Im Vergleich zum Höhepunkt im Jahr 2015 ist die Zahl der irregulären Einreisen in die EU im vergangenen Jahr um mehr als 90 Prozent gesunken. 2018 wurden insgesamt 143.645 illegale Grenzüberschreitungen von der Europäischen Grenz- und Küstenwache (Frontex) verzeichnet, von Jänner bis Juni 2019 waren es 45.611.

Diese Entwicklung macht sich auch in Österreich bemerkbar: Die Anzahl der Asylanträge hat seit 2015 kontinuierlich abgenommen. Innerhalb Europas wurden im vergangenen Jahr die meisten Anträge auf Asyl in Deutschland, Frankreich und Griechenland gestellt. Österreich lag mit 13.746 Anträgen europaweit auf Platz zwölf und damit auf einem ähnlichen Niveau wie vor zehn Jahren.

Über welche Wege Menschen nach Europa kommen

In diesem Jahr reisen Migrantinnen und Migranten hauptsächlich über das Mittelmeer irregulär nach Europa ein. Von Nordafrika führen die westliche und die zentrale Mittelmeerroute nach Spanien, Italien oder Malta. Die meisten Menschen kommen über die östliche Mittelmeerroute und überqueren den Seeweg zwischen der Türkei und Griechenland. Nur vergleichsweise wenige kommen über Landwege in die EU.

Westliche Mittelmeerroute

Im vergangenen Jahr ist die Zahl der irregulären Grenzübertritte über den Seeweg von Marokko nach Spanien vergleichsweise stark gestiegen. Diese Entwicklung führt Frontex auf eine gestiegene Aktivität von Schmugglernetzwerken zurück. Ein Großteil der Migrantinnen und Migranten kommt aus den Ländern südlich der Sahara und Marokko. Im Vorjahr kamen die meisten Menschen aus Marokko, Guinea und Mali, knapp jeder Zehnte war nach eigenen Angaben unter 18 Jahre alt.

Von Jänner bis Juni dieses Jahres verzeichnete Frontex 10.328 illegale Grenzübertritte über die westliche Mittelmeerroute. Nach Angaben der Internationalen Organisation für Migration (IOM) starben oder verschwanden 203 Personen im selben Zeitraum bei dem Versuch einzureisen, 2018 waren es 811 Tote und Vermisste.

Zentrale Mittelmeerroute

Über die zentrale Mittelmeerroute versuchen Menschen von Nordafrika nach Europa zu kommen. Die Zahl der irregulären Grenzüberschreitungen war hier im vergangenen Jahr auf dem niedrigsten Stand seit 2012. Ein Drittel der Migranten kamen aus Tunesien und Eritrea, knapp jeder Fünfte war nach eigenen Angaben unter 18 Jahre alt. Die häufigsten Herkunftsländer in diesem Jahr sind Tunesien und Pakistan. Zwischen Jänner und Juni starben oder verschwanden 343 Menschen auf dieser Route, im Jahr davor waren es 1.314. In Relation zu den Überfahrten ist die zentrale Mittelmeerroute die gefährlichste.

Die meisten Einreisenden nehmen den Weg von Tunesien über das Mittelmeer hauptsächlich nach Italien und Malta. In den Jahren zuvor kamen weitaus mehr Migrantinnen und Migranten über den Seeweg von Libyen. Grund für den Rückgang ist die vielkritisierte EU-Kooperation mit Libyens Küstenwache und der verstärkte Grenzschutz auf der Transitroute durch die Sahara. Die außereuropäischen Auffanglager in Libyen stehen stark in der Kritik, Menschen würden dort gefoltert und versklavt.

Östliche Mittelmeerroute

Die östliche Mittelmeerroute führt mit Booten über die Türkei auf die griechischen Inseln oder das Festland. Sowohl 2015 als auch 2019 verzeichnete Frontex die meisten irregulären Grenzüberschreitungen auf diesem Weg. Mit 56.650 registrierten Personen im vergangenen Jahr liegt die Zahl jedoch 94 Prozent unter jener drei Jahre zuvor. Die Migrantinnen und Migranten kommen hauptsächlich aus Afghanistan und Syrien. In der ersten Jahreshälfte verzeichnete die Internationale Organisation für Migration hier 56 Tote und Vermisste, im Vorjahr waren es 174.

Der Rückgang der Migration über die östliche Mittelmeerroute kann durch den EU-Türkei-Deal begründet werden. Das im März 2016 geschlossene Abkommen enthält zwei Kernpunkte: Alle auf den griechischen Inseln neu ankommenden irregulären Migranten werden in die Türkei zurückgebracht, sofern sie kein Asyl beantragen oder ihr Antrag abgewiesen wird. Für jeden syrischen Staatsangehörigen, der von den griechischen Inseln in die Türkei rückgeführt wird, wird ein anderer syrischer Staatsangehöriger in der EU neu angesiedelt. Auch dieses Abkommen wird immer wieder kritisiert und angezweifelt. Menschenrechtsorganisationen werfen der türkischen Regierung vor, sie schicke Menschen in syrische Kriegsgebiete zurück.

Westliche Balkanroute

Ein Großteil der Menschen, die über die Türkei irregulär nach Griechenland kamen, nutzte diese Route zur Weiterreise. Der Landweg führte hauptsächlich über Mazedonien und Serbien nach Kroatien, Slowenien und Ungarn. Einige der Migrantinnen und Migranten zogen weiter nach Österreich und Deutschland. Seit dem Rekordjahr 2015 sinkt auch die Zahl der illegalen Grenzübertritte auf der westlichen Balkanroute. Begründen lässt sich der Rückgang durch das EU-Türkei-Abkommen sowie die parallele Schließung der Balkanroute. Nach und nach hatten erst Slowenien und dann Kroatien, Serbien und Mazedonien ihre Grenzen geschlossen. Ungarn hatte bereits im September 2015 die Grenzen dichtgemacht.

Die Migranten weichen seitdem auf die Route von Albanien über Montenegro oder Serbien nach Bosnien-Herzegowina aus. Dort ist der Migrationsdruck nach Angaben von Frontex im vergangenen Jahr gestiegen. Nur wenige nehmen die Route über Bulgarien und Rumänien. Die Migrantinnen und Migranten kommen hauptsächlich aus Afghanistan, dem Iran und dem Irak.

Östliche Landroute

Die östliche Landroute macht nach Angaben von Frontex gerade einmal ein Prozent der gesamten Einwanderung aus. Die Route führt über die Landesgrenzen der Ukraine, Weißrusslands und Moldaus in östliche EU-Mitgliedsstaaten wie Polen und Rumänien. Die Migrantinnen und Migranten kommen hauptsächlich aus Bangladesch, dem Irak und der Türkei, aber auch aus den Nachbarländern der EU. Im vergangenen Jahr wurde auf dieser Route ein Anstieg der Grenzüberschreitungen gegenüber 2017 verzeichnet. Einige Migrantinnen und Migranten nutzten anlässlich der Fußball-WM die "Fifa-Fan-ID", um visumfrei nach Russland einzureisen und in weiterer Folge über die östliche Landroute in die EU zu kommen. Im Vorjahr registrierte Frontex 1.029, zwischen Jänner und Juni dieses Jahres 302 illegale Grenzübertritte.

Westafrikanische Route

Die westafrikanische Route führt von Marokko auf die Kanarischen Inseln und ist ein weniger stark frequentierter Weg zur irregulären Einreise nach Europa. Hauptsächlich wird die Route von marokkanischen Staatsangehörigen genutzt, deren Familienmitglieder schon vor Ort sind. Aber auch aus dem Senegal reisen Menschen über den Seeweg auf die zu Spanien gehörenden Inseln. Im vergangenen Jahr verzeichnete Frontex hier 1.323 und in der ersten Hälfte dieses Jahres 482 illegale Grenzüberschreitungen. (Anika Dang, 6.9.2019)