Bauen schadet dem Klima, hieß es Dienstagabend bei einer Diskussion zum Thema Baukultur im Wiener Architekturzentrum. Dabei sind nicht die Gebäude an sich der große Brocken, "zu zwei Dritteln ist der Verkehr für den CO2-Ausstoß verantwortlich, zu einem Drittel die Gebäude selbst", weiß Renate Hammer von der Plattform Baukulturpolitik.

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Wenn Bauplätze leer bleiben, freut sich die Umwelt am meisten.
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Denn durch die Zersiedelung steigt das Verkehrsaufkommen, die Menschen müssen sich öfter ins Auto setzen und weitere Strecken fahren. "Der große Hebel im Klimaschutz sind die Siedlungsstrukturen", sagt auch Robert Temel, ebenfalls von der Plattform Baukulturpolitik.

Unter diesem Namen haben sich verschiedene Institutionen zusammengeschlossen und sich zur Aufgabe gemacht, die Qualität von Baukultur in Österreich zu verbessern. Der Begriff umfasst die gesamte gebaute Umwelt, von der architektonischen Gestaltung von Gebäuden über Denkmäler, Städte- und Siedlungsbau bis zur Landschafts- und Verkehrsplanung.

Kuh mit Durchfall

Im Vorfeld der Nationalratswahl hat die Plattform nun Vertreter der Parteien zu einer Diskussionsrunde geladen, bis auf die Liste Jetzt sind alle der Einladung gefolgt. Und, zumindest theoretisch, ist man sich auch in der Politik der Dringlichkeit des Themas bewusst.

Schaue man etwa aus der Luft auf das deutsche Bundesland Bayern herab, erzählt Grünen-Vertreterin Nina Tomaselli anschaulich, seien die Orte wie kompakte Kuhfladen in der Landschaft verteilt. "Schaut man auf Österreich, könnte man meinen, die Kuh hatte Verdauungsprobleme", so die stellvertretende Klubobfrau der Grünen im Vorarlberger Landtag über Österreichs Problem mit Zersiedelung.

Apropos, im Westen des Landes sei man in puncto Baukultur schon weiter, berichtet Tomaselli. Das Thema wird in der Öffentlichkeit breit diskutiert. Die Grüne erzählt etwa vom Projekt Geisterhäuser in Lustenau, bei dem sich schon Kinder mit Leerstand in Ortskernen beschäftigen.

Auch im Rest Österreichs müsse das Bewusstsein für Baukultur steigen, sind sich die Diskussionsteilnehmer aller Parteien bei der Veranstaltung einig. Auch wenn sich, so berichtet Moderatorin Rosa Lyon, in keinem der Wahlprogramme das Wort Baukultur wiederfinde.

Bessere Kommunikation

Größtes Problem, so stellt sich schnell heraus, ist die fehlende übergeordnete und bundesweite Strategie zur Steuerung im Bereich Raumplanung. Bundesländergrenzen würden aktuell noch viel verhindern, sagt etwa Stefan Gara, bei den Wiener Neos Sprecher für Stadtentwicklung und Planung. So würden etwa zu viele und unnötige Straßen gebaut, weil Bundesländer nicht miteinander sprechen, sagt Gara weiter.

Ähnlicher Meinung ist Philipp Schrangl, Nationalratsabgeordneter der FPÖ: "Eine übergeordnete Instanz muss durchgreifen und etwa in Niederösterreich sagen: 'Wir machen das jetzt.'" So könnte man etwa die Mobilität steigern und Wohnkosten senken, "wenn die U-Bahn nicht an der Stadtgrenze endet", so Schrangl. Er wünscht sich mehr Kommunikation und Vernetzung zwischen den Bundesländern. "Wir haben zu wenig Vorstellung, wie eine ganze Region aussehen könnte", sagt auch der ÖVP-Vertreter und Nationalratsabgeordnete Andreas Ottenschläger.

Aktuell sind in Österreich die Länder und die Gemeinden für Raumplanung verantwortlich. In diesem Punkt, so hieß es von den Diskussionsteilnehmern, sei eine 15a-Vereinbarung, also eine bindende Übereinkunft zwischen Bund und Ländern, eine Option. Benannt ist diese nach dem entsprechenden Artikel im Bundesverfassungsgesetz. Zur Vorsicht mahnt in diesem Punkt jedoch Ottenschläger von der ÖVP: Länder und Gemeinden könnten das Gefühl haben, der Bund entscheide "von oben herab".

Steuern umverteilen

Auch der Umgang mit der Wohnbauförderung ist den Diskussionsteilnehmern ein Dorn im Auge – denn von einheitlichen Förderbedingungen ist Österreich weit entfernt, die Bundesländer haben zum Teil eklatante Unterschiede bei ihren Kriterien. Diese ändern sich zudem alle paar Jahre. Der ehemalige Kulturminister und SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda kritisiert: "Diese Gelder werden als Lohnabgabe vom Bund eingehoben, und dann machen die Bundesländer damit, was sie wollen."

Eine weitere Steuer, die laut manchem Parteivertreter falsche Anreize setzt, ist die Kommunalsteuer. In den Gemeinden entscheiden nicht Experten, sondern Politiker, ob etwa ein neues Einkaufszentrum am Stadtrand gebaut wird, obwohl das die Verkehrsbelastung ankurbelt und an anderer Stelle im Ort Gewerbeflächen leerstehen. "Und die Politiker wollen oft nur die Kommunalsteuer", sagt Tomaselli von den Grünen und fragt: "Warum muss immer die Gemeinde die Kommunalsteuer bekommen, in der das Einkaufszentrum steht?" Ihr Vorschlag wäre, sie etwa dort auszuzahlen, wo die Menschen wohnen, die in den Geschäften arbeiten.

Ottenschläger von der ÖVP entgegnet: "Und wer will dann noch Betriebe haben?" So einfach sei diese Rechnung nicht, gibt er zu Bedenken. Ziel von Baukultur ist seiner Meinung nach, wirtschaftliches Denken und hochwertiges Bauen in Einklang zu bringen.

Zu viele Flächen

In puncto Gewerbeflächen hat Österreich jedenfalls einen problematischen Überhang. Der Anteil an Supermarkt- und Verkehrsflächen pro Kopf ist so hoch wie nirgends sonst in Europa, weiß Drozda. Er fordert Gestaltungsbeiräte, also Architekten, die Gemeinden, Stadtverwaltungen und Politiker zu neuen Bauprojekten beraten, auch in kleineren Kommunen. Bisher gibt es diese nur in größeren Städten. Heute werde oft zu schnell gebaut, kritisiert er: "Der Baumeister plant, der Bürgermeister sagt Ja, Beirat gibt es keinen."

Gara von den Neos fordert, statt Verkehrsmitteln Mobilität zu fördern. Zudem sollten Qualitätskriterien an Fördermittel gebunden werden. "Man könnte etwa die Frage stellen: Wie viel Verkehr induziert diese Immobilie? Und sie dementsprechend fördern", so Gara.

Tomaselli kritisiert Förderungen für den Neubau generell, vor allem in strukturschwachen Regionen. Dort sollte ihrer Meinung nach vermehrt in Leerstand investiert werden, denn für das Klima sei jenes Haus das Beste, "das gar nicht erst gebaut wird." Und, so Tomaselli weiter: "Verdichtung ist nicht negativ, historische Orte waren immer dicht besiedelt." Österreich solle nutzen, was schon da ist, sagt sie – und: "Wir haben 25 Prozent Baulandüberhang. Wir sollten diesen nutzen, bevor wir außen an den Siedlungsrändern weiter dazubauen." (Bernadette Redl, 5.9.2019)