Einige unidentifizierte Schnabelwale, die in der Nemuro-Straße zwischen Hokkaido und den Kurilen gesichtet wurden.
Foto: Tadasu K. Yamada et al., Scientific Reports

Es mag erstaunlich klingen, aber man kann tatsächlich auch heute noch Megafauna entdecken, die der Wissenschaft bislang nicht bekannt war. Aktuelles Beispiel ist eine Spezies von Walen, die japanische Forscher nun in der Fachzeitschrift "Scientific Reports" vorgestellt haben.

Fischer, die im Ochotskischen Meer zwischen Japan und Sibirien auf Fang gingen, hatten in der Vergangenheit immer wieder davon berichtet, dass es dort Wale gebe, die sich von den bekannten Arten unterscheiden sollen. Sie bezeichneten die Tiere als Kurotsuchikujira und Karasu – wobei es unklar blieb, ob es sich dabei um zwei Namen für dasselbe Tier handelt oder nicht.

Auf Spurensuche

Mehrere japanische Universitäten gingen in Kooperation mit dem US-amerikanischen National Museum of Natural History der Frage nach, was es mit den mysteriösen Walen auf sich hat. Die Identifizierung gelang schließlich anhand mehrerer Exemplare, die entlang der Küsten des Ochotskischen Meeres gestrandet waren.

Wie Studienleiter Takashi Matsuishi von der Universität Hokkaido berichtet, stammen die sechs gestrandeten Exemplare von einer bislang nicht beschriebenen Art von Schnabelwalen (Ziphiidae). Schnabelwale gehören zu den Zahnwalen, aber nicht zur artenreichen Delfinverwandtschaft. Sie bilden eine eigene Familie mit an die 20 verschiedenen Arten in Größen von vier bis 13 Metern. Allesamt leben sie fern der Küsten und gehen in der Tiefsee auf Beutefang, weshalb über ihr Leben nur sehr wenig bekannt ist.

Größenvergleich zwischen dem neuentdeckten Schnabelwal Berardius minimus (oben) und dem Baird-Wal.
Foto: Tadasu K. Yamada et al., Scientific Reports

Die neuidentifizierte Art ähnelt dem schon im 19. Jahrhundert beschriebenen Baird-Wal (Berardius bairdii), ist aber deutlich kleiner: nur sechs bis sieben Meter statt 11 bis 13. Sie ist zudem dunkler gefärbt, hat eine kürzere Schnauze und einen spindelförmiger ausgeprägten Körper. Zu diesen morphologischen Unterschieden kommen auch genetische, wie DNA-Analysen zeigten. Es handelt sich also tatsächlich um eine "neue" Art. Da es zugleich die kleinste Schnabelwalart überhaupt ist, erhielt sie die Bezeichnung Berardius minimus.

Noch sind laut Matsuishi aber einige Fragen offen: Man hat bislang kein weibliches Exemplar gefunden, zudem ist die Verbreitung des Wals noch völlig unbekannt. Und zu guter Letzt ist auch noch nicht geklärt, ob es sich bei diesem Tier nun um Kurotsuchikujira und Karasu gleichermaßen handelt – oder ob dort im kalten Nordpazifik noch eine weitere unbekannte Art von Walen lebt. (jdo, 4. 9. 2019)

Der Schädel von Berardius minimus.
Foto: Tadasu K. Yamada et al., Scientific Reports