1988 entdeckten Astronomen am inneren Rand des Asteroidengürtels einen etwa 3,7 Kilometer durchmessenden Brocken aus der Phocaea-Familie. Lange Zeit zeigte das Objekt mit der Bezeichnung 6478 Gault keine Verhaltensauffälligkeiten. Doch das änderte sich Ende vergangenen Jahres. Im Jänner 2019 beobachteten Forscher auf Aufnahmen des Hubble-Weltraumteleskops und anderen Observatorien bei dem Asteroiden plötzlich einen ungewöhnlichen kometenähnlichen Doppelschweif.

Die längere der beiden Gas- und Staubfahnen reicht rund 800.000 Kilometer ins All hinaus, der zweite war immerhin ein Viertel so lang. "Wir kennen gut eine Million Himmelskörper zwischen Mars und Jupiter, aber nur 20 weisen eine derartige Aktivität auf. Das ist also schon ziemlich selten.", erklärt Michael Marsset vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Cambridge bei Boston.

Seit Ende 2018 besitzt Gault zwei unterschiedliche lange "Kometenschweife".
Foto: NASA/ESA/K. Meech, J. Kleyna - University of Hawaii/O. Hainaut - European Southern Observatory

Aus rot wurde blau

Nun aber hat das Team um Marsset bei 6478 Gault ein noch merkwürdigeres Phänomen festgestellt: Das Objekt hat im nahen Infrarotlicht seine Farbe verändert, wie Bilder der Infrared Telescope Facility (IRTF) auf Hawaii beweisen – etwas, das unter den gegebenen Beobachtungsumständen bisher einmalig ist, berichten die Forscher in den "Astrophysical Journal Letters". Konkret wechselte sein ursprünglich rötlicher Ton in verblüffend kurzer Zeit zu einem frischen Blau.

"Das war dann wirklich eine große Überraschung", sagt Marsset und verrät auch, was es mit dem seltsamen Farbenspiel auf sich haben könnte: "Wir glauben, dass wir Zeugen dabei wurden, wie der Asteroid rötlichen Staub im All verloren hat und eine darunter liegende Materialschicht zum Vorschein gekommen ist, die nun im nahen Infrarot blau erscheint."

Video: Gaults Reise durch unser Sonnensystem.
HubbleESA

Sonnenstrahlen lassen Gault rotieren

Aber was hat den Brocken dazu gebracht, seine nur wenige Körnchen dünne rote Staubschicht so rasch abzuschütteln? Vermutlich die selben Ursachen, die ihn generell zu einem aktiven Asteroiden machen, meinen die Astronomen: Der Himmelskörper rotiert mit einer Umdrehung alle zwei Stunden schneller als gut für ihn ist. "Dadurch stößt er laufend Materie ab, womöglich bis er gänzlich auseinander fliegt" , erklären die Wissenschafter. Ausgelöst wird die Rotation durch den sogenannten YORP-Effekt, bei dem die Sonnenstrahlen bei kleineren Himmelskörpern eine Veränderung des Drehmoments auslösen können.

"Ich denke, unsere Untersuchung untermauert bisherige Beobachtungen, wonach der Asteroidengürtel ein äußerst dynamischer Ort ist", sagt Marsset. "Obwohl die Darstellung von Asteroidenfeldern im Film mit ununterbrochen ineinander krachenden Brocken sicherlich eine Übertreibung ist, ist da draußen offensichtlich fortlaufen jede Menge los." (tberg, 8.9.2019)