Lana Del Rey entscheidet sich am Ende für die Hoffnung.

Foto: Pamela Cochrane

Die ganze Magie von Lana Del Reys neuem Album Norman Fucking Rockwell! offenbart sich gleich in den ersten beiden gesungenen Worten. "Goddamn, man-child", hebt Del Rey zur ermatteten Suada an; ihre Stimme klingt wie gewohnt, als hätte sie sich ein paar Beruhigungsmittel zu viel im supertrockenen Martini aufgelöst. Der kindliche Mann, in den sich Lana verschaut hat, ist wie immer ein Trottel. Das "Goddamn" bezieht sich dagegen auf ihren eigenen Spleen, sich ausschließlich in solche Trottel zu verlieben und dadurch selbst zum Obertrottel zu werden. Herbert Grönemeyer fragte einmal in einem Song, wie oft ein Herz brechen kann. Lana Del Rey hätte da wohl verbindliche Zahlen. Das Schicksal ist bei ihr immer schon besiegelt, zwei Worte, und es nimmt seinen Lauf.

Lana Del Rey - Topic

Lana Del Rey, die 1985 als Elizabeth Woolridge Grant im Bundesstaat New York geboren wurde, war immer eine versierte Songwriterin. Auf Norman Fucking Rockwell! meistert sie nun die Kunst der Verdichtung.

Während ihr frühes Œuvre einer durch und durch amerikanischen Oberflächlichkeit mit oberflächlichen Plattitüden gehuldigt hat – eine ganz interessante Strategie, die aber nach ein paar Alben redundant geworden war –, huldigt sie ihr heute mit Tiefgang. Norman Fucking Rockwell! klingt unglaublich persönlich, was man nun aber bitte nicht mit autobiografisch verwechseln sollte. Es ist völlig egal, wessen Geschichten es sind, die hier erzählt werden, wenn sie Gefühle so universell wirken lassen können.

Was Mädchen dürfen

Nicht nur romantisch-destruktive Beziehungen zu Männern prägen Del Reys sechstes Studioalbum, es geht auch um die Beziehung zu sich selbst. Wer bin ich, wer bin ich für andere?

Mariners Apartment Complex, gleich die zweite Nummer, ist ein fabelhaftes Beispiel für diese Selbstverortung im eigenen Leben und dem eines anderen. "Can't a girl just do the best she can?", fragt sie irgendwann; die Antwort "Nein" ergibt sich ganz von allein. Was hier mitschwingt, sind auch aktuelle Diskurse um das Anlegen unterschiedlicher Maßstäbe an Männer und Frauen. Lana Del Rey, die ja sehr lange auf ihre ursprünglich selbstgewählte Rolle der todessehnsüchtigen Lolita reduziert wurde, kann davon wahrlich ein Lied singen.

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Distanz zu Amerikanischen Träumereien

Norman Fucking Rockwell, dessen zweiter Name eigentlich Percevel lautet, war übrigens Maler und Illustrator, dessen patriotische, kitschige Arbeiten "Americana" schreien wie das Coca-Cola-Logo. Lana Del Rey will uns nicht vergessen lassen, dass ihre Musik immer auch vom amerikanischen Traum, von amerikanischen Träumereien handelt.

Doch stand sie ihnen noch nie so distanziert und kritisch gegenüber wie auf diesem Album. "So I moved to California, but it’s just a state of mind / It turns out every where you go, you take yourself, that’s not a lie", berichtet sie auf Fuck It I Love You.

Am Ende hat man nur sich selbst und – in Del Reys Fall – die Hoffnung. Auch wenn diese eine gefährliche Sache ist, wie die letzte, großartige Nummer elaboriert. Sie heißt: Hope is a Dangerous Thing for a Woman Like Me to Have – but I Have It. (Amira Ben Saoud, 6.9.2019)