Ökonom Stefan Schleicher will die Grünen als Vehikel für Wissenstransfer nutzen.

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Es sind große Namen aus Wissenschaft und Forschung, die nun aus dem Schatten der Parteiunabhängigkeit ins Scheinwerferlicht des Wahlkampfes einer Partei treten: Volkswirt und Klimapolitikexperte Stefan Schleicher von der Uni Graz und Kreislaufwirtschaftsexperte Reinhold Lang von der Uni Linz wollen gemeinsam mit anderen prominenten Vertretern aus Forschung und Wirtschaft "mehr Sachkompetenz in die Politik bringen". Die habe in der Vergangenheit nämlich gefehlt – vor allem beim Klimathema habe es in Österreich eher eine "Schein- und Showpolitik" gegeben.

Die Plattform nennt sich Forum Future und lehnt sich damit ganz bewusst an die Fridays-for-Future-Bewegung an: Man wolle die Leistung der zivilgesellschaftlichen Bewegung anerkennen, sagt Lang.

"Ganz großer Umbau"

Gemeinsam bilde man ein "Kompetenzforum", das der Politik die Fakten liefern soll, die sie brauche, um vernünftige Maßnahmen im Bereich Klimaschutz und Ökologie zu setzen. Wobei es dabei auch stark um Wirtschaftsthemen gehe, sagt Schleicher: "Wir brauchen einen ganz großen Umbau unseres Wirtschaftssystems, unseres Lebensstils. Aber so, dass es nicht zu unserem Nachteil ist." Dieser Wandel müsse nämlich nicht zu Einschnitten führen. Im Gegenteil: Eine auf Innovation gegründete, ressourcenschonende Wirtschaftsweise sei ein Boden, dem zahlreiche neue Wirtschaftszweige entwachsen könnten. Der frühere Wifo-Forscher und Gruppenleiter im Finanzministerium, Kurt Bayer, steuert im Forum die finanzpolitische Expertise bei. Birgit Birnstingl-Gottinger von Sekem Austria liefert Fachwissen im Bereich nachhaltiger Energiekonzepte.

Der grüne Spitzenkandidat Werner Kogler betont, dass es die Wissenschafter waren, die auf die Grünen zugegangen seien, nicht umgekehrt. Wobei Lang und Schleicher das Bündnis "nicht als Kompetenzforum der Grünen" verstanden wissen wollen, sondern eher als ein Expertenforum, das sich den effektivsten Weg suche, Expertise in die Politik zu bringen. "Wir sehen da bei den Grünen einfach die größten Chancen", sagt Schleicher.

Import einer US-Tradition

Das Forum sei ein Experiment, sagt Schleicher, Lang nennt es "einen unüblichen Weg": In Österreich gebe es, anders als im angloamerikanischen Raum, noch nicht die Tradition, dass Wissenschafter aus Ökonomie und Ökologie "eine Brücke zur Politik schlagen" und intensive, fachkundige Ratschläge erteilen. Das wolle man nun ändern.

Warum aber ausgerechnet mit den Grünen, nicht als parteiübergreifende Plattform? "Das haben wir in den vergangenen Jahrzehnten versucht. Es hat nur sehr bedingt funktioniert." Das Ergebnis: eine Klima- und Energiepolitik, die "von einem Blick in den Rückspiegel dominiert" sei. "Das ist nicht nur beim Autofahren gefährlich, sondern auch in der Politik", sagt Schleicher.

Einen Blick zurück wirft hingegen Werner Kogler. Die vergangenen "eineinhalb Jahre ohne Grüne im Nationalrat haben gezeigt, was alles zurückgedreht werden kann" – an sinnvollen umweltpolitischen Maßnahmen nämlich. Österreich habe, was die Nutzung erneuerbarer Energien angeht, zwar beste Voraussetzungen, trotzdem sei der Anteil der Erneuerbaren am Stagnieren, sagt Listenzweite Leonore Gewessler.

In den kommenden Wochen bis zur Wahl will das Forum mit mehreren Veranstaltungen auf konkrete Ökothemen aufmerksam machen. Was die Zeit nach der Wahl betrifft, schlägt Kogler am Montag eine Brücke zwischen Ost und West: Jener Flügel der Grünen, der sich – wie etwa Ingrid Felipe in Tirol – für eine Regierungsbeteiligung aussprach, und die Wiener Grünen, die eine Koalition mit Kurz ablehnen, lägen gar nicht so weit auseinander, meint Kogler: Im Grunde seien ja alle für Gespräche. Es sei aber auch allen klar, dass Türkis einen radikalen Kurswechsel einschlagen müsste, "sonst wird das mit uns nix". (Maria Sterkl, 2.9.2019)