Karl Nehammer stellt eine Klage der ÖVP gegen den "Falter" in Aussicht.

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Die ÖVP streitet alles ab. Was der "Falter" berichtet, sei falsch. Die Volkspartei würde weder "bewusst" die finanzielle Wahlkampfobergrenze überschreiten noch die Wähler oder den Rechnungshof "täuschen", schreibt der türkise Generalsekretär Karl Nehammer in einer Aussendung am Dienstag. Die ÖVP will das Wiener Wochenblatt nun klagen – man tue das "nicht leichtfertig". Doch es sei eine Grenze überschritten worden, ist der Funktionär überzeugt.

In einem aktuellen Bericht ist von einer geheimen Buchaltung der Volkspartei unter Sebastian Kurz die Rede und von "Verschleierung der Wahlkampfkosten". ÖVP-Generalsekretär Nehammer kündigt an, vor Gericht zu ziehen.
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Faktisch widerlegen will die Volkspartei die Vorwürfe allerdings auch nicht wirklich. Zu den im belastenden Bericht genannten Summen will sich die ÖVP nicht äußern. Man kenne die dem "Falter" vorliegenden Dokumente nicht, so die Begründung. "Wir können nicht beurteilen, ob der 'Falter' bewusst falsche Behauptungen aufgestellt hat oder man verfälschten oder gefälschten Unterlagen aufgesessen ist", sagt Nehammer.

Legales Tricksen

Übrig bleibt: Es gibt Unterlagen, mit denen das Wochenmedium belegen will, dass die ÖVP plant, durch Umschichtungen im Budget gezielt mehr Geld als die grundsätzlich erlaubten sieben Millionen Euro in ihren Wahlkampf zu investieren. Man muss dazusagen: wie es aussieht, im Rahmen der legalen Möglichkeiten.

Unangenehm für das Team von Kurz ist das trotz allem auch deshalb, weil die ÖVP bereits im Jahr 2017 fast doppelt so viel ausgegeben hat wie erlaubt – obwohl damals stets beteuert wurde, man werde die Grenze einhalten. Auch in diesem Wahlkampf versicherten zahlreiche ÖVP-Funktionäre und Parteichef Sebastian Kurz immer wieder, sich an die Obergrenze zu halten.

Glaubt man den Unterlagen des "Falter", führt die ÖVP eine Art doppelte Buchhaltung, durch die gewisse Posten eben nicht unter Wahlkampfkosten fallen. Möglich wäre das, da die Parteifinanzen bis heute nicht vom Rechnungshof geprüft werden können und das Kontrollorgan auf die Angaben der Parteien angewiesen ist. Experten kritisieren diese Praxis seit langem. Die "hier aufgezeigten kreativen Verrechnungen" seien ein nun "besonders gutes Argument" für die Ausweitung der Prüfkompetenzen, findet der Parteienfinanzierungsexperte Hubert Sickinger.

Altbekannte "schwarze Kassen"

Die Schwierigkeiten der ÖVP, transparent und sauber zu haushalten, sind altbekannt. Erst im Juni 2019 zeigte ein Gutachten, das von der Staatsanwaltschaft Wien in Auftrag gegeben wurde, dass die Partei zwischen 2005 und 2012 eine "schwarze Kasse" bei der Agentur Mediaselect gehabt haben soll. Das System dahinter laut Gutachter Matthias Kopetzky: Bestimmte Großspender überweisen Geld an die Mediaselect, beispielsweise die Raiffeisenbank Oberösterreich. Die ÖVP bestellt dann Leistungen bei der Agentur, die weniger verrechnet und den fehlenden Betrag aus der "schwarzen Kasse" holt. Das bestreitet die Mediaselect, es gilt die Unschuldsvermutung.

Fakt ist, dass etwa die Raiffeisenbank die Volkspartei generös bedachte: "Lieber Ludwig, ich möchte dir herzlich dafür danken, dass du zugesagt hast (...), den kommenden Nationalratswahlkampf in einem großartigen Ausmaß zu unterstützen", schrieb im Jahr 2006 der damalige Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) dem oberösterreichischen Raiffeisen-Chef Ludwig Scharinger. Fast 800.000 Euro sollen durch diverse Unterstützter bis 2012 bei der Mediaselect gesammelt worden sein.

Sebastian Kurz gab vor, mit diesem System Schluss machen zu wollen. Aus den schwarzen Kassen sollte türkise Transparenz werden und die Wahlkämpfe von Kurz von Kleinspendern getragen werden.

Die alten Netzwerke blieben dennoch bestehen: Die ÖVP bucht weiterhin bei der Nachfolgerin der Mediaselect gleichen Namens, die am 4. Juli – also fünf Tage vor dem Stichtag für Wahlkampfausgaben 2019 – eine Rechnung über 430.000 Euro legte. Und 2017 nahm die Partei, offenbar in dem Wissen, die Wahlkampfkostengrenze nicht einhalten zu wollen, einen Großkredit bei der Raiffeisenbank auf. Dieser lag bei über 15 Millionen Euro – laut "Falter" sollen als Sicherheit die Parteienförderungen hinterlegt worden sein. (Katharina Mittelstaedt, Fabian Schmid, 3.9.2019)