Einparteienregierungen sind in Europa unüblich und auch vor der kommenden Nationalratswahl sind Koalitionsmöglichkeiten wieder ein Top-Thema.

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Koalitionsregierungen sind in Europa eher die Regel als die Ausnahme. Nur wenige Länder wie etwa Großbritannien oder Spanien werden häufig von Einparteienregierungen geführt. Vielmehr ist es üblich, dass sich nach einer Wahl zwei oder mehr Parteien zusammenschließen und eine Koalition bilden. Für die Koalitionspartner bedeutet die Übernahme von Regierungsverantwortung die Möglichkeit zur politischen Gestaltung sowie die Besetzung politischer Ämter während der Legislaturperiode. Nach deren Ablauf sind wieder die Wählerinnen und Wähler am Wort und geben auch eine Bewertung der politischen Bilanz ab.

Eine neue Studie der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität von Pittsburgh hat nun diese Bewertung von Koalitionspartnern am Wahltag genauer beleuchtet. Heike Klüver und Jae-Jae Spoon haben die Wahlergebnisse von insgesamt 307 Parteien in 219 west- und osteuropäischen Wahlen zwischen 1972 und 2017 untersucht. Das Ergebnis: Der Juniorpartner schneidet signifikant schlechter ab als die Partei des Regierungschefs beziehungsweise der Regierungschefin. Die Forscherinnen sehen insbesondere zwei Gründe als ursächlich an. Erstens ist die Umsetzung der eigenen Inhalte aufgrund der im Vergleich zum Regierungspartner geringeren politischen Macht schwieriger. Zweitens ist es in einer Koalition gerade für den kleineren Partner eine besondere Herausforderung, das eigene Profil gegenüber den Wählerinnen und Wählern zu vermitteln.

Der Seniorpartner einer Koalition ist jene Partei, die den Bundeskanzler zum Zeitpunkt der Wahl gestellt hat. Der Juniorpartner ist jene Partei, die den Vizekanzler oder die Vizekanzlerin zum Zeitpunkt der Wahl gestellt hat. Die Wahl 1983 ist nicht angeführt, da zu diesem Zeitpunkt eine SPÖ-Alleinregierung im Amt war.

Auch für Österreich trifft das Ergebnis insgesamt zu (Vergleichszeitraum ab 1986), wenn auch der Unterschied gering ist. Durchschnittlich haben die Juniorpartner in einer Koalitionsregierung 2,5 Prozentpunkte verloren, die Kanzlerparteien 1,5 Prozentpunkte. Aus der Grafik geht allerdings hervor, dass dieses Ergebnis vor allem auf eine Wahl, nämlich jene im Jahr 2002, zurückzuführen ist. Damals verlor die FPÖ als Juniorpartner knapp 17 Prozentpunkte, während die ÖVP gut 15 Prozentpunkte wettmachen konnte. Für die übrigen Wahlen zeigt sich, dass bei einer Wahl häufig beide Regierungsparteien Stimmenverluste hinnehmen mussten. Für den Juniorpartner (ÖVP) waren diese 1990 und 2008 höher als für den Seniorpartner (SPÖ). 1986, 1994, 1999, 2013 (SPÖ) und 2006 (ÖVP) waren die Verluste allerdings für den Seniorpartner höher.

Den Umfragen der letzten Wochen zufolge wird die kommende Wahl wiederum für den ehemaligen Seniorpartner ÖVP besser ausfallen als für den ehemaligen Juniorpartner FPÖ. Wie das endgültige Ergebnis aussehen wird, wissen wir noch nicht. Der Intensivwahlkampf hat gerade erst begonnen. (Katrin Praprotnik, 4.9.2019)