Anwalt M. selbst war bei den Aufzeichnungen auf Ibiza nicht zugegen. Er soll aber den Kontakt zwischen dem damaligen FPÖ-Klubchef Johann Gudenus und dem Lockvogel hergestellt haben.

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Wien – In der Causa Ibiza-Video sind aktuell nicht nur Staatsanwaltschaften in Österreich und Deutschland sowie eine eigene Soko Ibiza im Bundeskriminalamt mit Ermittlungen beschäftigt. Auch die Rechtsanwaltskammer Wien untersucht den Ibiza-Skandal seit Ende Mai, wie die Kammer selbst bekanntgab.

Grund ist die Involvierung des Wiener Rechtsanwalts M. in den Fall. Der Anwalt, der weiterhin eine identifizierende Berichterstattung untersagt, hat über seinen Anwalt Richard Soyer seine Mitwirkung am Zustandekommen des Videos eingestanden. M. bezeichnete es als "zivilgesellschaftlich motiviertes Projekt, bei dem investigativjournalistische Wege beschritten wurden". Er habe aber "kein strafbares Verhalten gesetzt, noch an einem solchen mitgewirkt".

Dabei soll M. vor den Anbahnungsgesprächen zwischen Ex-FPÖ-Klubchef Johann Gudenus und dem Lockvogel, einer vermeintlichen russischen Oligarchennichte mit lettischem Pass, im Vorfeld des Ibiza-Treffens eine Hauptrolle als Kontaktvermittler gespielt haben: Laut Staatsanwaltschaft Wien steht M. im Verdacht, an der Verwendung eines falschen lettischen Reisepasses zum Beweis der vermeintlichen Identität des Lockvogels mitgewirkt zu haben.

Hausdurchsuchungen durchgeführt

Untersucht wird das mögliche Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden, aber auch der Missbrauch von Tonaufnahme- oder Abhörgeräten. Vor zwei Wochen fanden "am Kanzleisitz sowie an der Wohnadresse eines beschuldigten Rechtsanwaltes Hausdurchsuchungen statt", wie die Staatsanwaltschaft Wien bekanntgab. Es gilt die Unschuldsvermutung.

Laut Staatsanwaltschaft ist das Verfahren weiter "offen", wie ein Sprecher am Dienstag sagte. Es gebe viele sichergestellte Unterlagen zu sichten.

Offenes Verfahren auch bei Anwaltskammer

Auch die Rechtsanwaltskammer prüft seit mehr als drei Monaten, ob Anwalt M. standesrechtliche Verfehlungen begangen hat. "Es ist weiterhin ein laufendes Verfahren", sagte ein Sprecher der Kammer auf STANDARD-Anfrage. Weitere Auskünfte zur disziplinarrechtlichen Untersuchung würden vorerst nicht erteilt.

Damit bleibt auch offen, wie die Anwaltskammer M.s Verteidigung beurteilt, der sich auf "investigativjournalistische Wege" beruft. Kammerpräsident Michael Enzinger wollte sich auf Anfrage nicht näher äußern. Ende Mai sagte Enzinger zur Presse, dass die Kammer insbesondere dem Verdacht der Geldwäsche nachgehe.

M. selbst äußert sich öffentlich vorerst nicht. Sein Anwalt Soyer verweist bei Anfragen seit Monaten auf jene Pressemitteilung von Ende Mai, in der die Mitwirkung am Ibiza-Video eingestanden wurde. Nicht beantwortet werden auch Fragen, ob M. aktuell anwaltlich tätig ist. Die Kanzlei ist jedenfalls in Betrieb.

Nach der Veröffentlichung der Ibiza-Videos traten Gudenus sowie FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache von ihren politischen Ämtern zurück. Ermittlungen gegen Strache und Gudenus wegen der im Video getätigten Aussagen laufen noch wegen des Vorwurfs der Untreue.

Ex-FPÖ-Spitze geht juristisch in die Offensive

Auf der anderen Seite gehen Gudenus und Strache aber auch in die Offensive: Sie nehmen die Verantwortlichen und teils noch nicht bekannten Hintermänner des Ibiza-Videos juristisch unter Beschuss. Gudenus klagte zuletzt Anwalt M. als Drahtzieher des Videos direkt. Strache hatte schon im Mai M., den ebenfalls involvierten Wiener Detektiv H. sowie den "Lockvogel" angezeigt. In Deutschland erstattete Strache Anzeige gegen alle Personen, "die für die Herstellung, Verbreitung und Veröffentlichung des sogenannten Ibiza-Videos mitwirkend verantwortlich sind".

Bei der Staatsanwaltschaft Hamburg blitzte Strache aber wie berichtet ab, die Ermittlungen in München laufen hingegen noch. Gegen die Entscheidung der Behörde in Hamburg, die keinen hinreichenden Tatverdacht sah, legte Strache Beschwerde ein: Unter anderem verneine die Behörde "völlig rechtsirrig" einen in Deutschland gelegenen Tatort, "obgleich jedenfalls die Veröffentlichung und Verbreitung des Videos von Deutschland aus erfolgte", wie Straches deutscher Anwalt Ben Irle sagte.

Zudem kündigte Irle weitere juristische Maßnahmen Straches an: "Der Anstoß strafrechtlicher Maßnahmen in Spanien und zivilrechtliche Maßnahmen in Deutschland werden derzeit geprüft." (David Krutzler, 4.9.2019)