Knallbunt und kreativ: die"Palomabude" in der Superbude im Hamburger Stadtteil St. Georg. So ähnlich bald auch in Wien.

Foto: Christian Perl / Superbude

Der City-Ikea beim Westbahnhof wird ein Hotel der Marke Jo and Joe Open House huckepack nehmen.

Visualisierung: Accor

Die Zimmer schauen aus, als wären sie mit zufällig zusammengewürfelten Flohmarktmöbeln eingerichtet worden. Viel Zeit verbringt man hier aber ohnehin nicht: Das Leben spielt sich unten in der Hotellobby ab. Hier sitzen junge Menschen auf bunten Polstermöbeln, nippen an ihren Kaffees, während sie konzentriert auf ihre Laptops schauen. Fast fühlt man sich bei dieser Coworking-Atmosphäre wie in London oder Hamburg, wo sich diese jungen Hotelkonzepte längst bewährt haben.

In Wien, wo alte, familiengeführte Hotels den Markt lange dominiert haben, gibt es diesbezüglich ordentlich Aufholbedarf. Vor allem weil die Zahlen am Hotelmarkt vielversprechend sind: Die Wiener Hoteliers konnten 2018 über einen neuen Rekord an Übernachtungen jubeln. 14,3 Millionen Nächtigungen wurden gezählt. Zwischen 2010 und 2018 lag die jährliche Wachstumsrate laut kürzlich präsentierten Zahlen des Immobiliendienstleisters CBRE bei 4,4 Prozent.

Einheimische sind wichtig

Nun sind die coolen Übernachtungsmöglichkeiten groß im Kommen. Gleich hinter dem Westbahnhof zum Beispiel: In den oberen beiden Stockwerken des City-Ikea, der hier Mitte 2021 eröffnet wird, wird ein Hotel der Marke Jo and Joe Open House, die zum Accor-Konzern gehört, einziehen. Das Rezept: Elemente von Hostels und traditionellen Hotels werden gemixt. Außerdem ist ein "attraktives Gastronomie- und Serviceangebot" vorgesehen – und möglicherweise eine Rooftop-Bar.

Im gastronomischen Angebot sieht Julian Mayer, Hotelexperte bei MRP Hotels, auch eine der ganz großen Herausforderungen für diese Hotelkategorie: "Diese Konzepte müssen wirklich sehr gut sein, damit sich viel Leben in der Hotellobby abspielt." Erklärtes Ziel dieser Häuser ist, dass nicht nur Hotelgäste an der Hotelbar bzw. im Hotelrestaurant einkehren, sondern auch Einheimische Leben ins Erdgeschoß bringen. Daher werden die Hotels oft Open House Hotel genannt, weil ihre Türen eben nicht nur Gästen offen stehen.

"Basic at its best"

Noch ein Beispiel: Vor kurzem wurde ein Hotel der Marke Max Brown im siebenten Bezirk eröffnet. Ins Erdgeschoß ist das Lokal Seven North des israelischen Starkochs Eyal Shani eingezogen. Die Hotelzimmer der günstigsten Kategorie sind nur 20 Quadratmeter groß, versprochen werden den Gästen "Basics at its best", inklusive frischen Brots und des "besten Kaffees" in der Früh. Im dritten Bezirk wird Ende 2020 außerdem ein Moxy-Hotel von Marriott eröffnet – nach einem Standort am Flughafen wird es das bereits zweite seiner Art in Wien sein.

2020 wird außerdem im Projekt "Prater Glacis" im Stuwerviertel im zweiten Bezirk das Hamburger Hotelkonzept Superbude eröffnet. Die Zimmer schauen nach Upcycling und Do-it-yourself aus. Geplant ist ein Artist-in-Residence-Programm, mit dem Künstler ins Haus geholt werden sollen. "Wir freuen uns wie ein Kind im Bonscheladen", heißt es auf Hamburgisch auf der Website.

Ebenfalls im "Prater Glacis" wird sich Zoku, ein Apartmenthotelanbieter aus Amsterdam, breitmachen. Zielgruppe sind Menschen, die für mehrere Tage, Wochen oder Monate in der Stadt wohnen und arbeiten wollen. Hier wird nicht nur gewohnt, sondern es gibt auch Flächen zum Arbeiten.

Flächen bespielen

Ganz ähnlich ist das Angebot des The Student Hotel – ein Konzept, das ebenfalls aus den Niederlanden kommt. Dabei handelt es sich um eine Mischung aus Hotel und Studentenheim mit Coworking-Flächen. Das 822 Zimmer starke Projekt wird derzeit an der Nordbahnstraße im zweiten Wiener Gemeindebezirk errichtet. Die Eröffnung ist für 2020 geplant.

Diese Mischkonzepte, die ein wenig von Wohnen, Urlaub und Arbeiten bieten, seien im Endeffekt eine Maximierung der Immobilie, die von morgens bis abends bespielt wird, erklärt Hotelexperte Mayer – im Gegensatz zum klassischen Hotel, in dem die Gäste nach dem Frühstück ausströmen und abends zurückkommen.

Exklusiver, aber nicht weniger stylish ist das Lifestyle-Luxushotel Andaz Vienna am Belvedere. Die Rooftop-Bar Aurora im Skandinavien-Style im 16. Stock wartet mit einem Blick über die Dächer Wiens, einer offenen Feuerstelle und einem preisgekrönten Barchef auf. Die Bilder landen auch auf den Instagram-Accounts lokaler Blogger.

Insider berichten zudem, dass auch der Hoteldeveloper Ennismore aus London, der hinter dem Hipster-Konzept The Hoxton in London steckt, auf der Suche nach einer Location in Wien ist.

Lokalkolorit

"Diese Hotels richten sich an eine jüngere Zielgruppe, die mit klassischen Hotels nicht viel anfangen kann", erklärt Mayer. Was sie gemeinsam haben: Sie sind Kettenhotels – aber nicht im herkömmlichen Sinn, bei dem eine Innenausstattung in jeder Stadt der Welt zum Einsatz kommt. Stattdessen wird auf lokale Gegebenheiten eingegangen. Im Andaz folgt man beispielsweise Prinz Eugen von Savoyen beim Innendesign. Und während in den beiden Hamburger Häusern der Superbude die Nautik das bestimmende Element ist, wird es in Wien die Aeronautik sein – womit man auf den für das Grätzel namensgebenden Herrn Stuwer Bezug nimmt, der vor 250 Jahren mit Ballonfahrtversuchen und Feuerwerken für Aufsehen in der Kaiserstadt sorgte.

Zahlreiche Angebote also für reiselustige Hipster, die es nach Wien verschlägt. Irgendwann wird zwar auch in dieser Hotelkategorie eine Sättigung erreicht sein. "Aber wenn man Wien mit anderen Städten vergleicht, ist noch viel Luft nach oben", so Mayer. Andernorts ist der Plafond aber mittlerweile erreicht. Genug der Hipster-Hotels also in Städten wie Hamburg, London und Kopenhagen. (Franziska Zoidl, 10.9.2019)