Politiker nutzen Empfänge, bei denen Österreichs Sportlern für ihre Erfolge und die Verdienste um die Republik, ausgezeichnet werden, gerne für PR-taugliche Fotos. Manch Sportler soll sich wenige Tage vor solchen Terminen aber auch schon mal zufällig einen Schnupfen geholt haben.

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Ob Kitzbühel, Schladming, Olympia oder bei Weltmeisterschaften: Die Politik ist beim Sport gerne zugegen.

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Schon in seiner aktiven Zeit hat die Politik den Ausnahmeathleten Marcel Hirscher nach jedem Erfolg vereinnahmt. Nun fühlen sich Spitzenpolitiker wieder bemüßigt zu erklären, wie stolz er die Nation Österreich in den vergangenen Jahren doch gemacht hat. Es gehört nicht nur zum guten Ton, sondern beinahe zu ihrer Pflicht, erfolgreichen heimischen Sportlerinnen und Sportlern wie Dominic Thiem, Anna Veith oder eben Hirscher bei Erfolgen öffentlich zu huldigen.

H.-C. Strache lobt Sportler regelmäßig für ihre rot-weiß-roten Erfolge, wie auch der Bundespräsident oder alle anderen Spitzenpolitiker.

Ein weiteres ungeschriebenes österreichisches Gesetz scheint zu lauten, dass Sportler während ihrer aktiven Karriere beim Thema Politik gefälligst die Goschn zu halten haben, egal wie viel Ansehen sie genießen und wie sehr sie das Bedürfnis verspüren, sich zu äußern. Auch von Hirscher sind kaum politische Statements bekannt. Als er sich 2015 aus humanitären Gründen für die Aufnahme von Geflüchteten ausgesprochen hatte, bekam er in sozialen Medien viel Zuspruch, aber ebenso viel Kritik. Ob sich eventuell gar Sponsoren kritisch zu Wort gemeldet haben, weiß man nicht. ÖSV-Präsident Peter Schröcksnadel sagte einst jedenfalls: "Wir raten davon ab, politisch Position zu beziehen." Aber muss das so sein?

Hirscher äußerte sich 2015 deutlich zur Aufnahme von Geflüchteten. Ansonsten hält er sich politisch und gesellschaftspolitisch gerne bedeckt.

Klar, Sponsoren und Verbände wollen, dass ihre Schützlinge möglichst nicht anecken. Auch wollen sich Sport treibende auf ihre Arbeit konzentrieren und unnötige Ablenkungen vermeiden. Womöglich sind viele nationale Sportikonen aber auch nur so flächendeckend beliebt, weil sie während ihrer aktiven Zeit zu für die Gesellschaft kritischen Themen schwiegen. Viele verloren wegen Aus sagen nach der Karriere an Sympathien.

Der Rücktritt von Hirscher im Video
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Er gehört nicht Österreich

Kann man ihnen ihr Schweigen vorwerfen? Schwierig zu sagen. Der Sport ist ihr Beruf. Ohne Sponsoring packen es die wenigsten. Ausgesorgt hat nach der Karriere ohnehin nur eine Handvoll. Viele wollen sich vermutlich auch gar nicht zu solchen Themen äußern. Ist es trotzdem schade? Ja, weil jeder immer seine Meinung öffentlich kundtun können soll, sofern sie oder er das will.

Noch schlimmer ist aber, wenn die Politik Sportidole für sich reklamiert und damit überschwänglichen Patriotismus – manchmal auch Nationalismus – anfeuert, während diese das still hinnehmen müssen. Ist Hirscher gerne für Österreich gefahren? Ziemlich sicher. Wäre er auch unter europäischer oder keiner Flagge angetreten? Wahrscheinlich. Ist es geil, mit anzusehen, wenn 70.000 Zuschauer beim Nightrace in Schladming einen Hirscher-Erfolg bejubeln? Sowieso. Aber wäre es schlimm, wenn statt Rot-Weiß-Rot mehr Gelb-Rot-Grün oder Blau-Weiß-Rosa geschwenkt wird? Nein, nur farbig-fröhlicher. Österreich hat zu den Erfolgen aber wenig beigetragen, und Hirscher schuldet außer seinem Betreuerteam niemandem etwas.

Nur Hirscher weiß, ob er sich künftig öfter öffentlich zu Wort melden will, um etwa, wie 2015, soziale Kälte anzuprangern. Ohnehin sollte das aber kein Problem darstellen – auch nicht für aktive Sportlerinnen und Sportler. (Fabian Sommavilla, 4.9.2019)