Im Februar übergaben Kinder dem damaligen Verkehrsminister Norbert Hofer eine Forderung zur Einführung eines verpflichtenden Lw-Abbiegeassistenten mit 6.000 Unterschriften. Die Stadt Wien kommt dem nun de facto nach.

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Wien macht Ernst in Sachen Lkw-Abbiegeassistenten. Schon im Frühjahr 2020 soll ein Rechtsabbiegeverbot für alle Fahrzeuge über 7,5 Tonnen, die über keinen Abbiegeassistenten verfügen, mit einer Übergangsfrist von einem Jahr in Kraft treten. Die grüne Verkehrsstadträtin und Vizebürgermeisterin Birgit Hebein kündigte am Donnerstag eine Verordnung durch die MA 46 (Verkehrsorganisation) an.

Die Bundeshauptstadt prescht mit diesem De-facto-Fahrverbot für Lkw ohne Abbiegeassistenten ab dem Frühjahr 2021 nun also vor: Denn die EU-weite Regelung sieht Abbiegesysteme für neue Fahrzeugtypen erst ab 2022 und für neu zugelassene Fahrzeuge ab 2024 vor. "Die Sicherheit im Straßenverkehr, vor allem von Kindern, steht an erster Stelle und darf nicht hinausgezögert werden", sagt Hebein. Die Verordnung soll für alle schweren Lkw gelten – also auch für jene, die außerhalb Wiens sowie Österreichs zugelassen sind.

Auch die Stadt Wien muss ihre Fahrzeuge – im Bild eines der MA 28 (Straßenverwaltung und Straßenbau) mit Abbiegeassistenten – nachrüsten.
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Vor der Verordnung wird ein Ermittlungsverfahren durchgeführt, in das die Stadt Wien, Arbeiter- und Wirtschaftskammer, Kuratorium für Verkehrssicherheit, Landespolizeidirektion, Autofahrerclubs sowie Interessenvertretungen von Radfahrern und Fußgängern involviert sind. Ziel ist, bis Frühjahr 2020 Spezifikationen zu erarbeiten, die die Abbiegeassistenten aufweisen müssen. Zudem soll das Strafausmaß bei Verstößen festgelegt werden. Freilich ist noch offen, wie die Einhaltung überhaupt kontrolliert werden soll.

Auch stadteigene Lkw-Flotte betroffen

Von Hebeins Vorstoß ist auch die stadteigene Lkw-Flotte betroffen: Die MA 48 hat rund 300 Müllfahrzeuge im Einsatz und muss diese umrüsten. Im Büro der zuständigen Stadträtin Ulli Sima (SPÖ) wird darauf verwiesen, dass verschiedene Systeme seit Monaten von der MA 48 getestet würden. Mittlerweile seien auch "neun verschiedene Produkte auf zehn Fahrzeugen im Echtbetrieb im Einsatz".

Zwei Abbiegeassistenzsysteme seien sehr vielversprechend: Eines arbeite mit einer Bilderkennungssoftware, eines mit Radartechnologie. Allerdings seien beide noch nicht für den kommunalen Einsatz bereit, heißt es aus Simas Büro.

Dort hofft man, dass mit dem Vorstoß "Druck auf die Wirtschaft" ausgeübt wird, die Entwicklung geeigneter Systeme zu beschleunigen. Auf dem Markt würden Abbiegesysteme rund 3.000 Euro pro Lkw kosten. Der Ball liege aber auch bei der MA 46, die Hebein untersteht. "Wir warten auf die genauen Spezifikationen", sagt eine Pressesprecherin Simas auf Anfrage. "Dann machen wir das."

Wirtschaftskammer fordert Landesförderung für Umrüstung

Walter Ruck, Präsident der Wiener Wirtschaftskammer, begrüßt die Prüfung des Rechtsabbiegeverbots. Allerdings müsste es mehr Förderungen für die Umrüstung geben. Laut Alexander Klacska, Obmann der Bundessparte Transport und Verkehr in der Wirtschaftskammer, müsste eine Bundes- durch eine Landesförderung ergänzt werden. Aktuell zahle der Bund höchstens 900 Euro pro Lkw – und das nur für bis zu fünf Fahrzeuge pro Flotte. In Deutschland gebe es bis zu 1.500 Euro für eine freiwillige Nachrüstung.

Wien kann dank einer Novelle der Straßenverkehrsordnung aktiv werden: Diese ermöglicht es Gemeinden, Rechtsabbiegeverbote für schwere Lkw ohne Abbiegeassistenten zu verhängen. Der Verkehrsclub Österreich forderte eine Ausweitung des Wiener Vorhabens auf ganz Österreich.

FPÖ gegen "sehr restriktive Maßnahme"

Gegen die Wiener Pläne spricht sich hingegen der oberösterreichische Verkehrslandesrat Günther Steinkellner (FPÖ) aus: Wien ergreife damit eine "sehr restriktive Maßnahme", die er sich für sein Bundesland nicht vorstellen könne. "Die Vision mag sich eventuell in der Theorie schön anhören, in der Praxis stelle ich es mir aber sehr problembehaftet vor, wenn Lkw nicht mehr abbiegen dürfen."

Wiens FPÖ-Klubchef Toni Mahdalik spricht von "Anschlagsplänen der Grünen auf die Nahversorgung der Bundeshauptstadt". Er fordert Hebein auf, die angekündigte Landesförderung für die Umrüstung in Höhe von einer Million Euro freizugeben.

Zum Teil werden aber auch in den Landeshauptstädten die öffentlichen Flotten bereits umgerüstet. In Eisenstadt ist das so, sagt Bürgermeister Thomas Steiner (ÖVP). Auf Landesebene werde die Lkw- und Busflotte laufend adaptiert.

Kein Fahrverbot in Salzburg geplant

Auch in Salzburg wurde ein Teil der 60 Lkw, die im Besitz des Landes sind, bereits mit Abbiegeassistenten ausgestattet. Ziel ist es zunächst, alle Fahrzeuge, die im städtischen Bereich unterwegs sind, umzurüsten. Ein Fahrverbot sei nicht geplant, heißt es aus dem Büro von Verkehrslandesrat Stefan Schnöll (ÖVP), der aber den Bund in die Verantwortung nimmt. "Das ist eine Sache, die bundesweit zu klären ist. Die Fahrer müssen sich auf was verlassen können."

Für Graz sind Abbiegeassistenten noch nicht aktuell. Zu viele Fragen seien noch offen, sagt der Leiter des Verkehrsamts, Thomas Fischer. Etwa: Lkw ohne Abbiegeassistenten dürften dann auch nicht mehr in Kreisverkehre einfahren. Zudem müsse geklärt werden, was ein Verbot für ausländische Zulieferer und Frächter hieße. Hier sei Graz mit dem Magna-Autokonzern sehr betroffen. "Aber Wien könnte jetzt wirklich eine Vorreiterrolle übernehmen und einen Drive in die Debatte bringen und die Lkw-Flotten zu einem schnelleren Umrüsten veranlassen", sagt Fischer.

Auch der Klagenfurter Verkehrsstadtrat Christian Scheider (FPÖ) will ein Fahrverbot für Lkw ohne Abbiegeassistenten "durchaus diskutieren". Es sei bereits Thema im Stadtsenat gewesen, "wir könnten uns damit anfreunden", sagt Scheider. Man wolle aber noch weitere Experten anhören "und auch die Erfahrungen in Wien abwarten".

In Vorarlberg haben bereits im Juni alle Landtagsparteien, die Volkspartei ausgenommen, einem Antrag der Grünen zugestimmt, Abbiegeassistenten zumindest beim Fuhrpark des Landes und des Verkehrsverbunds verpflichtend zu machen. Aktuell wertet man die Ergebnisse eines Testlaufs aus, dann will man die rund 20 landeseigenen Lastkraftwagen nachrüsten. Beim Verkehrsverbund wird es noch dauern. Ein vom Landtag gefordertes Fördersystem für Private ist noch in Ausarbeitung. Schneller ging es beim Beschlägeerzeuger Blum: Dort wurde der gesamte Fuhrpark im Sommer nachgerüstet. (jub, krud, mue, rwh, ruep, wei, 5.9.2019)