Johann Gudenus (links) und Heinz-Christian Strache (rechts) müssen zumindest wegen ihrer Versprechungen an die Oligarchin juristisch nichts befürchten.

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Die Eiltmeldung der APA sorgte am Donnerstag für einige Verwirrung in den Redaktionen: "Ibiza-Video: Kein Verfahren gegen Strache und Gudenus", hieß es dort lapidar. Einige Stunden später gestaltete sich das Bild um einiges differenzierter, wie ein Schriftstück der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) zeigt, das dem STANDARD vorliegt.

Die Staatsanwaltschaft hatte nach dem Auftauchen des Ibiza-Videos zahlreiche Anzeigen erhalten, die sie eingehend auf einen sogenannten "Anfangsverdacht" hin prüfte. Ist dieser nicht gegeben, erhalten die Anzeigenden eine Information darüber. Dieses "Absehen von der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens" ist nun an die Öffentlichkeit gelangt. DER STANDARD hat die fünf wichtigsten Punkte daraus zusammengefasst.

1. Staatsanwälte sehen bei Strache eine klare Bereitschaft zur Korruption

In dem heimlich gefilmten Gespräch auf Ibiza versprach der damalige FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache der falschen Oligarchin, sie würde, wenn sie Anteile an der "Kronen Zeitung" kauft, später mit öffentlichen Bauaufträgen belohnt werden. Für die WKStA lässt das nur die Interpretation zu, "dass Heinz-Christian Strache der vermeintlichen Oligarchin für eine verdeckte Parteispende beziehungsweise für den Erwerb von Anteilen an der 'Kronen Zeitung' für den Fall einer Regierungsbeteiligung eine Bevorteilung bei der Vergabe von öffentlichen Bauaufträgen in Aussicht stellt".

Strache stellte in Aussicht, dass er an die potenziellen Geldgeber "öffentliche Aufträge – teils zu überhöhten Preisen – vergeben werde". Die WKStA sieht hier keine Zweideutigkeit, sondern eine klare Bereitschaft des ehemaligen FPÖ-Chefs, krumme Deals abzuschließen. Das ist allerdings laut WKStA nicht strafbar. Denn:

2. Die WKStA ortet eine Gesetzeslücke

Die Korruptionsjäger haben umfangreich geprüft, ob Straches öffentlich einsehbare Aussagen auf Ibiza strafbar waren. Ihre Konklusio: Nein. Denn es ist nicht strafbar, etwas zu versprechen, was man erst in einer später zu erlangenden Position ausführen kann – die noch dazu unsicher ist, war doch nicht fix, dass Strache Vizekanzler wird. Er war 2017 Klubobmann der FPÖ, die in der Opposition war. Daher konnte er bei öffentlichen Bauaufträgen nicht mitmischen. Die WKStA formuliert das in Juristendeutsch so, dass "fallbezogen die versprochene Tätigkeit als Amtsträger nicht einmal abstrakt im Aufgabenbereich jener Ämter war, die Strache und Gudenus zum Tatzeitpunkt innehatten". Strache macht auch keine Versprechungen, in seiner aktuellen Position als Nationalratsabgeordneter Einfluss auszuüben, also etwa für oder gegen Gesetzesvorhaben stimmen zu wollen. Daher ist weder die "objektive noch die subjektive Tatseite indiziert". Neos und SPÖ haben übrigens bereits angekündigt, hier eine Gesetzesreform anstreben zu wollen.

3. Gegen Strache und Gudenus wird weiterhin ermittelt

Dass die Versprechungen an die Oligarchin keine juristischen Konsequenzen nach sich ziehen, hilft Strache und Gudenus nur teilweise weiter. Denn gegen die beiden ehemaligen Spitzenpolitiker wird derzeit wegen Untreue ermittelt, wie aus dem Dokument der WKStA hervorgeht. Im Strafgesetzbuch heißt es zu diesem Delikt, der Untreue mache sich schuldig, "wer seine Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich missbraucht und dadurch den anderen am Vermögen schädigt".

Bei einem Schaden von über 300.000 Euro droht hier eine Freiheitsstrafe von einem bis zu zehn Jahren. Dazu kommt, dass bei der Razzia im Zusammenhang mit Novomatic und der Bestellung des Casinos-Vorstands die Smartphones von Strache und Gudenus beschlagnahmt wurden. Finden die Ermittler darauf belastende Dinge, können sie jederzeit neue Verfahrensstränge dazu starten. Das bezeichnet man als "Zufallsfund".

4. Die neue FPÖ-Spitze ist – vorerst – entlastet worden

Die WKStA hat auch Anzeigen gegen die aktuellen Spitzenpolitiker der FPÖ geprüft, konkret gegen den designierten Parteichef Norbert Hofer, seinen Vize Herbert Kickl sowie die Generalsekretäre Christian Hafenecker und Harald Vilimsky. Gegen sie werden keine Ermittlungen eingeleitet – zumindest "zum jetzigen Zeitpunkt", wie die WKStA schreibt. "Nur der Umstand, dass sie wichtige politische beziehungsweise parteiinterne Positionen innehatten, kann für sich allein betrachtet einen Anfangsverdacht gegen diese Personen nicht begründen", heißt es in dem Dokument.

Bei Hofer war etwa geprüft worden, ob es in seiner Zeit als Infrastrukturminister zu Unregelmäßigkeiten bei der Vergabe von Bauaufträgen gekommen war. Dafür sah die WKStA "keine ausreichenden Verdachtsmomente". Allerdings könnte eine Anzeige der Westbahn Hofer nun wieder unter Druck setzen. Der private Bahnbetreiber behauptet, dass Hofer unrechtmäßig die ÖBB bevorzugt habe und daher Einsparungen in der Höhe von 1,5 Milliarden Euro versäumt habe.

Die beiden Generalsekretäre wurden im Zusammenhang mit dem Ibiza-Video angezeigt; Herbert Kickl soll laut einer anonymen Anzeige eine Spende für den FPÖ-nahen Verein Austria in Motion beworben haben; der ebenfalls von der WKStA geprüft wird. Nur weil Kickl für einen Verein um Spenden geworben habe, könne man "nicht mit der für einen Anfangsverdacht erforderlichen Wahrscheinlichkeit" davon ausgehen, dass er "im Sinne eines strafrechtlich relevanten Tatbeitrags in die Abwicklung der gegenständlich in Prüfung gezogenen 'Großspenden' der im Tatverdacht genannten Unternehmen involviert war". Für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

5. Strache könnte Glück haben, weil das Video schon älter ist

Immer wieder gab es Spekulationen, dass Strache in noch nicht öffentlich einsehbaren Teilen des Videos abwertend über politische Konkurrenten und Partner gesprochen hatte. Nicht zuletzt bei seiner Abschiedsrede hatte sich Strache deshalb bei Altkanzler Sebastian Kurz (ÖVP) entschuldigt.

Ein kleiner Ausschnitt aus dem Video gelangte bereits abseits von "SZ" und "Spiegel" online. Darin verbreitete Strache Gerüchte über den roten Altkanzler Christian Kern, der ihn deshalb auch klagte. Strafrechtlich ist Strache jedoch aus dem Schneider, selbst wenn das vollständige Video auftauchen sollte. Denn üble Nachrede und Beleidigung wären vermutlich bereits verjährt, wie die WKStA schreibt. (Fabian Schmid, 30.8.2019)