Vorne der Skifahrer, hinten die Kugeln.

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Es war was los in Salzburg.

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Der Rücktritt von Hirscher im Video
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Vor rund 150 Journalisten aus dutzenden Nationen moderierte der ehemalige Liechtensteiner Rennläufer Marco Büchel am Mittwochabend im Salzburger Szenelokal Gusswerk ein Event, das wohltuend unaufgeregt wirkte. Nach einem filmischen Potpourri von vergangenen Großtaten kam der dominierende Skisportler der vergangenen Dekade, werblich völlig blank, und verkündete das Erwartete. Marcel Hirscher: "Es ist wirklich keine große Überraschung mehr, ich mache es kurz und schmerzlos: Es ist der Tag, an dem ich meine aktive Karriere beenden werde."

Seine Entscheidung sei ein bisschen mehr als zwei Wochen alt, seither sei es sehr turbulent gewesen. Hirscher sprach von einer Summe aus vielen Gründen, die ihn zur Entscheidung geführt habe, gleichsam ein Leben von heute auf morgen zu beenden. "Ich glaube, es ist gut so. Viele haben mich nicht ernst genommen, jetzt ist es doch sehr rasch gegangen." Hirscher fühlte sich erleichtert, "vor allem dass ich selber etwas dazu sagen darf". Auch er sei genervt über manche Schlagzeilen gewesen, habe aber auch Verständnis für die mediale Hysterie. Der verheiratete Jungvater bedankte sich für die bisherige Wahrung seiner Privatsphäre und bat darum, es auch in Zukunft so zu halten.

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Hirscher verglich die Nervosität vor seinem Rücktritt mit seinen Gefühlen bei der Heim-WM 2013 in Schladming, bei der er das geforderte Slalomgold holen konnte. "Das war das emotional Größte, da zu liefern, das war Gänsehaut pur. So viel Last ist mir vielleicht mit Ausnahme von morgen noch nie von den Schultern gefallen."

Zu kurze Sommer

Das Geheimnis seines Erfolges sei es gewesen, fanatisch ins Detail zu gehen, "das war mein Leitfaden". Mit den Jahren seien ihm die Sommer aber immer öfter zu kurz geworden, um völlig regenerieren zu können. Hirscher schätzt sich glücklich, "dass ich nach so vielen Jahren ohne große Wehwehchen nach Hause fahren kann, dass ich jetzt tun kann, was ich will".

Schon bei der WM in Aare im Februar sei er "auf der letzten Rille" trotz Erkrankung an den Start gegangen. Dass es ihm trotz der Umstände gelungen war, noch einmal Weltmeister zu werden, sei einer der schönsten Momente gewesen, "aber auch der Moment, wo ich gemerkt habe, das war der letzte Turbo".

Hirscher hätte nie auch nur annähernd zu träumen gewagt, so viel zu gewinnen. "Ich bin stolz auf das, was ich zusammengebracht habe, ich hätte mehr feiern sollen, aber dann hätte ich nicht so viel gewonnen."

Umstellung

Jetzt freut er sich, kein Training machen zu müssen, ausschlafen zu können. Konkrete Zukunftspläne gab Hirscher nicht bekannt. Das neue Leben werde eine große Umstellung sein, "es gibt spannende Projekte, aber nur unkonkrete Pläne". "Ich möchte es Menschen in der einen oder anderen Art ein bisschen leichter machen", sagte der Doppelolympiasieger, der sich vor allem bei seiner Familie bedankte, "bei den Eltern, die mich gnadenlos unterstützt und dafür Teile ihres Lebens aufgegeben haben".

Vater Ferdinand sei sein erster und letzter Trainer gewesen, seine Frau Laura habe ihn als Nobody kennengelernt und "mich dann zehn Jahre lang in guten und schlechten Tagen geschleppt". Hirscher bedankte sich auch bei den Skifans, "dass ich bei euch zehn Jahre durchs Wohnzimmer carven durfte", und nicht zuletzt bei seinem Team, bei den Wegbegleitern, "die die Jahre mit mir durch dick und dünn gegangen sind. Ich habe die Startnummer getragen, und das Team hat alles für mich gemacht, auch über dem Limit." Dieses Team wird im österreichischen Skiverband begehrt sein. Präsident Peter Schröcksnadel will Ferdinand Hirscher und seinen abgetretenen Sohn einbinden. "Ein Jahrhundert-Skifahrer werden Sie immer bleiben, ein Teufelskerl zwischen Rot und Blau", sagte Bundespräsident Alexander Van der Bellen in einer TV-Zuspielung.

Beständig Sieg um Sieg

Hirschers Abschied kam zwölfeinhalb Jahre nach dem ersten Weltcup-Einsatz am 17. März 2007 anlässlich des Weltcupfinales in Lenzerheide. Mit zunehmender Beständigkeit reihte er Sieg um Sieg aneinander und ließ zeitweilig das Unmögliche selbstverständlich erscheinen. Die Geburt seines Sohnes habe ihm gezeigt, "dass Blau und Rot nicht das Wichtigste ist", sagte Hirscher in Anspielung auf die Stangenfarben. Jetzt haben sich die Perspektiven endgültig verschoben. Der ehemalige Schüler der Skihotelfachschule in Bad Hofgastein könnte es gemütlich angehen lassen. Alleine an Preisgeldern hat er rund fünf Millionen Euro verdient, die Werbung brachte ein Vielfaches. (Thomas Hirner, 4.9.2019)