Der Zahn der Zeit nagt an den Leistungsmöglichkeiten: Rund ein Drittel aller Arbeitslosen über 50 Jahre hat eine gesundheitliche Vermittlungseinschränkung.

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Es herbstelt in Österreich. Der bald drei Jahre dauernde "Sommer am Arbeitsmarkt" neigt sich langsam dem Ende zu, sagte AMS-Chef Johannes Kopf am Montag anlässlich der vorgelegten Zahlen für den August. Zwar sank die Arbeitslosigkeit im Vergleich zum Vorjahresmonat um 0,3 Prozentpunkte, das sind 14.000 weniger Personen auf Jobsuche. Aber dieser Rückgang war weniger als halb so stark als der vorjährige Rekordwert. Damit reiht sich Kopf in die Riege der Konjunkturbeobachter ein, die ein Ende des Jobbooms erwarten. Zuletzt kamen pessimistische Töne seitens der Wirtschaftsinstitute Wifo und IHS angesichts des unterschätzten Abschwungs in Deutschland.

Konkret zeigt sich das AMS wegen des "nur mehr minimalen Rückgangs" der Arbeitslosigkeit in der Industrie besorgt – ein Vorzeichen für eine Trendwende. Ebenso seien die "nur mehr leicht steigenden offenen Stellen" kein gutes Omen.

Warnsignal

Dass heuer bei der Arbeitslosigkeit unterm Strich ein Minus steht, gilt aber als sehr unwahrscheinlich. Helmut Hofer vom IHS betont, dass der Trend nur langsam kippe. Schließlich gebe es weniger Menschen, die auf den heimischen Arbeitsmarkt kommen. Einerseits sei keine große Flüchtlingsbewegung wie in den vergangenen Jahren zu erwarten, andererseits lasse der Andrang aus Osteuropa nach.

Auch Wifo-Ökonom Rainer Eppel rechnet erst 2020 mit einem Anstieg der Arbeitslosigkeit. Nur der monatliche Trend könnte sich heuer umdrehen. Ein "Warnsignal" sei, dass die Arbeitslosigkeit zum Konjunkturhöhepunkt immer noch deutlich über dem Niveau vor der Krise 2008 liege. Die letzten zehn Jahre hätten gezeigt, dass Personen mit maximal Pflichtschulabschluss, ältere Arbeitnehmer und Menschen mit gesundheitlichen Beeinträchtigungen weniger vom Boom profitiert haben, sagt Eppel. Dadurch tut sich etwa eine Kluft zwischen Jung und Alt auf: Bei Jugendlichen unter 25 Jahren ist die Arbeitslosigkeit im August am stärksten zurückgegangen. Bei Älteren (50 plus) gab es hingegen einen leichten Zuwachs. Beides ist auch Ausdruck der gesellschaftlichen Alterung. Während es insgesamt mehr Beschäftigte über 50 gibt, sinkt die Zahl der unter 25-Jährigen am Arbeitsmarkt.

Wachsende Randgruppen

Längst angekommen ist der wirtschaftliche Abschwung bei einer besonders exponierten Gruppe: Bei Personen mit gesundheitlichen Vermittlungseinschränkungen stieg die Arbeitslosigkeit um 3,5 Prozent im August.

Zahlenmäßig ist das keine Randgruppe: Über 80.000 sind betroffen – jeder vierte Arbeitslose. Bei Älteren sind es über ein Drittel. Die meisten von ihnen haben eine ärztliche Bestätigung für eine eingeschränkte Vermittlungsfähigkeit.

Nur eine Minderheit sind Personen mit Behinderungen, die von gesetzlichen Begünstigungen profitieren. Dazu zählt, dass Unternehmen nach eigenem Schlüssel Menschen mit Behinderung einstellen müssen, sonst drohen Strafen. Derzeit zahlen rund 11.000 Unternehmen so eine Ausgleichstaxe.

Fehlende Mittel seien laut Experten nicht das Problem. Wichtig sei die Aufklärungsarbeit, wie Gregor Demblin, Mitgründer der inklusiven Jobplattform Career Moves (jetzt My Ability Jobs) sagt. "Es gibt mit viel Geld ausgestattete Förderungen, die allerdings erst dann greifen, wenn Unternehmen bereits an der Umsetzung sind."

Eines gelte für alle exponierten Gruppen am Arbeitsmarkt, sagt Wifo-Ökonom Eppel: Vielen fällt es nicht schwer, einen Job zu halten, aber sobald ein Betroffener arbeitslos wird, hat er kaum eine Chance auf eine neue Stelle. Die Politik sollte sich daher auf Prävention konzentrieren. Sei es durch bessere Ausbildung oder Anreize für Betriebe. Auch höhere Mittel für AMS-Betreuer würden sich rechnen, sagt Eppel.

Gerade im Wahlkampf gibt es die Gelegenheit, verschiedene Vorschläge zu debattieren. (Leopold Stefan, 2.9.2019)