Nichts als Ärger bringt die vom Europäischen Gerichtshof gekippte Pkw-Maut dem deutschen Verkehrsminister Andreas Scheuer.

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Eines ist seit dem 18. Juni klar: Die Pkw-Maut für Ausländer, die sich die bayerische CSU so schön ausgedacht und in Brüssel durchgeboxt hatte, wird nicht kommen. An diesem Tag kippte der Europäische Gerichtshof das Projekt, er hält es für mit dem EU-Recht unvereinbar, da Ausländer stärker hätten belastet werden sollen als deutsche Fahrzeughalter.

Seither steht der deutsche Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) schwer unter Druck. Denn er war es, der die Verträge mit den Betreiberfirmen Kapsch Trafficcom (aus Wien) und CTS Eventim (Deutschland) am 30. Dezember 2018 unterzeichnet hat, noch während das Verfahren beim EuGH anhängig war. Es handelte sich um Verträge über zwölf Jahre Laufzeit mit einem Volumen von rund zwei Milliarden Euro.

Noch keine Forderungen

Wenige Stunden nach dem Urteilsspruch kündigte Scheuer, das Schreiben wurde den Firmen am 19. Juni zugestellt. Noch liegen keine offiziellen Schadenersatzforderungen gegen den Bund vor, doch diese werden wohl kommen. In Berlin ist die Rede von einer Summe zwischen 300 und 500 Millionen Euro.

Scheuer weiß natürlich, dass der Bund im Falle eine Kündigung bloß wegen des Urteils auf jeden Fall zahlungspflichtig wäre. Er führt daher noch weitere Gründe für das vertragliche Aus an und sieht sich mit diesen auf der sicheren Seite.

"Schädigungsabsicht"

So wirft er den Firmen vor, sie hätten noch nach der Kündigung weitere Aufträge in Höhe von 576 Millionen Euro erteilt, und das hätten sie nicht dürfen. Die Süddeutsche Zeitung und der WDR zitieren nun aus dem Schreiben einer vom deutschen Verkehrsministerium beauftragten Anwaltskanzlei an die Unternehmen. Darin heißt es, diese Vereinbarungen hätten lediglich dazu gedient, "nachträglich Ansprüche in erheblicher Höhe gegen den Auftraggeber zu kreieren". Das sei eine "Schädigungsabsicht aller Beteiligten zulasten des Auftraggebers".

Laut vertraulichen Dokumenten sandte der Anwalt der Betreiber in der Nacht des 20. Juni zwischen 1.24 und 1.45 Uhr 15 Mails an das Verkehrsministerium, die auch die neuen Verträge enthielten. Doch zu diesem Zeitpunkt hatte Scheuer ja schon gekündigt.

Der Rechtsvertreter des Ministeriums erklärt, die Verträge seien nachweislich erst nach der Kündigung "überarbeitet, unterzeichnet und übermittelt" worden. Auch seien Ansprüche auf Vergütung beziehungsweise Entschädigung im Falle einer Kündigung "erstmals begründet bzw. signifikant erhöht worden".

"Detailliert benannt"

Der Vorwurf, der dahintersteckt: Die Betreiberfirmen wollten auf Kosten der deutschen Steuerzahler ihre Kasse füllen.

Diese Anschuldigung weisen die Firmen naturgemäß zurück: "Die Vorwürfe des Bundes sind nicht neu und entbehren nach wie vor jeder Grundlage. Die genannten Verträge beziehen sich auf Leistungen, die schon in unserem finalen und schließlich bezuschlagten Angebot detailliert benannt werden."

Scheuer kämpft aber auch mit Vorwürfen gegen ihn selbst. Originellerweise sind es wieder die Süddeutsche und der Westdeutsche Rundfunk, die aus vertraulichen Papieren zitieren. Diesen zufolge hätte die Maut eigentlich drei Milliarden Euro gekostet, nicht jene zwei, die im Haushalt dafür vorgesehen waren.

Variable Vergütungen

Also wurden laut SZ und WDR die sogenannten "variablen" Vergütungen massiv ausgebaut und neue geschaffen, etwa bei Portokosten oder Ausgleichszahlungen für Widersprüche von Mautzahlern. Dadurch habe man die Kosten woandershin verschoben.

Fazit des grünen Haushaltspolitikers Sven-Christian Kindler: Der Minister habe "das Parlament und die Öffentlichkeit über die wahren Kosten gezielt belogen". Denn "am Ende wäre die Pkw-Maut noch massiv teurer als die bisher bekannten Kosten von zwei Milliarden Euro geworden". (Birgit Baumann, 5.9.2019)