Ohne Verbündete könnten die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Interessen nicht wahren, mahnte James Mattis, als er Anfang des Jahres das Kabinett von Präsident Donald Trump verließ.

In Washington sagt man, James Mattis sei mit dem Militär verheiratet. In seinen Memoiren zeigt er jedenfalls auch diplomatisches Gespür.
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Die Stärke des Landes sei untrennbar verbunden mit einem einzigartigen Geflecht von Allianzen und Partnerschaften. Gut acht Monate später hat der ehemalige US-Verteidigungsminister den roten Faden seines Rücktrittsschreibens zu einem Memoirenband ausgeweitet.

Darin geht es nicht nur um die Stationen einer 40-jährigen Karriere beim Militär – es geht vor allem auch um die Weltsicht eines Mannes, den viele im Nachhinein als den letzten Internationalisten in der Regierung Trumps bezeichnen.

Warnung vor Isolationismus

"Nationen mit Bündnispartnern blühen auf, Nationen ohne sie verkümmern", schreibt Mattis in Call Sign Chaos: Learning to Lead – einem Buch, das er als Ratgeber für Menschen in Führungspositionen verstanden haben will. Wären sie auf sich allein gestellt, könnten die USA weder ihre Bevölkerung noch ihre Wirtschaft schützen. Dann folgt eine Passage, die man als Abrechnung mit Trump lesen kann – dem Präsidenten, der sich via Twitter nahezu täglich mit irgendwem anlegen muss.

Den Polemiker zu spielen, das reiche nicht, um zu führen, moniert Mattis. Wer führen wolle, müsse strategisch weise handeln, wozu Respekt jenen Ländern gegenüber gehöre, die an der Seite Amerikas standen, als Gefahren aufgezogen waren.

Wer die Interessen all jener Nationen in Rechnung stelle, mit denen man gemeinsame Sache machen könne, komme besser zurecht in der unvollkommenen Welt, in der man nun einmal lebe. Die Alternative dazu wäre, in die Isolation abzudriften. Zunehmende Einsamkeit aber setze die USA einem höheren Risiko aus.

"Der Kriegermönch"

Mattis war Trumps erster Pentagon-Chef – ein Junggeselle mit den Gesichtszügen eines Asketen, de facto verheiratet mit der Marineinfanterie, weshalb ihn Kolumnisten den "Kriegermönch" nannten. Dass er berufen wurde, so blendet er zurück, sei für ihn völlig überraschend gekommen. Es war die Zeit, in der Trump, der selber nie gedient hatte, einen General nach dem anderen in den inneren Zirkel der Macht holte; Leute wie John Kelly und James Mattis, die schon äußerlich dem entsprachen, wie er sich einen kantigen Soldaten vorstellte.

Gut ein Jahr lang bemühte sich Mattis im Zusammenspiel mit dem damaligen Außenminister Rex Tillerson, einem Gleichgesinnten, den "America First"-Slogan des Präsidenten durch elegante Korrekturen abzumildern – manchmal geschah das auch durch Widerrede.

Im März 2018 wurde Tillerson gefeuert, im Dezember nahm er selber seinen Hut. Den Anlass bot die – später zurückgenommene – Entscheidung des Weißen Hauses, das kleine US-Kontingent aus Syrien abzuziehen und damit, so sah es Mattis, jene kurdischen Verbündeten im Stich zu lassen, die im Kampf gegen die Fanatiker des "Islamischen Staates" die Hauptlast zu tragen hatten.

Kronzeuge gegen Trump?

Es liegt nicht an der Nacherzählung eines Zerwürfnisses, dass die Erinnerungen eines Ex-Ministers einen solchen Hype entfachen. Vielmehr hoffen Trumps Widersacher auf eine Art Kronzeugen, der mit dem Wissen des Insiders schildert, wie überfordert dieser Pokerspieler im Oval Office ist.

Bisher hat sie Mattis auf einen unbestimmten Tag in der Zukunft vertröstet. Die Zeit werde kommen, da er über Strategie rede, "aber an dem Punkt bin ich noch nicht", sagte er dem Fernsehsender PBS, dem er ein längeres Interview gab.

Aus der Zuschauerperspektive, von den "billigen Plätzen", auf denen er heute sitze, stehe es ihm nicht an, den Kurs eines Staatschefs zu kritisieren, solange der sein Amt ausübe. Im Übrigen sei es amerikanische Tradition, dass sich die Armee nicht in die Politik einmische – allein schon deshalb, um nicht zwischen den Fronten hitziger Debatten zerrieben zu werden. Und er verstehe sich trotz des Intermezzos im Pentagon eben als Militär.

Stoizismus versus Jähzorn

So abwiegelnd das klang, so reichte es manchem doch schon, um herauszustellen, was einen James Mattis von einem Donald Trump trennt. Hier ein Stoiker, der die Institutionen respektiert und die Verfassung achtet – dort ein zum Jähzorn neigender Egomane, der auf nichts und niemanden Rücksicht nimmt: Was für ein Kontrast!

Oder diese Zeilen: ein Aufruf zur Bescheidenheit. "Wenn du nicht Hunderte von Büchern gelesen hast, bist du im Grunde ein Analphabet", schreibt Mattis. "Du wirst inkompetent sein, denn deine persönlichen Erfahrungen allein sind nicht stark genug, um dich zu tragen." (Frank Herrmann aus Washington, 3.9.2019)