Innenbegrünung, wie hier im Gymnasium in der Kandlgassse in Wien, bringt Erholung für die Augen, bessere Luft und höhere Luftfeuchtigkeit.

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Vor dem Schulgebäude hat es an diesem Morgen angenehme 23 Grad. Doch im Klassenraum im ersten Stock der Mittelschule Schopenhauerstraße in Wien-Währing ist es bereits zu dieser Zeit drückend heiß und schwül. So sei es während dieser Jahreszeit jeden Tag, sagt Lehrerin Gerda Reissner. Über Nacht bleiben die Fenster in dem schmucken Backsteingebäude geschlossen. Aus Sicherheitsgründen – und weil es auch hineinregnen könnte, erklärt der Schulwart. Zwar wird vor dem Unterrichtsbeginn kurz gelüftet, aber sobald die Schülerinnen und Schüler in dem engen Klassenraum sitzen und die Sonneneinstrahlung stärker wird, steigt die Temperatur im Raum unerträglich an.

Die aufgeheizten Klassenzimmer wirken sich auf den Unterricht aus. "Die Konzentration leidet sehr unter der Hitze", sagt die Lehrerin. Ein Eindruck, den auch der Umweltmediziner Hans-Peter Hutter bestätigt. An besonders heißen Tagen, wenn das Hirn fast verdunstet, mache es keinen Sinn, anspruchsvolle Inhalte zu unterrichten.

Grüne Wände, innen oder auf der Fassade, bringen Erfrischung.
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Bereits vor zehn Jahren haben Ingeborg Schwarzl und Erich Mursch-Radlgruber vom Institut für Meteorologie der Universität für Bodenkultur gemeinsam mit 16- bis 17-jährigen Schülern untersucht, wie sich das Klima in der Klasse auf die Leistungsfähigkeit auswirkt. Und obwohl es im Sommersemester 2009, als das Forschungsprojekt an drei Schulen durchgeführt wurde, keine großen Hitzeperioden gab, "konnten wir einen signifikanten Zusammenhang zwischen Hitze und Konzentrationsleistung finden", erzählt Mursch-Radlgruber.

Der Meteorologe sieht das Problem der "erhitzten Schule" am besten durch sogenannte Außenverschattung gelöst. Bei vielen älteren Schulgebäuden scheitert die Umsetzung allerdings am Denkmalschutz. Vor allem im städtischen Bereich steigen diesbezügliche Anfragen von Schulen, bestätigt das das Bundesdenkmalamt, um Lösungen sei man bemüht.

Die Volksschule "Schule im Park" hat mit der Sanierung eine Terrasse bekomme. Ein Sonnensegel fehlt noch.
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In der Ganztagsvolksschule "Schule im Park" in Wien-Alsergrund wurden im Zuge der Sanierung viele Maßnahmen gesetzt, die von Raumklimaexperten empfohlen werden. Alle Räume haben Außenjalousien, die Tageslicht durchlassen, dazu sind die Mauern in Innenhof begrünt, und den Schülern stehen zwei große Terrassen im ersten Obergeschoß zur Verfügung.

Flucht nach draußen

Als Ganztagsschule könne man aber auch den Unterricht flexibler gestalten und in den heißesten Stunden des Tages zum Beispiel in den schattigen Innenhof gehen, erzählt die Schuldirektorin der Sigrid Pressl. Die Terrassen sind zwar noch nicht begrünt, und die Schüler wünschen sich Sonnensegel, sagt Pressl, aber schon die Option, ins Freie zu wechseln, sei ein Vorteil.

Gerda Reissner von der Mittelschule Schopenhauerstraße musste dafür im letzten Juni mit ihren Schülern in den Türkenschanzpark ausweichen. Im aktuellen Schuljahr wolle man allen Schülern große Wasserflaschen zur Verfügung stellen. Durch die Vernetzung mit anderen Schulen im Rahmen des Projekts "Bildungsgrätzl" suche man außerdem gemeinsam nach kühleren Ausweichorten in der Umgebung. Demnächst steht eine Sanierung der Mittelschule an, bei der auch klimaverbessernde Maßnahmen" vorgesehen sind.

Der Erziehungswissenschafter und Experte für Schulraumgestaltung Franz Hammerer hat konkrete Vorschläge für Schulen, die im Altbau modernen Unterricht an heißen Tagen gestalten müssen. "Klassen müssten auf Gangbereiche hin geöffnet werden. Die oft noch kühleren Gangbereiche können durch spezielle Möbel eine neue Nutzung erfahren. Ebenso kann eine Aula so umgestaltet werden, dass hier Sitzstufen und Nischen entstehen, die als Lern- und Erholungsorte genutzt werden können. Es braucht eine freie Zirkulation, nicht nur der Luft, sondern auch der Bewegung", rät Hammerer. Der Erziehungswissenschafter begrüßt auch die Verlegung des Unterrichts nach draußen: "Vielleicht befördern Hitzeperioden eine von der Pädagogik schon lange vertretene Forderung: Raus aus den Schulen, außerschulische Lernorte aufsuchen! Dazu gehören Museen, Gärten, Biotope oder Science-Center-Einrichtungen."

Offene Schule, kühle Schule

In der 2017 geöffneten Schule am Bildungscampus in der Seestadt Aspern haben die Schüler jederzeit die Möglichkeit, nach draußen zu gehen. Das Gebäude hat einen begrünten Innenhof und zahlreiche Balkone und Terrassen, sodass jeder Klassenraum einen eigenen Ausgang ins Freie hat. "Allein diese Möglichkeit wirkt sich positiv auf das subjektive Temperaturgefühl aus", erklärt Hemma Fasch von Fasch&Fuchs.Architekten. Die Terrassen und Balkone sind verschattet und dienen gleichzeitig als Fluchtwege. "Niemand sollte mehr eine klassische Gangschule planen und bauen", appelliert Fasch.

In der neuen Schule in der Seestadt Aspern können die Schüler aus jedem Klassenzimmer schnell ins Freie gelangen.
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Die passive Kühlung durch das Lüften in der Nacht ist eine altbewährte Methode. Eine zusätzliche Möglichkeit, kühles Klima zu schaffen, ist der sparsame Einsatz von Lüftungsanlagen. Fenster müsse man so bauen, dass man sie ohne Sicherheitsrisiko nachts öffnen kann und sie nicht geschlossen werden müssen, wenn es regnet. In Kombination mit Materialien, die in der Lage sind, Wärme aufzunehmen und sie wieder abzugeben, schafft man Räume, die deutlich langsamer überhitzen, so Fasch.

Grüne Fassaden und Wände

Dort, wo Schulen mit Gebäuden aus der Vergangenheit einer Zukunft mit vielen heißen Tagen rechnen müssen, bietet sich – sofern der Denkmalschutz es zulässt – Fassadenbegrünungen und -verschattung an.

Hauswände können sich bei Hitzewellen auf bis zu 60 Grad aufheizen, erklären Azra Korjenić, Bauphysikerin und Expertin für Fassadenbegrünungen an der TU-Wien. Begrünt man die Fassade, werden 20 bis 30 Grad weniger gemessen. Der Kühleffekt funktioniert auf vielfache Weise: Die Pflanzen wirken außen als Schattenspender, zusätzlich kühlen sie, wenn das Wasser in den Blättern verdunstet. Wie viel niedriger die Temperatur im Innenraum dadurch wird, hängt von den Gegebenheiten in der Klasse ab: wie groß der Raum ist, wie viele Kinder da sind, und ob außen verschattet wird oder nicht. Korjenić leitet die Initiative "GrüneZukunftSchulen" und plant und setzt Begrünungen von Schulgebäuden um. Die Initiative stellt auch eine Anleitung für eine Selbstbauwand zur Verfügung. Damit kann jede Schule – mit den Schülern gemeinsam – schnell und günstig Wände begrünen.

Die begrünte Fassade zum Innenhof in der "Schule im Park". Die Pflanzen werden noch eine Weile brauchen, bis die ganze Wand grün ist.
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Neben den grünen Außenfassaden ist es außerdem möglich, die Wände der Klassen innen zu bepflanzen. Die Innenbegrünung hat zwar einen minimalen Kühleffekt, doch der Vorteil zeigt sich hier besonders im Winter, wenn die Luft zu trocken ist: Bei einer vorhandenen Lüftungsanlage wird die Behaglichkeit erhöht und optimales Klassenklima entsteht.

Natürlichkeit gewinnt

Aber warum eigentlich keine Klimaanlagen? "Klimaanlagen sind nicht zu empfehlen. Sie sind energieintensiv und kühlen zwar den Innenraum, heizen aber auch außen direkt vor der Fassade– wünschenswert wäre es, beides positiv zu beeinflussen", so Korjenić. Außerdem wird es in klimatisierten Räumen schnell zu kühl – das Risiko für Erkältungen steigt, während der Stromverbrauch hohe Kosten verursacht. Dann lieber doch Pflanzen, die nämlich noch mehr als kühlen können: Sie fungieren als Lärmschutz, binden Staub aus der Luft und sind auch ästhetisch ansprechend. (Pia Gärtner, Olivera Stajić 8.9.2019)