Smog über Neu-Delhi. Ob die Männer bereits auf einer der neuen Plastikstraßen mit ihrem Segway dahindüsen, ist unklar.

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Das österreichische Schnellstraßen- und Autobahnnetz umfasst rund 2.000 Kilometer. Rund fünfmal so viele Straßenkilometer wurden unter dem strengen Auge des Chemikers Rajagopalan Vasudevan in Indien in den vergangenen Jahren verbaut. Es handelt sich dabei aber nicht um gewöhnliche Straßen, sondern solche aus Plastikmüll – zumindest zu einem Teil. Vasudevan prangert seit knapp zwei Jahrzehnten die Wegwerfgesellschaft an, dennoch wollte er Plastik nie verbieten, weil besonders ärmere Bevölkerungsschichten darauf angewiesen seien.

"Plastik ist nicht das Problem, wir sind es", sagte er im vergangenen Jahr dem "Guardian". Das Plastik verschmutze gar nicht unsere Weltmeere, wenn wir es nicht ins Meer kippen, argumentierte er. Er wollte deshalb sinnvolle Wege für die Wiederverwertung von Plastikmüll entwickeln und fand sein Heil in Straßen aus Plastik. Der Rohstoff dafür stammt aus Getränkeflaschen, Einwegverpackungen und dergleichen. Wenn verflüssigt, dienen winzig klein geschredderte Plastikpartikel als perfektes Bindemittel für den zum Straßenbau verwendeten Bitumen und die kleinen Gesteinskörner.

Zehn Prozent weniger Bitumen

Das hervorragende Bindemittel Plastik reduziert nicht nur den Bitumenverbrauch pro Straßenkilometer um eine Tonne und damit rund zehn Prozent. Zugleich sind die Straßen mit Plastikanteil widerstandsfähiger und langlebiger. Das Wasser rinnt gleich gut ab wie bei herkömmlichen Straßen, und Schlaglöcher bilden sich seltener als sonst üblich. Der erste Prototyp wurde bereits 2002 auf Vasudevans Campus errichtet und hält noch immer. Seit 2006 verfügt er über das Patent, und seit mittlerweile vier Jahren wird jede indische Straße nach der neuen Formel errichtet.

Nach Ansicht von Rajagopalan Vasudevan soll Plastikmüll nicht länger in den Flüssen landen, sondern in Straßenbeläge verpackt werden.
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Skeptiker sorgten sich anfangs wegen der beim Schmelzen von Plastik freigesetzten Giftstoffe. Der Chemiker aber beteuert, dass er den Asphalt, das Kies-Bitumen-Gemisch, lediglich auf 170 Grad Celsius erhitze, bevor es mit den Plastikmüllfragmenten besprüht werde. Sich zersetzendes Plastik gebe erst ab einer Erhitzung auf 270 Grad Celsius solche gefährlichen Giftstoffe frei, betont Vasudevan. Manche Kritiker warnen dennoch, dass man sehr sorgfältig darauf achten müsse, welche Plastikteile zum Schmelzen verwendet werden. Es sei grundsätzlich aber wichtig, alternative Einsatzformen für Plastikmüll zu finden.

Vasudevan jedenfalls erweitert seine Produktpalette bereits um mit Plastik versetzte Kalksteine für den Häuserbau. Auch öffentliche Toiletten werden mittlerweile mit seinen Plastikziegeln gebaut. (red, 10.9.2019)