründen –, die Vorschläge so schnell wie möglich auf den Tisch zu legen."

Der britische Transportminister Grant Shapps widersprach umgehend. Es seien sehr wohl Alternativen zur Ausgestaltung der Grenze zwischen dem EU-Mitglied Irland und der britischen Provinz Nordirland nach dem Brexit vorgelegt worden.

Asselborn: Späterer Austritt denkbar

Am Donnerstagabend hatte Johnson auf eine Intensivierung der Gespräche mit der EU gedrängt. "Es ist jetzt für beide Seiten Zeit, das Tempo zu erhöhen", sagte Johnson. Seinen Worten zufolge wird sich das britische Team unter Leitung von David Frost im September zweimal wöchentlich mit den EU-Vertretern treffen.

Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn nannte einen Austritt ohne Abkommen "eine Katastrophe", tausende Arbeitsplätze seien dann bedroht. Er schloss eine Verschiebung des Brexits nicht aus, wenn das zu einem Ergebnis führen könne. "Aber wenn man nur verlängert, um zu verlängern, wird es schwierig."

Die von Johnson angekündigte Aussetzung der Parlamentsarbeit in Großbritannien vor dem Brexit-Termin nannte Asselborn merkwürdig. Westminister sei immerhin "die Mutter der Parlamente" und werde nun "an den Rand gedrängt". Das sei nicht normal.

Frankreich probt den Brexit-Ernstfall

Im nordfranzösischen Calais beginnt am Freitagnachmittag eine einmonatige Übung für den Transit von Gütern ins Vereinigte Königreich nach dessen Austritt aus der EU. "Während eines Monats werden wir so tun, als habe der Brexit stattgefunden. Für einen Großteil der Unternehmen werden wir eine Art Generalprobe ansetzen, um Ende Oktober rundum vorbereitet zu sein", sagte der französische Haushaltsminister Gérald Darmanin am Freitag dem Radiosender RTL. (fmo, APA, 30.8.2019)