Ein Apfel hier, ein Luftballon dort: Beate Meinl-Reisinger versprüht bei ihrer Tour durch die Innsbrucker Innenstadt Optimismus im Hinblick auf eine Regierungsbeteiligung.

Foto: Andreas Fischer

Innsbruck – Beate Meinl-Reisinger ist offenbar eine genaue Leserin des STANDARD. 39 Prozent wollen die Neos in der Bundesregierung, wiederholt die Neos-Chefin ein ums andere Mal eine Zahl, die sie einer Market-Umfrage in dieser Zeitung entnommen hat.

Bei ihrer Wahlkampftour durch die Tiroler Landeshauptstadt gibt sie sich auch ganz als eine Frau, die sich zutraut, ein Regierungsamt zu übernehmen.

Und Österreich zu verändern.

Erfrischendes Selbstbewusstsein

Dieses Selbstbewusstsein kommt gut an in der Bar des Adlers Hotel, zwölf Stockwerke über dem Innsbrucker Hauptbahnhof. "Jetzt bietet sich unsere Chance", ruft Meinl-Reisinger den Fans zu, die dem Neos-Aufruf gefolgt sind, die Mittagspause gemeinsam zu verbringen, um dann, nicht viel bescheidener, einzuräumen: "Ich freue mich über die Zuschreibung, dass ich bisher die Oppositionsführerin war."

Johannes Margreiter und Beate Meinl Reisinger in der Bar des Adlers Hotel.
Foto: Andreas Fischer

Ja, da gehe es um Macht, sagt sie in Anspielung auf ein T-Shirt einer jungen Frau, auf dem sie den Anarcho-Spruch "Keine Macht für niemand" zu lesen vermeint. Tatsächlich steht da "Keine Nacht für niemand", ein Albumtitel der Band Kraftklub; aber das bringt die Rednerin nur kurz aus dem Konzept.

Sie weiß: Kleine Fehler werden von ihren Anhängern verziehen, große eher nicht. "Wir sind auch nicht die besseren Menschen, wir sind auch nicht die Grünen, die das von sich behaupten", sagt sie zur Erheiterung des vorwiegend jungen Publikums, "aber wir sind 365 Tage im Jahr ehrlich und transparent".

Die großen Fehler machten andere, vor allem die FPÖ, die sie aber nur indirekt anspricht – etwa als sie sagt, dass sie auch in Bad Aussee nicht so rede, wie andere es in Ibiza getan haben. Nochmals Lachen, nochmals Applaus.

Absage an die "Neigungsgruppe Rechtsextremismus"

Ein Scherz geht noch, aber jetzt mit mehr politischem Nachdruck: "Die Neigungsgruppe 'Rechtsextremismus und Korruption' hat nichts verloren in der österreichischen Bundesregierung."

Eine Spur ernster wird Meinl-Reisinger dann im Gespräch mit Tiroler Journalisten einräumen, dass sie wenig Illusionen hat: "Für mich stehen die Zeichen auf Neuauflage von Türkis-Blau. Aber natürlich wären alternative Mehrheiten gut", wehrt sie die Frage ab, ob sie sich eine Dreierkoalition mit ÖVP und Grünen vorstellen könne, "die Frage ist ja nicht, was ich dazu sage, sondern was die Österreicher sagen".

"Meet and Greet": Meinl-Reisinger und ihre Fans in der Mittagspause.
Foto: Andreas Fischer

Das Mikrofon in der Adlers Bar hat inzwischen der Tiroler Neos-Spitzenkandidat Johannes Margreiter übernommen. Der Anwalt aus Hall hat seine politische Laufbahn als ÖVP-Gemeinderat begonnen, hat dann eine Bürgerliste gegründet, etwas später beim Liberalen Forum angedockt und ist schließlich 2014 bei den Neos gelandet.

Mitgliedschaft als Geschenk

In der fröhlichen Stimmung hier im zwölften Stock wird ihm eine optische Nähe zu Udo Jürgens attestiert – aber Margreiter verspricht, nicht zu singen. Noch ein Lacher. Stattdessen stellt er den Jonas aus der Innsbrucker Umlandgemeinde Sistrans vor. Der junge Mann hat sich im Vorjahr zu Weihnachten eine Neos-Mitgliedschaft von seinen Eltern gewünscht und bekommen.

Jetzt lässt er sich dafür bejubeln. Und Margreiter, selbst 61, hat seine eigenen, hochbetagten Eltern mitgebracht – er schenkt ihnen je eine Neos-Mitgliedschaft. Alles sehr familiär hier, auch wenn die älteren Gäste eine Minderheit darstellen.

"Macht sonst keiner" lautet ein Wortspiel der Neos zum Thema Macht.
Foto: Andreas Fischer

Mit den Jüngeren zieht Meinl-Reisinger dann in die Innsbrucker Altstadt, verteilt Äpfel und Papierfähnchen, Luftballons und Flyer.

Auch hier: zuversichtliche Ausgelassenheit, die wiederum auf Meinl-Reisinger ansteckend wirkt. Sie erzählt von ihrem Aufenthalt in Alpbach, scherzt, "dass wir dort unter den jungen Leuten wohl die absolute Mehrheit hätten". Sie selbst kommt ja aus der ÖVP und stellt die rhetorische Frage, "warum die ÖVP das Forum Alpbach aufgegeben hat". Vielleicht, mutmaßt sie, weil Alpbach doch recht elitär sei – und die ÖVP vielleicht Sorgen habe, zu wenig volksverbunden zu sein.

Zustimmung in Alpbach, aber nicht beim Greenpeace-Spendensammler.
Foto: Andreas Fischer

Dabei habe sie in Alpbach so viel Zustimmung zum Neos-Plan für eine CO2-Steuer bekommen, "keiner von den Jungen, der nicht gesagt hätte: Bitte machts das mit der CO2-Steuer." Diese Botschaft will sie auch einem Spendenkeiler von Greenpeace vermitteln, den sie auf der Museumsstraße anspricht. Der hat von den Neos-Plänen keine Ahnung – und für inhaltliche Diskussionen auch keine Zeit. Viel Zeit hat auch Meinl-Reisinger nicht: Zur angestrebten Regierungsbeteiligung ist es noch ein weiter Weg. (Conrad Seidl, 2.9.2019)