Am Montagabend war ÖVP-Chef Sebastian Kurz bei Tobias Pötzelsberger im ORF-"Sommergespräch" zu Gast.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Offiziell veranschlagt hat Sebastian Kurz' Partei laut "Falter" 6,3 Millionen Euro. Aber aus umfangreichen internen Dokumenten gehe hervor, dass der Wahlkampf neun Millionen Euro kosten werde.

Foto: APA/HERBERT NEUBAUER

Er habe gesetzeskonform gehandelt – man könne das Gesetz kritisieren, aber nicht ihn, sagte Kurz im ORF-"Sommergespräch".

Foto: APA / Herbert Neubauer

Im ORF-"Sommergespräch", das auch nasskaltes Herbstwetter konterkarierte, wurde am Montagabend ÖVP-Chef und Ex-Kanzler Sebastian Kurz höchstpersönlich von Moderator Tobias Pötzelsberger zu den jüngsten Vorhalten einer doppelten türkisen Buchhaltung rund um Wahlkampfkosten befragt. Kurz' Replik: In dem entsprechenden "Falter"-Artikel würden teilweise "unwahre Behauptungen" erhoben und auch darauf hingewiesen, dass das Vorgehen der ÖVP durchaus rechtskonform sei.

Als "falschen Vorwurf" führte Kurz etwa an, dass von der ÖVP "Kugelschreiber nicht eingerechnet" würden – das sei "schlicht und einfach falsch". Für heute, Dienstag, stellte er daher einige Klarstellungen zu den Kostenaufstellungen der ÖVP in Aussicht.

Sebastian Kurz (ÖVP) im Gespräch mit ORF-Moderator Tobias Pötzelsberger zum Vorwurf der türkisen Wahlkampfkostenüberschreitung.
ORF

"Das Gesetz" weise zudem darauf hin, dass es laufende Kosten für Parteien gebe – und eben spezielle Wahlkampfkosten, die derzeit nicht sieben Millionen Euro überschreiten dürften. Dazu zückte Kurz ein Foto von Ex-Kanzler Christian Kern (SPÖ) bei einer roten Wahlkampfveranstaltung. Solche Kosten würden auch nicht einberechnet, wenn der Veranstalter nicht eine Partei, sondern ein parteinaher Verein sei, hielt der ÖVP-Chef fest.

Sein Fazit: Nur seine Partei und die Neos hätten im Zuge der jüngsten Reform der Parteienfinanzierung, die SPÖ, FPÖ und Liste Jetzt beschlossen hatten, dem Rechnungshof "wesentlich mehr Rechte" einräumen wollen.

Diese Aussage sei falsch, twitterte Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger prompt – und setzte den Hashtag "#heuchelei" darunter.

An die Kostengrenze von sieben Millionen Euro zwischen Stich- und Wahltag werde sich die ÖVP halten, gelobte Kurz via ORF einmal mehr. Auch dass die Milliardärin und Kunstsammlerin Heidi Goëss-Horten der ÖVP 2018 und 2019 mehr als 900.000 Euro Spenden gestückelt, also in Tranchen unter 50.000 Euro, zukommen ließ, sodass sie nicht sofort an den Rechnungshof gemeldet werden mussten, verteidigte der Ex-Kanzler als gesetzeskonform. "Das Gesetz ist, wie es ist", sagte er. Der einzige Vorwurf, den man seiner Partei machen könne, sei, dass sie es nicht übererfülle – das wäre, so Kurz, "wie wenn ich jemandem vorwerfe, warum er in der 50er-Zone nicht 30 km/h fährt".

Tobias Pötzelsberger sprach im ORF-Sommergespräch mit Sebastian Kurz (ÖVP) auch über Großspender.
ORF

Ob es für Großspender Gegenleistungen gab, wollte Pötzelsberger wissen. Das wäre "Korruption, dafür geht man ins Gefängnis", erklärte Kurz. Dass Verwandte von ÖVP-Gönnern mit Posten bedacht wurden – wie etwa die Tochter von Porr-Aktionär Klaus Ortner, die in den Aufsichtsrat der Staatsholding berufen wurde –, wischte Kurz vom Tisch. Es gebe hunderte Spender, und er habe hunderte Personalentscheidungen getroffen – und nur zwei davon hätten eben Verwandte von Spendern betroffen.

Rot-Grün-Pink als Gefahr

Generell meinte Kurz: "Diese ständige Skandalisierung regt mich mittlerweile ein bisschen auf." Für den Tag nach der Wahl hielt sich Kurz, der am 29. September mehr als 31,5 Prozent der Stimmen bekommen will, "alle Koalitionsvarianten offen". Als "Gefahr" bezeichnete er, dass sich eine Mehrheit von Rot-Grün-Pink ergeben könnte, "denn die werde genutzt" – gemeint war wohl zur Regierungsbildung.

Sebastian Kurz (ÖVP) über Umfragewerte und Koalitionsvarianten im ORF-"Sommergespräch".
ORF

Angesichts seiner Absage an Ex-Ressortchef Herbert Kickl (FPÖ) zu einem Experten als nächsten möglichen Innenminister befragt, erklärte Kurz: Er habe mit Fachleuten in der Regierung gute Erfahrungen gemacht, etwa mit Heinz Faßmann im Bildungsressort. Als Jobdescription für den nächsten Innenminister gab er aus: "Es braucht jemanden mit Expertise, der aber auch moralisch integer ist."

Im Anschluss analysierten Petra Stuiber, stellvertretende Chefredakteurin des STANDARD, und der Politikwissenschafter Peter Filzmaier das "Sommergespräch" mit dem ÖVP-Obmann.
ORF

(Nina Weißensteiner, 2.9.2019)