Ein Versicherungsbetrug, eine Ode an die 1980er Jahre – und eine Seltenheit im deutschen Hauptabendprogramm: Der Frankfurter "Tatort" "Falscher Hase" am Sonntagabend mit den Ermittlern Paul Brix (Wolfram Koch) und Anna Janneke (Margarita Broich), Regie: Emily Atef ("3 Tage in Quiberon", Buch: Lars Hubrich, fand bei der Kritik einige Freunde. Und wie sehen Sie den "Tatort" (diesmal nur in der ARD wegen einer Sondersendung "Menschen und Mächte" zum Jahrestag des Zweiten Weltkriegsbeginns)?

Die Story

Biggi (Katharina Marie Schubert) und Hajo (Peter Trabner) fingieren einen Raub in ihrer vor der Pleite stehenden Firma für Solarpaneele. Sie diskutieren solange darüber, wie Biggi den gefesselten Hajo ins Bein schießen soll, dass die Glaubwürdigkeit steigt, aber die Gesundheitsfolgen überschaubar bleiben. Der Security überrascht sie beim Fachsimpeln – und Biggi schießt ihm so präzise zwischen die Augen, dass man sich über seine weitere Gesundheit keine Gedanken mehr machen muss.

HR/Bettina Müller

Grober Unfug – und großer Spaß

"Dieser Film ist grober Unfug. Und ein großer Spaß", warnt ein ziemlich begeisterter Joachim Schmitz in der Neuen Osnabrücker Zeitung die Fans klassischer Krimis. Und: "Emily Atef rückt die klassischen Tatort-Hauptfiguren phasenweise weit in den Hintergrund, minutenlang sind die Kommissare nicht zu sehen. Dafür umso mehr von Biggi und Hajo, die mit großem komödiantischen Talent von Katharina Marie Schubert und Peter Trabner dargestellt werden. Schubert hatte erst im Mai im Stuttgarter Tatort 'Anne und der Tod' eine Glanzvorstellung als mordende Altenpflegerin gegeben und entwickelt sich mehr und mehr zum heimlichen Tatort-Star des Jahres. Trabner kennt man eigentlich aus dem Dresdner Tatort als Gerichtsmediziner Dr. Falko Lammert."

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Wunderbar skurrile Verstrickungen

Astrid Ebenführer (DER STANDARD) sah den "Tatort" aus Frankfurt offenkundig auch sehr gerne: "Die Autoren Emily Atef (sie führte auch Regie) und Lars Hubrich haben sich wunderbar skurrile Verstrickungen ausgedacht, die sich wie ein roter Faden durch diesen Fall ziehen. Selbstgestrickte Wolljackerln und Hauben inklusive. In diesem "Tatort" ist es nämlich so frostig, wie man es sonst nur aus Schwedenkrimis kennt."

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Gebt uns die Achtziger zurück!

Neun von zehn Punkten vergibt "Tatort"-Kritiker Christian Buß vom Spiegel: "Das muss man sich erst mal trauen: Einen deutschen Gesellschaftskrimi zu drehen, dessen Soundtrack vollgestellt ist mit Achtzigerjahre-Hits. Mit Jennifer Rush, Don Henley und Johnny Logan. Mit Dauerwellen-Powerballaden, Nackenspoiler-Synthie-Rock'n'Roll und Schulterklappen-Pop-Pathos. Es fühlt sich an, als würde in diesem "Tatort" aus Frankfurt die ganze Zeit im Hintergrund ein Chor skandieren: Gebt uns endlich unsere Achtziger zurück!" Buß begeistert an diesem Tatort "aus den aus den verzweifelten Zonen des deutschen Mittelstands: dass wir den Achtzigerjahre-Überlebenden abnehmen, dass sie zu allem bereit sind, um ihre Achtzigerjahre-Welt in die Gegenwart zu retten. Regisseurin Emily Atef, Klugscheißerinnenironie vermeidet sie."

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Flesh for Fantasy

Buß hat noch eine Besonderheit entdeckt: Friedrich Mücke (im Bild links) "hält Monologe als Möchtegern-Gangster im blondierten Billy-Idol-Look, während ihn die Chefin zum Sexspielzeug degradiert und – Flesh for Fantasy! – entwürdigend an seinen Hoden rumfingert. Full frontal nuditybei Männern, das ist ja auch etwas, was sich das deutsche Fernsehen lange nicht getraut hat." (red, 1.9.2019)

Und wie sehen Sie den neuen "Tatort: Falscher Hase" aus Frankfurt, Sonntagabend in der ARD? Hier ist Platz für Ihren Befund:

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