Sebastian Kurz findet Christiane Hörbiger gut, Peter Pilz weniger gut.

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Wien – Peter Pilz braucht nur wenige Augenblicke, bis er von der Moderatorin eine Mahnung zur Mäßigung kassiert. "Er ist ein Feigling", sagt der Jetzt-Spitzenkandidat und meint damit Sebastian Kurz, der wenige Minuten zuvor noch selbst im Studio gestanden ist. Ebendort hat der Ex-Kanzler zugegeben, dass er Zweierdiskussionen mit Pilz absichtlich ausweicht, weil er dessen Art nicht aushalte: "Ich kann diese Skandalisierungen nicht mehr hören. Peter Pilz hat das immer so gemacht, das erspare ich mir."

Nicht gemieden hat Kurz die Konfrontation mit den diversen Wählerinnen und Wähler, die der Sender Puls 4 als Fragesteller für seine "Wahlarena" am Sonntagabend eingeladen hatte. Anstrengend war die von Corinna Milborn und Manuela Raidl geleitete Debatte für den ÖVP-Kandidaten wohl vor allem wegen der beträchtlichen Länge. Argumentativ geriet Kurz jedoch kaum in die Enge.

Dies lag daran, dass die zu den einzelnen Themen nominierten Bürger zum Teil recht unpräzise fragten. So konnte Kurz bei der Mindestsicherung etwa weitgehend widerspruchslos die Verbesserungen für Alleinerzieherinnen ausbreiten, ohne die massiven Kürzungen der Kinderzuschläge argumentieren zu müssen.

Im Clinch mit Kopftuchträgerin

Für einen der stärkeren Momente sorgte eine junge Frau mit Kopftuch. Warum verbaue Kurz mit einem Kopftuchverbot, dass laut ÖVP-Plänen unter anderem auch für Lehrerinnen gelten soll, einer voll integrierten Bürgerin wie ihr die Zukunftschancen, wollte die 18-Jährige in perfektem Deutsch wissen. In einem Land wie Österreich mit einem derart offenen Bildungssystem und großzügigen Leistungen werde niemandem etwas verbaut, hielt Kurz entgegen und konterte mit einem Plädoyer für die Verbannung religiöser Symbole aus öffentlichen Ämtern.

Kurz wurde auch mit jenem Familienvater konfrontiert, der im niederösterreichischen Weikendorf ein Haus kaufen will, aber vom Bürgermeister bekämpft wird. Der frühere Kanzler sagte dem Mann, dass er selbstverständlich als legal lebender Mensch mit österreichischer Staatsbürgerschaft hierzulande ein Haus kaufen könne: "Er wird sein Haus kaufen können." Die Menschen in Weikendorf seien auch keine Rassisten, aber es gehe um das generelle Problem der zu großen Migration, die teils nicht mehr bewältigbar sei, stellte Kurz den Konflikt in einem größeren Zusammenhang.

An jenem Unterstützungsvideo von Christiane Hörbiger, in dem diese den von SPÖ-Chefin Pamela Rendi-Wagner eingebrachten Misstrauensantrag gegen die erste Übergangsregierung unter Kurz als "vollkommen verblödet" bezeichnet, fand Kurz nichts auszusetzen. "Ich habe mich über die prominente Unterstützung gefreut", sagte Kurz.

Sebastian Kurz

Christiane Hörbiger habe nicht Rendi-Wagner als "vollkommen verblödet" bezeichnet, sondern den Misstrauensantrag. Er habe bei seiner Tour durch Österreich sogar noch viel deftigere Worte im Zusammenhang mit der Abwahl der Regierung gehört, so Kurz. Manche werden den Misstrauensantrag richtig gefunden haben, viele aber nicht, "es muss möglich sein, seine Meinung zu sagen". Was ihn gestört habe, seien die Attacken auf Hörbiger nach dem Video, verwies Kurz darauf, dass die Schauspielerin auch schon SPÖ-Politiker unterstützt habe.

Fernsehen und Demokratie

Danach kam Peter Pilz an die Reihe. Für die mangelnde Diskussionsbereitschaft von Altkanzler Kurz fand Pilz drastische Worte, das mediale Format des Fernsehduells musste dafür sogar als Hochamt der Demokratie herhalten. Wenn Kurz glaube, "sich aussuchen zu können, wessen Fragen er sich stellt", dann verlasse er "den Boden der parlamentarischen Demokratie", meinte Pilz. Moderatorin Corinna Milborn ließ sich von dieser politischen Aufwertung ihrer Sendung allerdings nicht schmeicheln: "Na ja, wir reden immer noch über das Fernsehen", schränkte sie ein.

Hitzige Diskussion mit Vertreter der Fleischindustrie

Richtiggehend konfrontativ wurde es, als Johann Schlederer, seines Zeichens Geschäftsführer der österreichischen Schweinebörse, auf den Plan trat. Der Forderung von Pilzens Liste, die Mehrwertsteuer auf Fleisch von zehn auf zwanzig Prozent zu verdoppeln, konnte Schlederer wenig abgewinnen. Das würde nur den heimischen Bauern schaden. Von Massentierhaltung in Österreich wollte Schlederer nichts wissen.

Das wiederum empörte Pilz, der zu einem Plädoyer für die biologische Landwirtschaft ausholte und gegen Tierhaltung unter "tierquälerischen Zuständen" und Vollspaltenböden wetterte. Die abwehrende Haltung seines Gegenübers beweise einmal mehr, dass in der Fleischindustrie einige grundlegende Erkenntnisse noch nicht angelangt seien. Zum Beispiel jene, dass "Tierschutz der beste Klimaschutz" sei. Um die CO2-Emissionen zurückzufahren, müsse Österreich auf eine biologische Landwirtschaft umstellen. Schlederer sei kein guter Interessenvertreter, wenn er die Notwendigkeit einer Umstellung leugne.

Das wiederum wollte Schlederer nicht auf sich sitzen lassen. Es sei nicht lustig, in der Öffentlichkeit immer der Böse zu sein. Und hatte sogleich ein Jobangebot für den jahrzehntelangen Abgeordneten parat: Sobald Pilz' politische Karriere zu Ende sei, könne dieser gerne den Job als Vertreter der Schweineindustrie übernehmen. Wobei er bei der Job-Description durchaus dick auftrug; er sei nämlich "dafür verantwortlich, dass alle jeden Tag ihr billiges Schnitzel kriegen".

Kaffeeangebot für enttäuschten Mitstreiter

An ein baldiges Ende seiner Politikerlaufbahn glaubt Pilz allerdings nicht. In der Vergangenheit seien seiner Liste eine Reihe von Fehlern unterlaufen, doch damit sei es nun vorbei, die Geburtswehen habe man überwunden. Nun habe man Strukturen aufgebaut und auch ein Programm geschrieben, um in Hinkunft geschlossener auftreten zu können.

Ein enttäuschter ehemaliger Aktivist der Liste Pilz nahm dem Parteigründer die Lernfähigkeit nicht so recht ab. Pilz habe sich bei Treffen mit der Basis überhaupt nie blicken lassen und das Engagement von Aktivisten sei nicht gewürdigt worden, sagte der junge Mann im Studio. Pilz konterte und verwies auf die zeitliche Belastung mit der Arbeit in zwei Untersuchungsausschüssen. Zum Schluss bot er dem Maturanten eine Bereinigung der Differenzen bei einem Kaffee an. Ausgang ungewiss. (jo, ta, APA, 2.9.2019)