Präsentation der ÖVP-Plakatserie: Nicht alles, was eine Partei im Wahlkampf ausgibt, ist notwendigerweise eine Wahlkampfausgabe.

Foto: APA/GEORG HOCHMUTH

Frage: Wie viel dürfen die Parteien für den Wahlkampf ausgeben?

Antwort: Sieben Millionen Euro, so schreibt es das Parteiengesetz seit 2012 vor. Gerechnet werden die Ausgaben in den letzten 82 Tagen vor der Wahl. Für den diesjährigen Urnengang am 29. September ergibt sich als Stichtag der 9. Juli.

Frage: Ganz schön viel Geld. Haben sich die Parteien in der Vergangenheit an diese Grenze gehalten?

Antwort: Nicht alle. Bei der Nationalratswahl 2017 haben die drei größten Parteien den Rahmen überzogen: Die SPÖ gab 7,4 Millionen aus, die FPÖ 10,7 Millionen, die ÖVP gleich 13 Millionen. Auch 2013 hat die Volkspartei den Rahmen gesprengt – und bereits damals ziemlich wortgleich wie 2017 Besserung gelobt: Man werde ein effektives System zur internen Kontrolle installieren.

Frage: Doch jetzt macht die ÖVP erst recht wieder Schlagzeilen. Warum?

Antwort: Dem Falter wurden interne Dokumente zugespielt, die eine Art doppelte Buchhaltung der ÖVP zeigen: Demnach wurde in einem groben Budgetplan für die Nationalratswahl zwischen Ausgaben unterschieden, die ins offizielle Wahlkampfbudget einfließen, und solchen, die unter "Nicht-WK" – also Nicht-Wahlkampf – verbucht sind. Beide Posten zusammengezählt, kommt man auf Ausgaben von neun Millionen.

Frage: Erlaubt das Gesetz denn eine solche Trennung?

Antwort: Ja. Laufende Kosten, etwa für Personal, die auch außerhalb des Wahlkampfes anfallen, müssen nicht unter diesem Titel verbucht werden. Aber da gibt es Grauzonen. Zählen etwa Kugelschreiber nur dann zum Wahlkampf, wenn "Wählt Kurz" draufsteht, oder auch dann, wenn nur "Kurz" zu lesen ist? Oder, anhand eines aktuellen, vieldiskutierten Beispiels: Die ÖVP hat die Kosten für Kurz' sommerliche PR-Wandertour "Bergauf" nicht als Wahlkampfkosten deklariert. Dabei wurde zumindest ein Tourfoto sogar für ein Wahlplakat verwendet.

Frage: Verstößt die ÖVP damit also gegen das Gesetz?

Antwort: Seine Partei halte sich genau an die Gesetze, beteuert Kurz. Franz Fiedler, Ex-Rechnungshofpräsident mit ÖVP-Hintergrund, will das nicht so einfach attestieren. Für die Argumentation der ÖVP spricht, dass Kurz auch im Nichtwahljahr 2018 vor Kameras wandern ging; doch wenn dafür heuer viel mehr Geld ausgegeben wurde als im Vorjahr, dann spräche das wieder dafür, dass es sich doch um Wahlkampf handelte, sagt Fiedler: All das gehöre genau geprüft.

Frage: Geschieht das denn?

Antwort: Nein, bemängeln Experten. Der Unabhängige Parteien-Transparenz-Senat soll zwar bis sechs Monate nach der Wahl Schätzungen über die realen Wahlkampfkosten liefern, und bis ein Jahr nach der Wahl müssen die Parteien ihre Ausgaben von Wirtschaftsprüfern beglaubigen lassen und dem Rechnungshof melden. "Doch das ist so, als wenn bei einem Mord die Kripo nicht selbst zum Tatort kommt, sondern einen Privatdetektiv schickt", sagt Fiedler und fordert, dass der Rechnungshof selbst ad hoc direkt in die Parteifinanzen Einschau halten dürfe. Auch die Prüfinstitution selbst wünscht sich diese Kompetenz, doch bisher gab es dafür keine Mehrheit. Am Dienstagabend kündigte Kurz in der Ö1-Sendung "Klartext" aber an, einer stärkeren Kontrolle durch den Rechnungshof zuzustimmen.

Frage: Steht nur die angebliche doppelte Buchführung in der Kritik?

Antwort: Nein. Es geht auch darum, dass die ÖVP laut Falter just wenige Tage vor dem Stichtag hohe Ausgaben für Werbeagenturen in der Höhe von rund 900.000 Euro verbucht hat. Da liegt der Verdacht nahe, dass vorab Kosten für die Wahlkampagne beglichen wurden.

Frage: Erlaubt das Gesetz denn, dass rechtzeitig viel Geld rausgepulvert wird, um das Limit einzuhalten?

Antwort: Ja. Das hängt auch damit zusammen, dass die Abrechnung nach einer sehr einfachen Einnahmen-Ausgaben-Rechnung abgewickelt wird. Das heißt: Selbst wenn eine Partei Plakatflächen für den Intensivwahlkampf bucht, sind das nach dem Gesetz keine Wahlkampfkosten, sofern die Rechnung vor dem Stichtag einlangt. Allerdings bedeute die formale Einhaltung einer Regel noch nicht, "dass man auch moralisch richtig handelt", gibt Fiedler zu bedenken und sieht in dieser Praxis einen "Verstoß gegen den Geist des Gesetzes". Der auf Parteifinanzen spezialisierte Politologe Hubert Sickinger urteilt: Kurz habe das Gesetz ausgereizt – und "möglicherweise überreizt".

Frage: Welche Strafen drohen bei Verstößen?

Antwort: Laut der im Juli beschlossenen Verschärfung des Parteiengesetzes ist ein gestaffelter Strafrahmen vorgesehen, der bei 15 Prozent des Überziehungsbetrags beginnt. Wird das Kostenlimit um mehr als die Hälfte überschritten, wird die maximale Pönale von 150 Prozent fällig.

Frage: Und wie halten das die anderen Parteien?

Antwort: Gute Frage – wir wissen es nicht. Alle Parteien beteuern, die Wahlkampfkostenobergrenze einhalten zu wollen. Ob das tatsächlich passiert, erfahren die Wähler erst nach Veröffentlichung der Rechenschaftsberichte im Jahr 2021. Aktuelle Transparenz lassen derzeit nur die Neos und die Grünen walten: Sie veröffentlichen alle Wahlkampfausgaben online, die Pinken tragen sogar jede einzelne Rechnung ein. (Sebastian Fellner, Gerald John, 3.9.2019)